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Dienstag, 24. Mai 2022

Deutschland ohne e – die 13. Etappe: „Bitte zwei Mal die kleine Hamburger Stadtrundfahrt.“

Nach dem Frühstück wird gespeichert

Großstadt hat was, diese ganz besonders.


Nach dem Frühstück – die beiden reich belegten, von gestern übriggebliebenen Brötchen, frischer Nescafé, Banane – ging es wieder hinaus ins windige Hamburg.


Mit dem Rad ist man irgendwie doch schneller in der Stadt unterwegs als zu Fuß. Allein ... die häufigen Foto-Pausen erschweren das Vorankommen.


Zweimal umrundet, jedes Mal wiedererkannt: die Binnenalster


Unermüdlich spulten wir mit wachsender Begeisterung unser touristisches Programm ab: Speicherstadt, Elbphilharmonie, Rathaus, Neuer Wall, Verlagshäuser, Binnenalster, Colonnaden, Mönckebergstraße. Auf dem Rathausmarkt rief ich nochmal bei Tschebull an und reservierte für heute Abend.


Leider war das Wetter heute nicht für eine Hafenrundfahrt geeignet, die holen wir beim nächsten Mal nach.


Fremde Länder gaben hiesigen Häusern ihre Namen: Chilehaus, Südseehaus ...


Während man da so rumfährt, überlegt man unwillkürlich, was Hamburg so anders macht als andere Großstädte. Die Stadt wirkt sehr wohlhabend, aber weder verspielt noch protzig. Stattdessen sehr seriös und souverän. Die Leute sind gut, aber unaufdringlich bzw. unaufgeregt angezogen. Wenig Schnickschnack, obwohl das Wort doch einen deutlich nordischen Bezug aufweist.


Hier wurde das Prinzip des ehrbaren Kaufmanns entwickelt, hier kam (und kommt wohl immer noch) alles früher an als im Rest des Landes. Und das gilt nicht nur für all die Waren, die gerade den Hafen verstopfen, weil Lkw für den Weitertransport fehlen. Sondern auch für Kultur, Verlagswesen uvam.


... Rathaus


Nach einem kurzen Stop bei Edeka kamen wir bei leichtem Regen zurück ins Hotel. Der eine schrieb weiter am Blog, die andere legte sich hin und verarbeitete das Ges(ch)ehene. Gegen vier fanden beide wieder zusammen, duschten, tranken löslichen Kaffee und machten sich fein fürs Abendessen.


Um fünf (nach dem Regen) gingen wir wieder in die Stadt, liefen kreuz und quer zwischen den einschlägigen Plätzen und Straßen umher und pünktlich im Levantehaus ein. Die Begrüßung war ok, der Tisch war sehr schön (mit Blick auf die Mö).


Der Restaurantleiter / Sommelier kam aus Italien, Golf von Amalfi, und hieß Angelo. Er taute mit jedem Gang und jedem von ihm dargebotenen Wein mehr auf und ließ uns an seiner Ehe, seiner Zeit im Alto Adige und seinen Abenteuern mit chinesischen Gästen teilhaben.


Das Levantehaus, bitte beachten Sie den Elefanten im Raum


Vor allem aber sorgte er dafür, dass sein Wein perfekt mit unserem Essen harmonierte. Grüner Veltliner zum Carpaccio vom Hirsch, Sauvignon Blanc aus der Steiermark zu Jakobsmuscheln mit wildem Brokkoli auf Bärlauch, Chardonnay aus Rheinhessen zum Kabeljau und ein ausgezeichneter australischer Shiraz zum gratinierten Rinderfilet.


Stiegelmars Trockenbeerenauslese von 2018 war dann der letzte Schluck zu marinierten Erdbeeren mit Holunderblüten-Manderlküchlein. Und die Rechnung fiel – in Relation zur erbrachten Leistung – erfreulich günstig aus.


So gingen wir beglückt-beschwingt zurück zum Hotel. Morgen machen wir dann wieder, wozu wir eigentlich hier sind: fahren.


Speicherstadt, Rathaus, Binnenalster, Mönckebergstraße – das volle Programm

Deutschland ohne e – die 12. Etappe: Unglücklich aus Glückstadt, glücklich in Hamburg

Farewell to Matjes-City


Das Frühstück war besser als das Abendessen, aber Freunde werden wir nicht mehr:


Zu lange aufgebackene Brötchen. Wurst, deren Färbung den Einsatz chemischer Kampfstoffe nahelegt. Allerlei salzigen Fisch. In unserer Not haben wir den Lachs gegessen ...


Auf geht's, wir wiederholen gleich mal den Fehler vom letzten Mal und fahren im Hafen dorthin, wo man – immer noch nicht – auf die andere Seite des Beckens und den Radweg kommt. Es geht nach Süden, wieder durch Gatterreviere mit Schafen, wieder gegen den Wind.


Bei Kollmar ging's runter vom Weg in Richtung Neuendorf, wo wir einen Termin für die Prüfung und ggf. Reparatur des linken Schaltgriffes vereinbart hatten. Das kostete einerseits etwas Zeit, andererseits konnte man an den ausgestellten Rädern des Hauses sehen, dass das eigene in besten Händen war.


Nach etwa 30–40 Minuten war die Arbeit getan, die Schaltung funktionierte wieder: zumindest lief alles, bis auf das Schalten aufs kleine Blatt.


Mittagessen in Uetersen


Der erste kleine Umweg machte gleich noch einen zweiten erforderlich, denn die Fähre über die Krückau fährt montags nicht. Das hieß: Entweder zurück ans Krückau-Sperrwerk oder Flüsschenquerung im nur bedingt malerischen Elmshorn. Wir wählten die Haferflocken-Route und kauften in Hayungs E-Center mehr als das Nötigste fürs Mittagessen.


Ich musste leider draußen bleiben und aufpassen, durfte zum Trost aber den beim Bäcker draußen sitzenden Herren bei der Verarbeitung des fußballerischen Weltgeschehens zuhören. Die Herren hatten zu allem eine Meinung. Zur Meisterschaft in der Premier League, zur Relegation in Hamburg und – natürlich – zum Lewandowski-Wechsel: „Da geht's nur um die Knete, Margarethe.“


Irgendwann war Programmschluss, die Gattin kam mit dem Mittagessen. Auf der Suche nach einem lauschigen Plätzchen wurden wir in Uetersen fündig. Man hatte für uns eine windgeschützte Bank bereitgestellt, eine Anwohnerin wünschte im Vorübergehen „Mahlzeit” und vor uns brodelte der Verkehr auf der B 431.


Entlang dieser Straße fuhren wir weiter nach Wedel, wo wir den Radweg wiedersehen sollten. Vorher gab's im Ortszentrum, im Schutz des Wedeler Rolands und mangels Eissalon noch die drei vom Samstag verbliebenen Lidl-Apfeltaschen.


Othmarschen: Strand mit Hafen? Hafen mit Strand?


Es dauerte nicht lange und der Elberadweg hatte uns wieder. Durch Blankenese, Othmarschen und Oevelgönne ging's auf die große Stadt zu. Montag war wenig los, aber immer noch genug, um sich zu wundern, warum die Hamburger diese schönen Stadtteile zu einer solchen Kirmesbuden-Landschaft gemacht haben.


Der weitere Weg war geprägt von HSV- und Hertha-Fangruppen, die sich gegenseitig mit einfachen Riten – „Ho-Ha-Hee!“ „Hertha BSC!!“) auf das abendliche Relegations-Rückspiel einstimmten. Dazu häufige Foto-Stopps, so dass es am Ende doch wieder knapp sechs war, bis wir am Hotel ankamen.


Was man sieht, wenn man in Hamburg landet


Ein Ziel fürs Abendessen hatten wir nicht, da Tschebull montags geschlossen hat. So landeten wir bei Tapas und spanischem Bier in der DaliBar nahe der Elbpromenade. Das Essen war gut, leider war die Kellnerin  mit dem Unterschied zwischen Vor- und Hauptspeise überfordert. Sie brachte alles auf einmal, was die Vorspeisen auf den Dessert-Platz verschob – Käse, Wurst und Oliven konnten nicht kalt werden.


