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Samstag, 14. Juni 2025

Frühling 2025 – 12. Juni: Cabras

Die Tropen bei Nurachi

Heute stehen wir etwas früher auf, denn es soll heiß werden. Das Frühstück nehmen wir im Innenhof. Es ist sehr! landestypisch.

Danach machen wir uns auf die von Komoot vorgeschlagene Runde. Die Fahrt gestaltet sich wieder schwierig, weil Komoot uns erneut auf eine schlechte, diesmal eine sandige Piste führt. Also drehen wir um und fahren auf der Landstraße weiter.

Vielleicht können wir wenigstens auf einem schönen Weg am Meer zurückfahren. Die drei älteren Sardinnen und Sarden, mit denen wir in Putzu Idu darüber reden, raten uns ab. Mit den schmalen Reifen wird das nicht so einfach, aber ein Stück weit sollte es gehen. Das Ende vom Lied: Wir müssen ein paar hundert Meter durch die Macchia laufen, bevor wir am Ende endlich wieder auf eine richtige Straße kommen.

Querfeldein mit Komoot

Die lässt sich dann sehr gut fahren, wird aber irgendwann unpassierbar, weil sich eine Herde Schafe auf ihr zu einem neuen Futterplatz bewegt. Wir schauen dem Treiben staunend zu, fahren dann langsam in die Herde, die Tiere retten sich nach rechts, schon geht es weiter.

Auf den folgenden Kilometern wird es immer heißer, und wir sind froh, als wir endlich zurück zum Hotel kommen. Wir waschen gleich die Trikots und hängen alles neben der Zimmertür über die Holzbank zum Trocknen. Dann gehen wir schwimmen und staunen, dass die Zimmermädchen das Zimmer gemacht und uns einen Wäscheständer für die Wäsche hingestellt haben.

Während die Wäsche draußen trocknet, können die Räder drinnen laden. Wir stellen sie ins Zimmer und fahren im Auto in Richtung Costa Verde.

Leider hat die Gattin wieder nicht daran gedacht, dass sie immer etwas essen muss. Jetzt versucht sie, sich mit zwei Bonbons kalorienmäßig am Leben zu halten, während wir im Süden von Cabras durchs Niemandsland fahren.

Immer dem Leithammel hinterher

Entlang der SP49 fahren wir in Richtung Süden, rechts ein weites Wasserbassin, überall steht Schilf. Die Damen im Hotel haben uns gestern noch voller Stolz die Decken im alten Haus gezeigt, die alle mit Schilf in traditionellen Mustern und Stärken verkleidet sind. Mal sind Rohre von etwa drei Zentimetern einfach in Quadraten nebeneinander verlegt, dann sind feine Schilfstreifen zu Mustern geflochten, wie wir sie z.B. von Thonet-Stühlen kennen.

Als Dämmung gegen das Stühlerücken im OG funktionieren sie leider nicht.

Im Wasser stehen weiße Flamingos, denen offensichtlich das Rosa der Garnelen abgeht, von denen sie sich anderswo ernähren. Ringsum stehen Unmengen von Sträuchern aller Art – Oleander, Agaven mit vier bis sechs Meter hohen Blütenständen, die aussehen wie Bäume. Außerdem Mauern aus Feigenkakteen, die weithin mit dicken, gelben Blüten um fliegendes Getier werben.

Dann tauchen plötzlich Disteln mit Blütenständen groß wie Tennisbälle auf. Sobald sie soweit sind, gehen sie auf und präsentieren einen flachen Teller mit unzähligen weißen Blüten.

Die feigen Kakteen

Die nächste größere Stadt ist Arborea, nach eigener Einschätzung „L'isola felice delle mucche“. Glücklich waren und sind wohl vor allem die Milchverarbeiter, die sich große, schöne Villen leisten konnten und so auf quadratischen Strukturen ein wirklich sehenswertes Städtchen schufen.

Auf der Suche nach Essbarem für die Gattin fahren wir die Quadranten erfolglos hin und her und kommen plötzlich an einem Metzger vorbei. Zuerst sieht es so aus, als würde eine lange Schlange von Kunden vor dem Geschäft warten, dann sieht man links ein kleines Auto mit Warnblinker und rechts, direkt vor dem Metzger, einen nahezu völlig zerstörten Kleinwagen. Das vordere Drittel ist völlig weggeschossen und man fragt sich, wie das bei Tempo 50 in der Stadt überhaupt möglich ist.

Überall stehen Menschen, alle haben ein Telefon in der Hand, einige weinen. Als wir vorne wieder auf die SP49 kommen, kommt uns schon die Ambulanz entgegen.

Mittagspause machen wir in Sant'Antonio di Santadi. Der örtliche Käser hätte uns gerne einen seiner großen Pecorini verkauft, aber die Gattin weiß das zu verhindern. Dafür gönnt sie sich selbst ein Panino, von dem eine Familie hätte satt werden können. Die Jugend kommt in der Bar vorbei, die Handwerker kommen vorbei. Zwei Buben fahren Wheelies auf einer Vespa.

Costa verde, sabbia marrone

Während die Gattin ihr Panino belegen lässt, setzen sich zwei Männer an den Nachbartisch. Kurz darauf kommt ein weiterer Mann zu ihnen. Einer der beiden am Tisch steht auf, greift in die Hosentasche und zählt ein dickes Bündel Geldscheine durch. Ich denke noch, dass der dritte im Bunde Geld wechseln will, da klappt der Zähler das Bündel wieder zu und drückt es dem dritten in die Hand.

So fahren wir weiter. Immer noch in dem Glauben, wir könnten mal eben an die Costa Verde fahren. Je näher wir den Bergen kommen, desto mehr wird sie zur Costa Marrone. Auf einer kleinen Anhöhe neben der Straße weiden schwarze Ziegen, die Straße windet sich vor uns in Richtung Torre dei Corsari.

Wir fahren durch den Ort, ganz oben an der Steilküste steht ein tolles Hotel, es ist geschlossen. Von oben geht der Blick über einen weiten Strand, aber bis man da hinkommt, muss man ganz schön weit fahren.

Bergisches Land

Der Blick auf die Uhr sagt, es ist gleich vier. Und wir hatten schon vor 40 Jahren mal Probleme, aus der Costa Verde wieder rauszukommen. Daraus haben wir gelernt, da fahren wir lieber gleich zurück und gucken mal, ob wir noch mal in den Pool kommen.

Im Restaurant hat man uns einen schönen Tisch reserviert. Als Primi nehmen wir Gnocchetti alla Campidanese, als Secondi Arosto morto di vitello. Statt der inklusiven Sorbetti schwätzen wir dem Kellner einmal Profiteroles und einmal Flan ab. Großzügig wie er ist, berechnet er uns nur eine der beiden Portionen.

Morgen fahren wir ganz tief in den Süden und nehmen einen neuen Weg durch die Costa Verde.

Eine Runde gegen Komoot

Frühling 2025 – 11. Juni: Cabras

Italienischer und deutscher Beitrag zum Frühstück

Um acht Uhr stehe ich an der Rezeption und bezahle, was noch zu zahlen ist. Kurz darauf erscheint Sonya aus Uruguay und spricht einen schönen Text für den Spanisch-Kurs: Dass sie uns zufällig im Urlaub kennengelernt hat und wir so schlecht Spanisch sprechen, dass uns dringend jemand die Hausaufgaben vom letzten Freitag schicken muss.

Der blonde Engel von gestern ist heute nicht beim Frühstück, die deutsche Geburtstagsparty ist ebenfalls nicht zu sehen. Entweder sind alle schon weg oder sie lümmeln noch in den Betten rum.

