Um acht Uhr stehe ich an der Rezeption und bezahle, was noch zu zahlen ist. Kurz darauf erscheint Sonya aus Uruguay und spricht einen schönen Text für den Spanisch-Kurs: Dass sie uns zufällig im Urlaub kennengelernt hat und wir so schlecht Spanisch sprechen, dass uns dringend jemand die Hausaufgaben vom letzten Freitag schicken muss.
Der blonde Engel von gestern ist heute nicht beim Frühstück, die deutsche Geburtstagsparty ist ebenfalls nicht zu sehen. Entweder sind alle schon weg oder sie lümmeln noch in den Betten rum.
Immerhin haben wir wieder die Chance, vom Italiener zu lernen. Wir sehen es täglich und wissen deshalb bereits, dass jeder Italiener mit einem Schwarzen Gürtel in Hedonismus geboren wird. Eine besondere Ausprägung dieser biologischen Tatsache zeigt sich im Umgang mit der üppigen Tortenauswahl, die an keinem Frühstücksbuffet fehlen darf. Der Italiener nimmt nicht etwa das gewünschte Kuchenstück auf seinen Teller. Nein, er schneidet sich nur die Spitze davon ab und hinterlässt den Teigrand mit einem kleinen Rest der Füllung nachfolgenden Generationen von Touristen.
Nachdem wir unsere Siebensachen gepackt haben, folgt der freundliche Abschied an der Rezeption, irgendwie wirkt es fast schon familiär.
Google schickt uns direkt auf die Autobahn. So fahren wir erst nach Norden gen Sassari, dann nach Süden gen Oristano. Nach einiger Zeit merken wir, dass dies genau die Art von Route ist, die wir keinesfalls fahren wollen.
Also halten wir kurz an, machen Google neue Vorgaben und starten das System neu. Danach geht es auf kleinen Landstraßen über Itritti, Romana und Montresta in Richtung Bosa. Wir fahren durch wunderbare Landschaft, haben kaum Verkehr und kommen ganz schön langsam voran.
Mittags erreichen wir dann Bosa, essen mit offener Heckklappe vor dem Ponte vecchio und schauen den Menschen beim Überqueren der Brücke, beim Fotografieren und bei der Suche nach raren Parkplätzen zu.
Auf der SS292 fahren wir danach über teils üble, teils ganz neue Straßenabschnitte in Richtung Oristano durchs echte Leben Sardiniens. Die durchschnittliche Geschwindigkeitsbeschränkung liegt bei 50–70 km/h, Überholer donnern mit 70–100 an uns vorbei.
Kurz vor Cabras kommen wir an einer Tankstelle mit einer 76 Jahre alten Frau ins Gespräch. Ihr Sardinien ist nicht mehr so, wie es mal war. Das Land, die Jugend, alles hat sich verändert. Wir auch, vero?
Unser Hotel in Cabras bestätigt den Eindruck der alten Dame. Das antike Haupthaus datiert auf 1886, Fotos des Urgroßvaters und seines Bruders schmücken den Eingang, die beiden Damen an der Rezeption sind sehr nett.
Rund um das Haus sind mittlerweile einige neuzeitliche Ableger gewachsen, zum Teil zweigeschossig. Mittelpunkt der Anlage ist ein sehr hübsch um einen ziemlich großen Pool angelegter Garten mit allem, was die heimische Flora zu bieten hat. Natürlich ist unser erster Weg unter die Dusche und dann in eben diesen Pool.
Abendessen gibt es im Restaurant der Familie. Das ist ein paar Sträßchen entfernt und heißt „Il caminetto“. Wir bekommen zwei Voucher für die Halbpension.
Am Ende des Frühjahrs scheint der Sommer schon vorbei |
Wir sind für 20 Uhr angesagt und machen uns rechtzeitig auf den Weg entlang bunt geschmückter Straßen. Vom 13. bis 15. Juni feiert die Stadt das ArchoBeer Fest, ein Event, das künftig regelmäßig stattfinden und das ärchäologische Erbe der Region mit der hiesigen Leidenschaft für handwerklich gebrautes Bier vereinen soll.
Leider sind wir am 15. schon weg und werden uns nicht an den Massen von Archäologen erfreuen können, die betrunken durch die Straßen ziehen.
Erfreuen wir uns also heute am Essen. Der Tourist nimmt Spaghetti alla Bottarga, die Touristin Ravioli di ricotta. Als Hauptgang teilt man sich eine Muggine, und zum Dessert gibt's zweimal Sorbetto al limone.
Morgen fahren wir mal wieder Fahrrad.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen