Entlang der Westküste der Insel nach Süden |
Beim Frühstück gibt es immer das beste Entertainment. Zum Beispiel Männer, die kleine Teller mit allem behäufen, was das Angebot hergibt. So findet Aprikosenmarmelade zu eingelegter Gurke, so bedeckt die Käsescheibe das Rührei.
Wer aber den anderen zu lange beim Frühstück zuschaut, sich um kurz vor zehn noch einen Caffè bestellt und erst nach zehn Uhr auf sein Zimmer will, der erfährt, was Digitalisierung in der – touristischen – Realität bedeutet: Die Zimmertür lässt sich mit der bis zehn Uhr codierten Schließkarte nicht mehr öffnen. Schön, dass es nette Zimmermädchen gibt, die uns zuerst die Tür und dann den Safe öffnen, der den Code nicht mehr annimmt.
Wir fahren zu unserer üblichen Zeit, also kurz vor elf raus auf die SP90. Auf der Karte heißt sie Strada provinziale, tatsächlich ist sie aber asphaltierte Geschwindigkeitsbegrenzung. Denn der Italiener macht das sehr geschickt. In der Praxis wird die Geschwindigkeit mittels Schildern begrenzt, aber über die Qualität des Straßenbelages geregelt.
Le strade sono come le uova: strappazzate.
Wer hier fährt, kann einfach nicht mehr als die ausgeschilderten 50 km/h fahren. Außer er hat einen an der Waffel und brettert mit 80 km/h an uns vorbei.
Wir fahren auf besagter Straße in Richtung Süden. Manchmal ist das Meer rechts in Sichtweite, dann schreit meine Frau laut auf. Meist steht links die macchia, und links sind die, wie wir inzwischen gelesen haben, wesentlich weniger hohen Berge als die auf Korsika.
Hier auf Sardinien habe ich vor etwa 40 Jahren gelernt, wie man die Frucht des Feigenkaktus ernten und essen kann, ohne die Stacheln auf der Zunge zu haben. Hier habe ich gelernt, was die Schildläuse auf dem Feigenkaktus machen. Und ich habe gelernt, was Campari mit den Schildläusen macht. Seitdem habe ich keinen Campari mehr getrunken.
Meine Frau dagegen liebt ihn, und jetzt trinken wir neuerdings abends vor dem Essen manchmal einen Campari Spritz – eine interessante Wendung.
Irgendwann biegen wir von der großen Strada provinziale auf eine kleine in Richtung Costa paradiso. Die Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h auf der großen, breiten Straße verändert sich erstmal auf 90 km/h. Sobald es dann in die Kurven geht, schlägt der Staat auch hier 30 km/h vor, und bei den Löchern im Asphalt ist das eine durchaus ein vernünftiger Ansatz.
Wir fahren durch das dazugehörige Villagio, das wohl erst in den letzten Jahren entwickelt wurde, jetzt gut verkauft ist bzw. wird und tatsächlich an einem sensationellen Platz liegt.
Nächster Stop ist San Pietro a Mare, wo unser knapp zwei Jahre alter Junior 1989 das Meer erschreckte. Das Meer ist immer noch da, aber dort, wo einst das Hotel Angolo stand, gibt es heute einen kleinen Kreisverkehr, an dem man mit dem Auto entweder umdrehen oder auf den Parkplatz des Bellevue Sardinia Resort fahren kann.
Wir parken erstmal draußen.
Dann gehe ich zu einer älteren Dame, die auf ihrem Grundstück herumwerkelt und versuche, von ihr zu erfahren, ob wir wirklich an der richtigen Stelle stehen. Leider kann sie das nicht bestätigen, sie kommt zwar aus der Nähe, wohnt aber noch nicht lange genug in diesem Haus. Schnell bin ich aber mit ihr darin einig, dass Sardinien nicht mehr so ist wie es mal wahr. Und dass die Auswüchse an der Costa Paradiso nur einige Investoren noch reicher gemacht, aber den Menschen auf der Insel wenig bis nichts gebracht haben.
Danach fahren wir auf den Reseidenz-Parkplatz und trinken an der Bar zwei Caffè mit Klo.
Entlang des weiteren Weges wächst der Oleander links und rechts in riesigen Büschen, bunt, zum Teil fast vier Meter hoch und wie Unkraut. Das einzige, was sich zwischendurch ab und zu gegen ihn durchsetzen kann, sind Palmen.
Mittagspause with a view |
Unsere SP90 heißt inzwischen SP60 bzw. Via Buddi Buddi, was ein wenig an Silvio Berlusconis Bunga Bunga erinnert. Für uns viel interessanter sind allerdings die Pinien, die links uns rechts der Straßen stehen, in der Höhe die Kronen zusammenstecken und so weite Dächer bilden. An einem von vielen machen wir eine kurze, schattige Mittagspause.
Nachdem unsere seitlichen Besichtigungen inzwischen einiges an Reisezeit verbraucht haben, beschließen wir, jetzt zuerst einmal ordentlich Strecke zu machen. Es sind schließlich noch rund 70 Kilometer bis zu unserem heutigen Etappenziel.
Blumen / Meer |
Unser Navi bringt uns erst im zweiten Anlauf ans Ziel. Aber um 16 Uhr haben wir gefühlt noch den ganzen Nachmittag vor uns.
Die Dame am Empfang ist gut drauf und knöpft uns erstmal den Aufpreis für drei Tage Halbpension con carta ab. Dann erklärt sie uns, was es mit dem von uns so günstig gebuchten camera flexibile auf sich hat – wir dürfen heute einmal in unserem Zimmer schlafen und morgen früh in ein anderes Zimmer umziehen.
Wir besiedeln also unsere Kurzzeit-Behausung, gehen ins Meer, duschen und legen uns danach hin. Überall lauert das romantische Familien-Idyll, überall lauern die zanzare, überall herrscht 60er-Jahre Italien.
Um halb acht nehmen wir in der Bar einen Aperol- und einen Campari-Soda (da isser wieder) mit Chips, Nüsschen und Oliven. Abendessen gibt es auf der Terrasse, heute sitzen wir noch drinnen, für morgen reservieren wir einen Tisch draußen.
Als Antipasto nehmen wir Seppietta carciofini e zucchine, als primi gibt es Pennette in salsa casareccia bzw. Velutata di fagioli (was der Gattin dann doch nicht sooo gut schmeckt) und beim Hauptgang sind wir uns dann wieder einig: Dentice fresco al Vermentino.
Der durchaus passende Weißwein heißt Karmis. Der Nachtisch des Tages ist cremig und enttäuschend, das muss morgen besser werden.
Draußen lacht die Möwe mit den drei Kindern.
Von Alghero grüßt das Riesenrad |
Den Caffè nehmen wir in der Bar, wo sonntags und mittwochs herausragende Künstler aus Alghero Stücke aus ihrem Repertoire spielen. Heute spielt eine kleine, junge Frau barfuß Stücke von Bob Dylan, Simon & Garfunkel und Stevie Wonder. Sie macht das sehr gut, aber Englisch ist nicht ihre größte Stärke.
Wir gehen trotzdem zufrieden zurück in Camera 95 und sind gespannt, was der neue Tag bringt. Über uns spielt jemand mit Stein- und Stahlkugeln Boccia.