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Donnerstag, 29. Mai 2025

Frühling 2025 – 29. Mai: Bastelica

Les Gorges du Prunelli – beliebtes Ziel gut besetzter Busse

Auch im Hotel Artemisia gibt es Frühstück zu einem ambitionierten Preis. Verglichen mit den letzten Tagen in Erbalunga ist es jedoch ein schwerer Abstieg: Kaffee aus der Thermoskanne, nur kalte Milch, trockenes Baguette, trockener Kuchen, viel zu dick geschnittene Charcuterie. Eigentlich ist nur der O-Saft OK.

Monsieur versucht, das Elend mit einem Omelette zu kompensieren, wenigstens das ist nicht ganz schlecht.

Heult das Wasser, steht der Stein

Unser heutiges Ziel ist der Lac de Tolla, laut komoot sind es rund 600 Höhenmeter hin und zurück, das wird der Akku schaffen.

Die Straße ist jetzt so breit, dass sie in Deutschland nur noch als einspurig durchginge. Einige Passagen sind ganz frisch asphaltiert und sehr gut zu fahren. Auf dem Weg zum zum See machen wir an den Gorges du Prunelli halt. Einerseits, weil die Brücke einen beeindruckenden Blick ins tosende Wasser erlaubt, andererseits, weil vor uns ein Bus den Weg versperrt.

Ihn und seinesgleichen sehen wir unterwegs immer wieder, wie sie sich vor uns durch die schmale Straße und die engen Kurven hinauf zum Bergsee quälen, wie sie immer wieder ihre Fahrgäste zum Fotografieren und Staunen in die Landschaft entlassen und wie sie immer wieder den Verkehr aufhalten beziehungsweise von entgegenkommenden Fahrzeugen aufgehalten werden.

Während der Businhalt sich vor uns über die Straße und den Parkplatz ergießt, kommen von oben vier dieser braungebrannten 2.000-Höhenmeter-Jungs die Straße entlang und bahnen sich mit energischem Ton den Weg.

Rennradfahrer müsste man sein!


Egal, aus welchem Grund, hier bleibt einem die Luft weg


Tolla ist ein malerisches Dörfchen am und oberhalb des Sees. Wir fahren auf der D3 durch den Ort und weiter bis zum Belvedère de Mercujo. Von dort aus haben wir die Straße bis weit hinunter ins Tal im Blick und fragen uns, ob es wirklich sinnvoll ist, jetzt noch zwei- bis dreihundert Höhenmeter hinunter zu düsen, um sie gleich danach wieder hoch zu strampeln.


Die Antwort lautet: nein. Also drehen wir um.


See so weit das Auge reicht

Es geht als wieder durch Tolla, die Leute machen einen entspannten Eindruck, reden miteinander und kümmern sich nicht weiter um Knalltüten wie uns. Eine Motorradfahrerin, die ich neben ihrem Haus auf den See und dessen Temperatur anspreche, meint, dass Baden möglich sei, aber „c'est mieux en août!“

In einer Linkskurve kurz hinter dem Ortsausgang stehen viele Pkw mit laufendem Motor, sie kommen nicht weiter und warten darauf, dass der entgegenkommende Bus am ersten Pkw vorbeikommt. Gleich geht es weiter, kein Stress.

Straße mit gutem Belag und ebensolchem Blick

Den habe ich dann kurze Zeit später: In einer scharfen Rechtskurve kommt mir ein moderner James Dean im offenen Roadster entgegen. Auch er glaubt wohl, er wäre auf einer einspurigen Straße unterwegs, schaut deshalb verständnislos und kann gerade noch bremsen und das Steuer nach rechts reißen.

Damit schenkt er mir die kommenden Lebensjahre, da ich aber – zumindest gefühlt – auf seiner Spur gefahren bin, hupt er nochmal wütend, nachdem er uns passiert hat.

Schwarze, braune, große, kleine – alles Schweine

Wir fahren erleichtert weiter, die Gattin bewundert die Landschaft und ruft immer wieder „Nee“ oder „Nee, Leute“. Einige Kilometer vor Bastelica kommen wir an einem großen Schweinegehege zur Rechten vorbei. Die Tiere machen schöne Töne, sind interessiert und zutraulich. Sie riechen zwar ein bisschen nach Tier, aber nicht so wie die armen Schweine, die in deutschen Ställen in ihrer eigenen Scheiße liegen.

Das sieht auch der Schweizer so, der im offenen Autoskelett (was auch immer er da fahren mag) neben uns hält, Schweine streichelt und „Die stinken ja gar nicht“ konstatiert.

In Bastelica angekommen, fahren wir hinauf zu „Chez Paul“, wo wir für den Abend reservieren möchten. Leider Fehlanzeige, heute ist Ascencion und abends geschlossen. Pauls Tochter bucht uns für morgen Abend ein und empfiehlt für heute das „Scaldasole“. Donnerstags hat sonst keiner geöffnet.

Zurück im Hotel, essen wir vom sehr guten korsischen Pecorino und Schafskäse, danach schreibe ich, während Madame ruht.

Der Patron erzählt uns später, dass er die Fähre nach Sardinien an unserer Stelle bald buchen würde. Seinem Bruder und dessen Freunden sei gerade die Überfahrt verwehrt worden, weil die Kapazität der Fähre überschritten worden sei. Und das, obwohl sie schon vor vier Monaten gebucht hatten. Wir stellen später fest, dass es zum von uns angepeilten Termin keine Autostellplätze mehr auf den Fähren gibt.

Das Abendessen ist ein Glücksfall. Wir starten mit einer Planche de charcutèrie und verstehen erstmals, warum Menschen von den Würsten und Schinken der Korsen schwärmen. Dann gibt es Magret de Canard au miel und Tagliata de Boeuf, beides üppig portioniert und sehr gut zubereitet.

Da wir im Rausgehen etwas länger vor den dargebotenen Würsten und Schinken des Hauses verweilen, wittert die Chefin weitere Umsätze und unterbricht für uns ihr Essen. Auf unseren Hinweis, dass wir gerne würden, aber noch einen zu langen Transportweg vor uns haben, wechselt ihr Gefühl von Geschäftssinn zu Mitleid.

Wir kommen gut heim, machen noch ein bisschen Duolingo und gehen bald schlafen.

Tolla See, gefährliche Nebenstraße

Frühling 2025 – 28. Mai: Bastelica

Eine letzte Fahrt durch Bastia

Von den Kindern hören wir heute praktisch nichts. Dafür fährt einer unserer Porsche-Freunde gegen halb neun auf dem Parkplatz stehend schon mal alle Kurven und sonstigen Schönheiten der morgigen Rallye. Da kann sich die Strecke auf einiges gefasst machen.

Die Tische fürs Frühstück sind weitgehend besetzt, offensichtlich ist die Hütte voll. Zwischen den Buffets – Achtung, Wortspiel! – herrscht reger Verkehr, und die Damen im Service haben mit dem Abräumen der Tische wirklich alle Hände voll zu tun.

Gegen zehn fahren die Engländer los, und wir sind überrascht, mit wie wenig Lärm das verbunden ist. Das dürfte morgen mit den Porsches anders werden. Wir schaffen es, um kurz nach zehn los zu fahren. Laut Google werden wir etwa um 14 Uhr in Bastelica sein.

Anfangs verlieren wir etwas Zeit, weil vor Bastia recht starker Verkehr herrscht. Wir halten nach der Stadt bei Monoprix, wo wir all das nicht bekommen, was wir suchten. Dafür kann ich dabei helfen, einen blauen Clio in eine günstige Position zu schieben, aus der er leicht bergab rollen und tatsächlich auch starten kann.

Den nächsten Stopp machen wir bei Auchan, wo wir unseren Essig und andere korsiche Feinheiten finden. Langsam muss das Einkaufen aber ein Ende haben, unsere Ladeebene unter dem Kofferraum ist schon fast komplett gefüllt.

Von der östlichen Seite in den Parque naturel régional de Corse

Anschließend sieht es dann so aus, wie vor oder nach jeder etwas größeren französischen Stadt, es geht weiter durch Gewerbegebiete in Richtung Ajaccio. Nach ca fünf Kilometern lässt der Schrecken nach, bei Casamozza fahren wir raus in die Hügel, entlang des Golo. An dessen Ufer bzw. am Pont de Ponte-Nuovo sur le Golo besiegelten französische Truppen am 20. Juli 1928 endgültig die Annexion der Insel durch Frankreich.

Wir schlagen keine Schlachten, sondern weichen einem silbernen Clio, aus, der mitten auf der Straße liegengeblieben ist und nun eine Kurve blockiert. Irgendwie sinkt mein Vertrauen in Renault-Fahrzeuge heute nochmal deutlich.

