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Mittwoch, 4. Juni 2025

Frühling 2025 – 4. Juni: Bocca del'Oro / Porto-Vecchio

Manchmal schwierig mit dem Tourismus

Unser Frühstück ist wie immer, das Angebot eventuell etwas breiter, weil gestern ja einige neue Gäste das Haus beglückt haben.

Eine davon, eine eher beleibte Dame von etwa 50 Jahren, sitzt an einem Dreiertisch direkt gegenüber der Tür zum Frühstücksbuffet und strahlt. Ihr Mann und seine oder ihre Mutter sind drinnen am Buffet zugange und wählen die Bestandteile des Frühstücks aus.

Was aber macht die Alleingebliebene draußen so glücklich?

Es ist klein, es ist rund, es ist braun, und es ist aus Schokolade: ein Fondant mi-cuit au chocolat, den sie gerade genüsslich verdrückt. Da haben sich zwei gefunden ...

Kind und Mutter ist hier seit gestern eine beliebte Konstellation. Am Tisch neben uns sitzen heute auch Sohn und Mutter beim Frühstück. Die Mutter tut, was Mütter immer tun: sie leidet. Der Sohn sorgt dafür, dass es so bleibt. Er telefoniert die ganze Zeit sehr wichtig und lässt seine Mutter so wissen, dass er eigentlich viel Wichtigeres zu tun hätte als mit ihr hier rumzusitzen.

Schön anzuseen

Und was machen wir? Wir waschen wieder ein paar Sachen und machen uns danach auf den Weg in die Berge. Natürlich mit den Rädern, aber sie müssen diesmal im Auto bleiben, denn Komoot bietet uns nur Runden von 80–130 Kilometern mit 1.300–2.500 Höhenmetern an. Und da ziehen wir das Auto dem Fahrrad vor.

Andere sehen das genauso, auf unserem Weg sehen wir nur sehr wenige Radfahrer.

Bis Porto-Vecchio umbraust uns der Verkehr, bei Arutoli biegen wir auf die D368 ab, und es wird still. Kurve um Kurve führt der Weg die Serpentinen hinauf zur Barrage de l'Ospedale, die bereits gut besucht ist und schöne Motive fürs Fotoalbum bietet. Ein Drohnenpilot startet nicht einfach von der Brücke, sondern stellt sich auf einen Felsen am See, von dem er sein Gerät startet. Vielleicht meint er, es kommt von etwas weiter oben besser in die Höhe?

Von hier geht es zum Wasserfall

Wir bleiben nicht länger, sondern schlängeln uns weiter hoch zur Cascade de Piscia di GhjadduNatürlich kommen wir nicht direkt dorthin, denn der Wasserfall ist nur zu Fuß zu erreichen und am Beginn des Weges befindet sich der kostenpflichtige Waldparkplatz.

Zuerst ignoriere ich die Kassierer, fahre aber sofort zurück, als ich die Aufregung hinter uns höre. Ich steige aus, lasse mich über die Kosten und den Weg informieren und muss dann leider verneinen. Eine Stunde Waldweg plus eine Stunde zurück macht die Hüfte nicht mit. Die drei vom Inkasso laden uns daraufhin ein, das Auto kostenfrei zu parken, ein bisschen rumzulaufen und in einer der Bars einen Café zu trinken. Das nehmen wir gerne an.

Während wir den Café trinken sehen wir, wer sich die Zwei-Stunden-Wanderung alles zutraut, denn alle, die gehen und kommen, müssen in Sichtweite an uns vorbei. Wir sehen auch, was sich die Leute alles zu essen bestellen. Man sieht ja so viel übern Tag ...

Apropos: Kurz vorher haben wir zum ersten Mal dieses Pärchen auf Rennrädern gesehen. Beide nah beieinander, entspannte Sitzposition, leichter Tritt und lächelnde Minen. So fuhren sie aus Zonza kommend die Steigung herauf.

Zonza aus leicht erhöhter Position

Wir fahren nach dem Café weiter nordwärts durch das Gebiet Alta Rocca in Richtung Zonza. Das ist eine sehr schöne Stadt, in der zur Mittagszeit sehr viel los ist. Weil wir uns mehr darauf als auf den Weg konzentrieren, verpassen wir den Abzweig nach Levie und müssen nach ein paar Kilometern umdrehen. Bei der Schönheit der Strecke ist uns das glatt egal.

Das Rennrad-Pärchen sehen wir noch zwei Mal. Und wir schauen jedes Mal genauer hin. Die beiden sind um die 60, sehen drahtig aus, sie trägt einen langen, grauen Pferdeschwanz unterm Helm und wiegt unter 60 Kilo, er um die 75. Die Räder sind ziemlich old-school: sehr schmale Reifen, sehr kleine Kassetten (sieht aus wie 12-23). Wahrscheinlich fahren sie auch noch Standard-Kurbeln mit 53/39 Zähnen, aber das können wir in der Kürze der Zeit nicht nachzählen.

Wir wundern uns bloß, dass Leute in vergleichbarem Alter ohne Motor um so viel entspannter fahren können als wir mit. Wahrscheinlich spielen Gewicht, Training und Talent doch eine Rolle beim Radfahren.

In Levie passiert uns die Sache mit dem Abzweig genau so nochmal. Wieder zu spät gemerkt, wieder umgedreht, wieder alles nochmal sehen gedurft.

Es geht zurück ans Meer

Diesmal fahren wir die D59 hinunter in Richtung Carbini. Die Straße ist alt, schmal und leer. Es geht rauf, es geht runter, irgendwann geht es über den Col de Bacino und danach nur noch bergab.

Dem Rennradfahrer, der uns kurz nach Cabrini entgegenkommt, sieht man an, dass er schon einiges hinter sich gebracht hat (wir denken an die Komoot-Vorschläge), aber er macht noch einen guten Eindruck. Der ziemlich betagte Radreisende, den wir später nahe Radici sehen, tut uns fast schon leid. Die Gattin ruft entsetzt: „Der will hier sterben!“

Eine Million Farben grün

Wir biegen bei Petra Longa Filippi ab, kommen durch kleine Vororte von Porto-Vecchio, tanken noch schnell und fahren gegen halb vier auf den Hotel-Parkplatz. Auf unserer Terrasse essen wir noch eine Kleinigkeit, dann geht's in den Pool, dann unter die Dusche, dann ins Bett.

Irgendwann nach sechs sind wir wieder fit, um halb acht sitzen wir bei A Chabraca.

Der Apéritif gefällt uns nicht besonders (Muscat mit und ohne bulles), danach teilen wir uns einen Salade César und erfreuen uns einerseits an drei leckeren Gambas à la plancha und andererseits an einer schönen Poire de boeuf. Nacxh der langen Bergtour ist sogar mal ein Dessert drin: Dame blanche à partager.

Rundum sitzen Italiener, Briten, Deutsche und Korsen. Und die Chefin verrät uns beim Bezahlen, dass heute weder Schweizer noch Belgier da gewesen seien.