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Dienstag, 17. Juni 2025

Frühling 2025 – 16. Juni: Villasimius

Wo sind wir bloß hingekommen

Es gibt hier viele Kinder. Eventuell liegt es daran, dass sich das Hotel im Internet in mehreren Sprachen als „Ein Paradies für Familien“ vermarktet. Die Leute glauben das offensichtlich. Oder sie gewinnen damit zumindest an Sicherheit, dass sie für Ihre Kinder (und sich, natürlich) diesmal alles richtig machen bzw. gemacht haben.

Deshalb: Hörst du es beim Frühstück schrei'n, könnte es Pauline sein!

Wobei man sich (heute mehr denn je) schon fragen kann, warum Menschen in größeren und kleineren Verkehrsmitteln mit Verbrennungsmotor über unglaubliche Distanzen an Orte transportiert werden (ja, wir gehören dazu), an denen das Wasser knapp ist und wo sie dann Anlagen vorfinden, die den ganzen Tag Unmengen von Wasser verbrauchen – sei es fürs Wäschewaschen, sei es für die Gartenpflege, sei es für die Duschen, sei es fürs Kochen.

Aber wir sind ja nicht zum Nachdenken hier, sondern gerade beim Frühstück, das immer schöne Momente bietet. Zum Beispiel, wenn sich die etwa Achtjährige hingebungsvoll eine breite Scheibe Baguette mit Nutella bestreicht, und dann, nach kurzem Nachdenken, die Scheibe in der Hand umdreht und auch die andere Seite bestreicht.

Oder wenn der Vater konzentriert-väterlich-dominant-hilflos mit dem etwa sechsjährigen Bub die verschiedenen Stationen des Buffets abläuft, von Müsli über Eierspeisen, Wurst, Käse, Obst und frischem Backwerk alles in den höchsten Tönen lobt, und der Junge einfach alles ablehnt: „Das mag ich nicht.“

Unsere Wäsche lehnt es wenig später ab, gewaschen zu werden. Dafür wird sie nach kurzem Prozess aufgehängt.

Man könnte meinen, die Menschen können weder mit sich selbst etwas anfangen, noch mit ihren Kindern
 
Weil wir ohne Auto nicht mehr leben können und vielleicht auch, weil unser Wasser zur Neige geht, fahren wir nach Villasimius. Auch dort muss man nicht gewesen sein. Auf der Hauptstraße sieht es aus, als hätte der ADAC einen Test-Parcours für Autofahrer aufgestellt. Einen vernünftigen Grund dafür kann man zunächst nicht erkennen, aber man sieht an den umgestürzten Pylonen, dass nicht alle Autofahrer den Test bestanden haben.

Laura steht bei Conrad an der Kasse und sagt, nachdem sie uns abkassiert hat, zu ihrer Kollegin: „Non vedo l'ora di finire oggi.“ Sie sagt, sie hat das montags immer, weil sie übers Wochenende einfach zu wenig schläft.

Das Auto ist genauso antriebsschwach wie Laura, fängt sich aber gleich wieder. Beim Rückweg zeigt das Thermometer 35,5°, und der ADAC-Parcours ist weitgehend abgeräumt. Verantwortlich war die Segnalazione stradale, die muss auch bei dieser Hitze ran.

Wir gehen für ein Stündchen an den Strand, essen danach ein bisschen Obst und legen uns hin. Die arme, nordeuropäisch sozialisierte Haut muss die Sonne verarbeiten. Am Nachmittag wiederholen wir den Prozess. Ich lese dabei „Die Familie“ von Andreas Maier zu Ende, das ist das beste Buch, das ich bisher von ihm gelesen habe.

Beim Caffè im Schatten der Pool-Bar sehen wir die italienische Tussi mit dem String-Tanga, die sich 
mit ihrem nackten Hintern nach und nach über drei verschiedenen Sitzmöbel lümmelt und dabei konstant ins Telefon jammert.

Sonne ist für alle anstrengend.

Mehr Blick

Auch den Abend beginnen wir in der Pool-Bar. Heute mit einem Sella & Mosca-Sprudel, den wir über die verbleibenden drei Abende strecken werden.

Im Restaurant gibt es wieder Selezioni di antipasti di mare e und Varietà di verdure vom Buffet, natürlich andere als gestern, aber auch lecker. Anschließend nehmen wir Cavatelli con ragù di pesce und Trofie al pesto, fagiolini e patate. Als Hauptgänge gibt es Tentacolo di polpo piastrato und Praline di maiale, und beim Dessert sind wir uns ausnahmsweise einig: Sfoglia con crema di frutta.

Hörst du es beim Essen schrei'n, könnte das Pauline sein?

Weit gefehlt! Das Fräulein läuft ihrem Vater davon. Die Rollstuhlrampe hoch, die kleine Treppe runter, zwischen den Tischen und durch die angrenzende Grünanlage. Und gleich nochmal andersrum. Zwischendurch kurzer Kontakt mit anderem Kind, schon geht's weiter.

Was hat denn der Papa nach drei Runden? Den Überblick verloren. Und was fehlt denn dem Papa nach drei Runden? Die Kondition seiner Tochter.

Er stützt sich ein paar Meter von uns entfernt mit den Unterarmen auf das Geländer der Rollstuhlrampe, legt den Kopf auf die Arme und ist sichtbar erledigt. Pauline läuft unbeirrt weiter. Wir sollten vielleicht ergänzen, dass Paulines Mama gerade wieder schwanger ist – ja, was hat denn die Mama da, Pauline?