Seiten

Freitag, 13. Juni 2025

Frühling 2025 – 10. Juni: Alghero / Fertilia

Vittorio Emanuele II. in Sassari

Heute frühstücken wir mit vielen ausgezogenen Damen.

Da ist z.B. die in Häkelwäsche eingepackte Enkelin von Opas Geburtstag gestern Abend, die die Resultate der Handarbeiten ihrer Urgroßmutter aufträgt. Da sind viele junge Frauen, die es kaum erwarten können, an den Strand zu kommen und den Tag deshalb im Bikini beginnen.

Da ist die stark überdimensionierte Osteuropäerin, die zu viel von Beth Ditto gesehen hat (wobei es generell nicht einfach sein dürfte, wenig von Beth Ditto zu sehen) und seit zwei Tagen bei jeder Gelegenheit in auf den Leib geschneiderten Bade- und sonstigen Anzügen in grellen Farben und Mustern auftritt.

Und da ist der kleine italienische Junge – Typ blondgelockter Engel –, der mit einem randvollen Wasserglas zitternd und leicht schwappend neben dem Tisch mit den Säften und Wassern steht.

Piazza d'Italia, südliche Seite

Ich frage ihn, ob ich ihm helfen darf, er nickt vorsichtig. Ich nehme ihm das Glas ab, stelle es auf den Tisch und frage ihn, ob er mit oder ohne Sprudel möchte. Er möchte naturale, ich gebe ihm ein gut tragbar gefülltes Glas und kippe seinen ersten Versuch wieder in den großen Glasbehälter. Er sagt „grazie“ und strahlt, wie nur blondgelockte Engel strahlen können.

Wäre ich damals 40 Jahre älter und die Umstände andere gewesen, ich hätte ein guter Vater werden können.

Anschließend versuche ich nochmal, das Hinterrad aufzupumpen, es geht leider wieder nicht, weil das Ventil immer noch zu kurz ist. Also fahren wir nach Sassari zum nächsten Decathlon, wo man sich mit dem Fahrrad bestimmt genauso gut auskennt wie in Deutschland.

Die Kollegin im laboratorio, Valentina, ist sehr motiviert, aber gerade mit dem Aufbau eines rosa Kinderrades beschäftigt. Anders als ich, hat sie aber eine Pumpe, mit der sie das Hinterrad aufpumpen und dabei feststellen kann, dass auch der neue Schlauch hin ist.

Entspannte Atmosphäre in den Portici

Sie nimmt den Reparaturauftrag aber gerne an, und wir fahren ins Zentrum von Sassari und setzen uns unter die Portici ins Café Giordano, wo wir zwei Stück Torte essen. Caffè kriegen wir keinen, weil nicht nur mein Hinterrad, sondern auch Giordanos Macchina kaputt ist.

Kaum steht die Torte auf dem Tisch, schickt Decathlon schon die Erfolgsmeldung. Wir lassen uns nicht hetzen, essen langsam auf und gehen noch langsamer durch die stille Stadt zurück zum Parkhaus.

Seitenblick in Sassari

Bei Decathlon ist alles fertig, die Leute sind sehr freundlich und die Luft hält. Die Kundin für das Kinderrad ist auch da – gemeinsam mit ihrem Opa, der das rosa Fahrrad bezahlt und sie zum Auto schiebt. Das Mädel platzt gleich vor Begeisterung.

Zurück im Hotel gehen wir noch ein bisschen ins Meer, waschen hinterher das Nötige und machen kurz Pause.

Auch in Sassari ist das Fernmeldeamt kein Fernmeldeamt mehr

Den Apéritif nehmen wir heute ohne Möwe. Erstens sitzen wir mit unseren Rechnern draußen und besprechen die weitere Planung, zweitens ist die Terrasse rappelvoll mit Menschen. Sie sind Teil einer großen Gruppe aus der Schweiz oder Holland, und alle reden mit steigender Lautstärke aufeinander ein.

Plötzlich hören wir Sätze in flüssigem Spanisch, gesprochen von einer Frau aus eben dieser Gruppe. Das bringt uns auf eine Idee, aber vorher gibt's Essen:

Die Antipasti gibt's für uns heute als doppelte Portionen: Tentacolo di polpo und Involtini di melanzana – beides sehr lecker. Die Gattin nimmt anschließend Crema delicata con asparagi e zucca und Filettino di manzo, der Gatte entscheidet sich für Mezze maniche saltate und Gamberone arrosto. Und weil er gestern so gut war, trinken wir nochmal eine Flasche Cala Reale.

Nachtisch gibt es ebenfalls: Ciccolato e pistacchio bzw. Cioccolato e limone.

Schönes an allen Ecken

Nach dem Essen sprechen wir besagte Urlauberin aus der großen Gruppe an. Sie stammt aus Uruguay, lebt heute aber in der Schweiz. Sie ist außerdem ein Ausbund an Freundlichkeit und tatsächlich bereit, morgen früh eine kurze Nachricht an unseren Spanisch-Kurs einzusprechen.

¡Hasta mañana!

Erdbeermond statt Silbermond