Immerhin haben wir wieder die Chance, vom Italiener zu lernen. Wir sehen es täglich und wissen deshalb bereits, dass jeder Italiener mit einem Schwarzen Gürtel in Hedonismus geboren wird. Eine besondere Ausprägung dieser biologischen Tatsache zeigt sich im Umgang mit der üppigen Tortenauswahl, die an keinem Frühstücksbuffet fehlen darf. Der Italiener nimmt nicht etwa das gewünschte Kuchenstück auf seinen Teller. Nein, er schneidet sich nur die Spitze davon ab und hinterlässt den Teigrand mit einem kleinen Rest der Füllung nachfolgenden Generationen von Touristen.

Nachdem wir unsere Siebensachen gepackt haben, folgt der freundliche Abschied an der Rezeption, irgendwie wirkt es fast schon familiär.

Blühende Felsen, ...

Google schickt uns direkt auf die Autobahn. So fahren wir erst nach Norden gen Sassari, dann nach Süden gen Oristano. Nach einiger Zeit merken wir, dass dies genau die Art von Route ist, die wir keinesfalls fahren wollen.

Also halten wir kurz an, machen Google neue Vorgaben und starten das System neu. Danach geht es auf kleinen Landstraßen über Itritti, Romana und Montresta in Richtung Bosa. Wir fahren durch wunderbare Landschaft, haben kaum Verkehr und kommen ganz schön langsam voran.

... strahlende Aussichten

Mittags erreichen wir dann Bosa, essen mit offener Heckklappe vor dem Ponte vecchio und schauen den Menschen beim Überqueren der Brücke, beim Fotografieren und bei der Suche nach raren Parkplätzen zu.

Bosa sieht von fern gut aus ...

... und erinnert aus der Nähe an Comacchio

Auf der SS292 fahren wir danach über teils üble, teils ganz neue Straßenabschnitte in Richtung Oristano durchs echte Leben Sardiniens. Die durchschnittliche Geschwindigkeitsbeschränkung liegt bei 50–70 km/h, Überholer donnern mit 70–100 an uns vorbei.

Kurz vor Cabras kommen wir an einer Tankstelle mit einer 76 Jahre alten Frau ins Gespräch. Ihr Sardinien ist nicht mehr so, wie es mal war. Das Land, die Jugend, alles hat sich verändert. Wir auch, vero?

Infrastrukturmaßnahmen ja, aber wir lassen die Kirche im Dorf

Unser Hotel in Cabras bestätigt den Eindruck der alten Dame. Das antike Haupthaus datiert auf 1886, Fotos des Urgroßvaters und seines Bruders schmücken den Eingang, die beiden Damen an der Rezeption sind sehr nett.

Rund um das Haus sind mittlerweile einige neuzeitliche Ableger gewachsen, zum Teil zweigeschossig. Mittelpunkt der Anlage ist ein sehr hübsch um einen ziemlich großen Pool angelegter Garten mit allem, was die heimische Flora zu bieten hat. Natürlich ist unser erster Weg unter die Dusche und dann in eben diesen Pool.

Abendessen gibt es im Restaurant der Familie. Das ist ein paar Sträßchen entfernt und heißt „Il caminetto“. Wir bekommen zwei Voucher für die Halbpension.

Am Ende des Frühjahrs scheint der Sommer schon vorbei

Wir sind für 20 Uhr angesagt und machen uns rechtzeitig auf den Weg entlang bunt geschmückter Straßen. Vom 13. bis 15. Juni feiert die Stadt das ArchoBeer Fest, ein Event, das künftig regelmäßig stattfinden und das ärchäologische Erbe der Region mit der hiesigen Leidenschaft für handwerklich gebrautes Bier vereinen soll.

Leider sind wir am 15. schon weg und werden uns nicht an den Massen von Archäologen erfreuen können, die betrunken durch die Straßen ziehen.

Erfreuen wir uns also heute am Essen. Der Tourist nimmt Spaghetti alla Bottarga, die Touristin Ravioli di ricotta. Als Hauptgang teilt man sich eine Muggine, und zum Dessert gibt's zweimal Sorbetto al limone.

Morgen fahren wir mal wieder Fahrrad.

Das Meer bei Torre del Pozzo