Die katalanische Enklave auf Sardinien |
Heute wollen wir mal nicht nur den anderen beim Frühstück zuschauen, sondern auch selbst was machen. Deshalb haben wir uns auf Komoot eine 40-Kilometer-Runde um Alghero gesucht, der wir nach dem Frühstück folgen werden.
Da gibt es wohl ein Missverständnis |
Vorher waschen wir noch ein bisschen. Wir sind ja in den ersten Stock umgezogen, in ein größeres und schöneres Zimmer mit großem Balkon, und der muss ja sinnvoll genutzt werden. Dann bauen wir die Räder zusammen, und um halb zwölf geht es los.
Von unseren etwas abgelegenen Domizil fahren wir auf die SS127bis und dort auf den Radweg entlang der Bucht. Er führt uns durch Fertilia und weiter durch Algheros Touristen- und Strand-Vororte Maria Pia, La Pietraia und Pivarada. Am Ende kommen wir direkt auf die Uferpromenade von Alghero, passieren das Riesenrad (tagsüber ohne Beleuchtung) und kommen direkt ins alte Zentrum der Stadt.
Zwischendurch ruft der gemeinsame Sohn an und berichtet von der etwa 12-stündigen Frankfurt-Eskapade mit Besuchen bei Oma und Freunden, die er gestern mit seiner Frau auf sich genommen hat.
So sieht's aus, wenn das Kind anruft |
Der Weg durch Alghero führt durch schöne Gassen, die heute, wie nahezu überall, vor allem der Befriedigung „touristischen Interesses“ liegen. Die Auslagen bieten folkloristisch anmutenden Tinnef, die Kneipen und Restaurants locken mit sardischen Spezialitäten bis hin zur Pizza napoletana.
Schmale Gassen, breites Angebot an Ramsch |
Quattro mori als Bierdeckel |
Unsere Motörchen schieben uns alters- und bedarfsgerecht und der Routenvorgabe entsprechend vom Meer hinauf in den Teil der Stadt, in dem noch Eingeborene wohnen. Die Polizia locale korrigiert zweimal unseren Weg (Einbahnstraßen), am Ende kommen wir aber gut oben an und trinken in einer kleinen Bar an der Ecke der Via Luigi Canepa einen Espresso mit anderen befremdlichen Menschen.
Von dort geht's praktisch im Radumdrehen nach Norden hinaus aus der Stadt. Entlang alter Olivenhaine, mitten durch Neubaugebiete und aufgelassene Tourismusprojekte wieder auf die bekannte SS127bis.
Nicht mehr viel übrig von der alten Festung |
Wir folgen ihr bis zu einem Kreisverkehr, an dem wir auf die SS291var nach Westen abbiegen. Kurz darauf geht es wieder nach links, auf einen landwirtschaftlich genutzten Weg, der mit teilweise sehr grobem Material verfüllt ist und nach etwa 500 Metern vor einer sehr provisorischen Sperre endet.
Wir öffnen die Sperre, fahren durch und kommen nach weiteren 400 Metern endgültig zu der Erkenntnis, dass es so nicht weitergehen kann. Also alles zurück, Sperre wieder auf und zu und weiter zur richtigen Straße. Kurz bevor wir sie erreichen, macht mein Hinterrad schlapp.
Natürlich sind wir bestens vorbereitet.
Hinterrad ausbauen, alten Schlauch entfernen und neuen aufziehen ist ein Klacks von etwa 30 Minuten – die Decke sitzt fest wie ein Stahlband! Und der neue Schlauch hat bloß ein 45-mm-Ventil, wo der alte ein 80-mm-Ventil hatte, um die Hohlkammerfelge zu überbrücken. Die Folge der Felge: Das neue Ventil ragt nicht weit genug raus, um den Schlauch mit unserer Pumpe aufzupumpen.
Wir überlegen, was wir tun können, und entschließen uns dafür, unser Hotel um Hilfe zu bitten. Auf diese Weise lernen wir zunächst, dass Catérina, die sich seit gestern ohne zu klagen unser Versagen auf italienisch anhört, perfekt deutsch spricht. Im Verlauf mehrerer Telefonate erläutert sie uns die Standort-Weiterleitung via WhatsApp, bestellt ein Taxi für zwei Menschen mit zwei Rädern und verabschiedet sich wegen Ende ihrer Arbeitszeit.
Wir suchen uns einen halbwegs schattigen Platz am Rande der Straße und hadern mit unserem schweren Schicksal. Da das Taxi erst gegen 16 Uhr kommen wird, entscheidet sich die Gattin, die Fahrt alleine zu Ende zu bringen. Wir haben auf Google Maps eine Route gefunden, die wesentlich schlüssiger erscheint als die Komoot-Runde. Ich setze mich an eine Mauer und vertreibe mir die Zeit mit Duolingo.
Was die Spanier den Sarden hinterlassen haben |
Die Gattin erreicht das Hotel, kurz bevor das Taxi bei mir eintrifft. Der Fahrer wundert sich, dass nur noch ein Rad und ein Mensch auf ihn warten, aber er fährt die Verbliebenen innerhalb von 20 Minuten nach Fertilia.
Wir lassen uns die Laune nicht verderben, gehen wieder ins Meer, waschen ein paar Sachen raus und legen uns nieder. Um halb acht gehen wir zum Apéritif, diesmal leistet uns eine Möwe Gesellschaft, die nach Abzug der anderen Gäste im Sturzflug auf einen Tisch fliegt, auf dem die Kellnerin alle verbliebenen Naschereien und Getränkereste gesammelt hat.
Es tut also einen lauten Schlag, und die Möwe taucht ihren Schnabel blitzartig in alles, was sie erreichen kann. Die Kellnerin vertreibt sie sofort und sichert die genannten Naschereien und Getränkereste. Kaum ist sie von der Terrasse verschwunden, ist die Möwe wieder da. Diesmal kommt sie zu Fuß, ist ganz still und bemächtigt sich der Reste, die auf dem Tisch bei uns gegenüber stehen.
Die Möwe weiß, wo Barthel die Kalorien holt |
Wir schauen ihr kurz zu und gehen dann selbst essen.
Nebenan tafelt eine siebenköpfige deutsche Familie. Papa feiert seinen 75.–80., und der Rest des Clans ist mit von der Partie: Mama, Tochter, Sohn und Schwiegertochter sowie zwei Töchter derselben. Die ältere ist unter 20, von leicht üppiger Weiblichkeit und in der Selbstwahrnehmung eine Insta-Prominente. Die jüngere ist zehn bis zwölf und eifert der großen Schwester im Rahmen ihrer Möglichkeiten nach.
Anders als beim Frühstück sind wir aber nicht zum Gucken, sondern zum Essen gekommen: Vorneweg gibt es Sauté di cozze für den Herrn, Treccia di bufala e ciliegino für die Dame. Als Primi gibt es Spaghetti al pomodoro fresco sowie Paccheri saltati und als Secondi Spiedino di carne mista bzw. Trancio di pesce spada.
Eine freundliche Kellnerin empfiehlt uns dazu einen weißen Cala Reale, der gut passt. Und hinterher essen wir noch Bignè al cioccolato und Sorbetto al limone.
Ganz schön was los heute. Morgen müssen wir uns um mein Hintrerrad kümmern.
Angenehme Runde, unangenehmes Ende |