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Freitag, 30. Mai 2025

Frühling 2025 – 30. Mai: Bastelica / Ajaccio

Le but de la religion est d'empêcher les pauvres de tuer les riches

Das Frühstück ist heute noch schlechter als gestern: gerade mal drei oder vier Stücke Baguette, ebensoviele Stücke Wurst und Schinken, wenig Käse. Trotzdem sind alle Gäste noch bzw. wieder da plus zwei bis vier weitere Gäste.

Gerade, was Wurst und Käse angeht, ist das Angebot eine echte Katastrophe. Alles zu dick geschnitten, alles sehr fettig und weitgehend geschmacksfrei, und das hier, wo es in Laufweite wirklich sehr gute Qualität gibt.

Besser, weil nicht falsch aufgebacken, ist nur das Baguette. Und weil Monsieur den beiden gestern angekommenen Damen den Hof macht, fällt auch für uns noch ein frisch aufgebrühter Kaffee ab. Quel bonheur!

Nach dem Frühstück ist vor der Fähre. Mit dem gestern gewonnenen Wissen um die Probleme mit der Überfahrt nach Sardinien suche ich im Netz alles, was nach Fähre aussieht. Einerseits gibt es viele Ticketanbieter, andererseits gibt es nur noch ein einziges Unternehmen: Ichnusa Lines.

Das Suchen über die Agenten kostet unnötig Zeit und Nerven, weil überall Daten eingegeben und Termine geprüft werden müssen, deshalb versuche ich es nach zwei ergebnislosen Anläufen direkt bei Ichnusa. Auch das gestaltet sich zunächst schwierig, weil ständig irgendein Datum nicht passt und das jeweils buchbare Angebot sich immer wieder ändert. Aber am Ende haben wir ein Ticket für die Überfahrt am 7. Juni 2025.

Das ist zwei Tage später als gedacht. Hoffentlich ist das Hotel gut, in das wir am Sonntag umziehen. Hoffentlich hat es zwei Tage länger Platz für uns.

N'interrompez jamais votre ennemi lorsqu'il fait une erreur


Nach diesem Erfolg geht's nach Ajaccio, der Hauptstadt aller Korsen. Die Entfernung beträgt knapp 40 Kilometer, Google veranschlagt dafür etwas mehr als eine Dreiviertelstunde. Auf der D27 geht es in unzähligen Windungen und Wendungen nach Südwesten, bei Cauro wechseln wir auf die breitere, geradere und besser asphaltierte T40.

Unterwegs rufe ich unsere Werkstatt wegen der Kratzer an, die ich bei der Entfernung von Taubenschiss auf der Windschutzscheibe hinterlassen habe. Die Verbindung ist schlecht, die Nachrichten ebenfalls: lässt sich nicht korrigieren.

In Ajaccio angekommen, finden wir einen schattigen Parkplatz direkt an der Hafenpromenade. Ein bisschen eng vielleicht, aber kostenfrei und schattig. Von dort laufen wir in Richtung Altstadt und nehmen unterwegs kurz einen Café noisette / Cabinet.

L'avenir d'un enfant est l'oeuvre de sa mère

Vorbei an unzähligen Tinnef-Läden und zweifelhaften Nahrungsangeboten erreichen wir das Maison Bonaparte in einem Gässchen, das wir tatsächlich kostenlos passieren dürfen. Da sind die Prager mit ihrem Kafka schon lange viel weiter.

Si vous voulez qu'une chose soit bien faite, faites-la vous-même

Am Ende unserer Strecke besuchen wir die 
Cathédrale Notre-Dame-de-l’Assomption, in der heute die Orgel den Raum flutet und in der Napoleon Bonaparte seine letzte Ruhe fand: „Si l’on proscrit mon cadavre, comme on a proscrit ma personne, que l’on me refuse un peu de terre, je souhaite que l’on m’inhume auprès de mes ancêtres dans la cathédrale d’Ajaccio, en Corse“ verfügte der Korse am 29. April 1821 im Exil auf St. Helena.

Der großen Worte sind nun genug niedergelegt, wir gehen zurück durch eine eigentlich ganz schöne Stadt, die inzwischen aber einen eher runtergekommen Eindruck macht und an vielen Stellen ziemlich streng riecht.


Une société sans religion est comme un vaisseau sans boussole

Auf dem Rückweg fällt uns erneut auf, was uns in den letzten Tagen immer wieder aufgefallen war: die hohe Porsche-Dichte auf Korsika. Offensichtlich üben die kurvenreichen Straßen eine nahezu magische Anziehungskraft auf Menschen aus, die a) einen Porsche besitzen und b) nicht recht wissen, wo außerhalb Korsikas sie mit diesem entlang schöner Bergstrecken fahren können.

Zurück im Hotel frönen wir einem frugalen Mittagessen und einer Stunde der Ruhe. Nach der schwierigen Kommunikation auf dem Weg nach Ajaccio ruft nochmal die Werkstatt an und bestätigt, dass die Kratzer wohl irreparabel sind.

Chaque heure de temps perdu est une chance de malheur futur

Den späteren Nachmittag verbringen wir schreibend, Fotos sortierend, Raupen vertreibend und mit dem Patron parlierend im Garten.

Um 19.15 Uhr machen wir uns im Auto auf den Weg zu „Chez Paul“, wo wir bereits erwartet werden und einen wirklich schönen Abend verbringen.

Die Tochter des Hauses hat uns den besten Aussichtsplatz auf der Terrasse reserviert, zum Apéritif nehmen wir einen Vin de myrthe und einen Vin de clémentine. Jede/r von uns hat die richtige Wahl getroffen.

Zum Essen gibt's zwei Mal Charcutèrie Corse, danach Cannelloni au brocciu und Sauté de veau avec haricots à la mode corse. Dazu zwei Flaschen des sehr trinkbaren Hausweins und hinterher eine Creme brulèe und eine Creme de chataignes.

Korsika ist tatsächlich eine Reise wert.


P.S.: Anders als am ersten Abend in Bastelica sind die Cannelloni au brocciu diesmal wirklich wie Cannelloni gemacht, die Füllung ist also von Teig umschlossen, schmilzt nicht während des Überbackens und vermengt sich im Ofen auch nicht mit dem Tomatensugo. Das Ergebnis sieht besser aus als in den offenen Conchiglie und schmeckt auch besser.