Entlang der T20 sehen wir einige alte Eisenbahnbrücken, teilweise werden sie saniert. Madame fährt, was die Straßen zulassen, trotzdem entwickelt sich unser Zeitbudget negativ. Es wird immer grüner. Die höchsten Gipfel des Nationalparks strahlen schneebedeckt, das Thermometer zeigt 26 Grad, das Mobiltelefon ist mitten in der Wildnis im 5G-Netz.


Korsen lassen einfach gerne die Sau raus


Und auch sonst muss man sich wundern, was hier alles frei herumläuft


Bei Bocognano verlassen wir die Territoriale 20 zugunsten der Départementale 27. Wer bisher dachte, dass es enger und kurviger nicht gehen könnte, wird auf den folgenden 23 Kilometern eines Besseren belehrt.

Die Gattin fährt wie die Teufelin, kurz nach 16 Uhr erreichen wir unser Hotel. Der Patron empfängt uns auf dem Platz vor dem Eingang und macht uns gleich mit allen Eigenarten des Hauses vertraut.

Danach übernehmen wir unser Zimmer, ziehen uns um und bauen die Räder zusammen. Um kurz vor fünf fahren wir los, hinauf zur Ski-Station im Val d'Ese. Der Patron bittet allerdings darum, nicht die ganzen 16 Kilometer hinauf zu fahren, damit wir pünktlich zum Essen wieder da sind.


Schöne Aussichten in Bastelica

Also fahren wir ein Stück durch den Ort und dann auf schmaler, gewundener Straße die Berge hinauf. Links blüht der Ginster, rechts stürzt der Berg ins Tal (oder umgekehrt). Die wechselnden Aussichten haben alle eins gemeinsam: Sie rauben uns den Atem.

Nach knapp 40 Minuten und neun Kilometern ist leider Schluss, wir drehen um und donnern die gleiche Strecke in einer Viertelstunde zurück. Am Hotel angekommen, tun uns vom Bremsen die Hände weh. Mit Felgenbremsen hätte ich das nicht machen wollen.

Über allen Gipfeln ist Ruh' ...

... auch über diesen

Wir füttern unsere Pferdchen in einem kleinen Häuschen mit Steckdose, nach dem Duschen gibt es dann Essen unten im kleinen Bewirtungsbereich.

Zum Apéritif sitzen wir mit vier anderen Pärchen an Zweiertischen auf der Terrasse am Haus. Einer der Tischen ist ebenfalls deutsch besetzt, von einem Paar, das laut Nummerenschild aus Böblingen den Weg nach Korsika bewältigt hat.

Die beiden sind um die dreißig, er geht als eher schmächtiges Kerlchen durch, sie könnte als missmutige Nörglerin Karriere machen. Immer die Mundwinkel unten, immer diesen leicht klagenden, vorwurfsvollen Ton, den man oft von Frauen hört.

Was die Herrschaften wohl beruflich machen?

Sie rerdet pausenlos von Lehrern, von Schülern, von Studenten. Er sagt kaum was, er kommt ja nicht dazu. Wir tendieren also unabhängig voneinander zum Beruf des Lehrers. Es folgt der Blick in den deutschen Ferienkalender und unsere Theorie bricht zusammen. Lehrer werden aktuell und baW jeden Morgen in den Schulen erwartet, als Studenten gehen sie nicht so recht durch, bleibt eventuell ein Job in einem Bildungsministerium – ist ja auch egal.

Nach dem Apéritif tischt Monsieur eine nach seinen Worten korsische Spezialität auf: drei Conchiglie mit Schafskäse, Petersile und Minze gefüllt. Das Ganze nennt sich au brocciu und wird mit Tomatensugo gratiniert. Man fragt sich, warum es italienischer Pasta bedarf, um korsische Spezialitäten zu kochen, und warum man angemachten Käse mit Tomate überbacken sollte. Dann kommt ein kleines Schweinesteak mit Salzkartoffeln und sechs Stangenböhnchen (bio!), gefolgt von einer Pavlova mit Birnenstückchen.

Wir sind nicht übermäßig satt und fragen uns schon wieder etwas. Nämlich, warum dieses zweifelhafte Vergnügen 40 Euro pro Mund bzw. Magen gekostet hat. Zumindest der Wein war in Ordnung.

Zurück ins Dorf

Heute geht's ohne Eule ins Bett, wir schlafen gut, nur die Hüfte ist nicht ganz glücklich.

Schnell noch ein paar Meter hinauf zur Ski-Station

Frühling 2025 – 27. Mai: Erbalunga / Bastia

Farbenfrohes Bastia

Die Schule fängt auch am Dienstagmorgen pünktlich an – ergo sitzt der Tourist früh am Frühstückstisch.

Die Fähre hat wieder neue Passagiere an Land gespült. Auf dem Weg zum Innenhof sehen wir vom Pool aus eine etwa siebzigjährige Frau, die routiniert ihren etwa gleichaltrigen hellblauen Porsche 356 A rückwärts einparkt. Damit man sie auch abseits des Parkplatzes leicht mit ihrem Auto verbinden kann, trägt sie einen Mechaniker-Overall im Hellblau des Autos.

In diesem sitzt sie beim Frühstück mit einer ebenfalls etwa gleichaltrigen Frau zusammen, deren Gesicht nach mehreren Schönheitsreparaturen bis zur Kenntlichkeit entstellt ist. An unserem Nachbartisch sitzt parallel ein Ehepaar in den Achtzigern; der Mann führt seinen Nagelpilz in Sandalen vor.

Auch in Notre Dame de Lourdes sind Schuld und Sühne klar verteilt

Fahrrad ist heute erstmal nicht geplant, stattdessen fahren wir gegen halb elf nach Bastia, parken nahe des Hafens und gehen durch die Stadt, schauen überall rum, hier und da mal rein und fahren nach eins zurück.

Das nördliche Korsika spricht wie das südliche Italien


Vom Meeresspiegel geht es auch in Bastia steil bergauf


Bei unserer Rückkehr ist der Hotel-Parkplatz mit sieben weiteren Porsche unterschiedlicher Baujahre, Farben und Ausstattungen bestückt, etwa die Hälfte der Fahrzeuge stammt aus der Schweiz, ist ja nicht so weit. Von 1958 bis 2020 ist alles vertreten, manche schöner, einige völlig verunstaltet, aber alle werden an einer Rallye an Christi Himmelfahrt teilnehmen.


Wo noch Parkplätzchen frei waren, stehen jetzt acht dicke BMW-Motorräder aus UK.


Geld und Geschmack gehen nicht immer Hand in Hand


Mittags essen wir unsere Reste auf: Käse, Tomaten und die Souvenirs vom gestrigen Abendessen. Nach dem Mittagsschlaf gehen wir an den großen, später an den kleinen, unbeheizten Pool, den wir von unserem Zimmer aus sehen können. Zurück im Zimmer duschen wir, trinken einen Kaffee und machen Duolingo.


Keine Zeit mehr für das Blog.


Abends wieder die leidige Frage nach dem richtigen Lokal. Im Ort bzw. rund um den Hafen wieder das gleiche Bild, kein Restaurant, in dem wir wirklich gerne essen würden.

Aber anders als an den vergangenen Abenden leuchtet rechts an der Ecke, neben dem heute geschlossenen A Piazzetta, ein kleines Licht: das Cantinalolo. Drinnen wie draußen sieht es originell aus, die Kellnerin lächelt zauberhaft, wir möchten bleiben. Lieber draußen als drinnen – die freundliche Dame widmet für uns einen Dreier- zum Zweiertisch um.

Das kommt bei einem anderen deutschen Paar nicht gut an. Die beiden sitzen direkt neben der Eingangstür und können sich denkbar schlecht verständigen, aber sie hätten lieber an unserem Tisch gesessen, was die Kellnerin ihnen zuvor verwehrt hatte. Innerlich danke ich Madame Nicoli für ihre Geduld bei dem Versuch, unser Französisch zu entwickeln.

Flan für sechs Personen, Laurent-Perrier stellt leider nur die Kühlung

Das andere Paar geht vorzeitig, Lolo sagt, es breche ihm das Herz und, wir haben den bisher besten Abend auf Korsika. Vorneweg teilen wir uns Poireaux vinaigrette à l'ancienne, danach gibt es Brochette de Poulet und Moules gratinées ail et persil. Als Dessert hat Lolo einen Flan vorbereitet, den er vor unseren Augen aus der Form stürzt und von dem er uns zwei großzügige Stücke abschneidet.

Zum Kaffee müssen wir in die Bar weiter unten gehen, dort sitzen bereits einige der BMW-Fahrer bei diversen Bieren. Später im Hotel bleibt noch etwas Zeit zum Schreiben.

Morgen geht es weiter in die Mitte der Insel, die kleine Eule verabschiedet sich und uns.