Heute nur ein flüchtiger Eindruck, morgen mehr von der Speicherstadt


Nach dem Essen noch ein paar Schritte an die Elbe, mal schauen, wie weit es zur Speicherstadt ist. Dann doch noch eine längere kleine Runde. Das Hotel haben wir spontan um eine Nacht verlängert, morgen hat Tschebull geöffnet.


Elberadweg mit Abweichung

Deutschland ohne e – die 11. Etappe: Von der Weser an die Elbe

Norddeutsch by nature

Es hätte so ein schöner Tag werden können.


Das Wetter: super. Der Wind: von hinten. Die Strecke: flach und gut.


Woran lag's also? Es war Sonntag!


Und sonntags sind nicht nur wir draußen unterwegs, sondern alle. Einheimische, Urlauber, Sonstige. Alle mit Anhang, alle (gefühlt) auf E-Bikes, alle im Ich-gehe-schön-spazieren-Modus. Und wir mittendurch.


Erst ein kleines Frühstück beim örtlichen Bäcker, dann Abschied von den Gastgebern und raus auf den Radweg. Wind von der Seite, trotz Deich nicht ohne. Anfangs war es noch ruhig, man sah nur immer mehr Menschen oben auf dem Deich, auf dessen westlicher Seite übrigens kein Wasser zu sehen ist, sondern Wattenmeer.


Bestimmt kommt das Wasser aber manchmal, sonst bräuchte es ja keinen Deich.


Bis ein paar Kilometer vor Cuxhaven ging es gut voran. Meist langweilig rechts vom Deich, dann über Feld- und Wiesenwege. Irgendwann begann das UNESCO Weltnaturerbe Wattenmeer, dann kam Duhnen, die Vorhölle von Cuxhaven.


Die freundlichen Mähmaschinen vom Deich


Überall „touristische Infrastruktur“ vom Sonnenhütchen- und -cremeverkauf über die Fischbrötchenbude bis zur FeWo-Industrie war alles vertreten, was Urlaubers Herz begehrt. Hier herrschte der Ballermann auf dem Weg zum Ballindamm.


Das soll nicht heißen, dass es hier nicht schön bzw. besonders wäre. Aber die Eigenheiten der Orte werden überlagert und zerstört von gleichförmiger Architektur und gleichförmigen Angeboten zu Gunsten der offensichtlich gleichförmigen wirtschaftlichen und touristischen Interessen von Anbietern und Besuchern.


Zwischendurch blitzt dann immer wieder mal auf, wie schön es hier mal gewesen sein muss, bevor Leute wie wir kamen.


Da solche Ansichten und Erkenntnisse dem Besucher auf den Magen schlagen, nimmt er vor Ausfahrt aus der Stadt noch ein Fischbrötchen. Wir haben die Bude am Zollkaje genutzt, an der sich Reisende und Einheimische zu Brathering, Backfisch mit Remoulade, Aal und anderen Feinheiten treffen.


Hier fährt ein Stück der Lieferkette (leider in der falschen Richtung)

Für uns begann jetzt die schönere Phase: ostwärts mit Westwind. Was mit der Zeit ein bisschen nervt, sind die Gatter vor und hinter den Schafweiden, die nach kurzer Strecke immer wieder den Rhythmus unterbrechen. Andererseits ist es schön, dass die Tiere eine Aufgabe haben und parallel die Lammfleisch-Produktion gesichert wird.


Entlang des Deichs ging es zur Medenmündung, wo wir mit Blick aufs Wasser die nächste Mittagspause einlegten. Danach weiter in Richtung Otterndorf, wo uns an der Schleuse eine akustische Collage von schreienden Kindern und heiseren Erwachsenen empfing – der lokale Ruderverein hatte zur lokalen Weltmeisterschaft eingeladen. Die jungen Menschen schrieen altersgemäß rum und machten mit ihren Booten den Kanal voll, die älteren regten sich am Rande auf, wie sich auch die Eltern jugendlicher Fußballer, Handballer usw. an deutschen Spielfeldrändern aufregen.


Bald erreichten wir die nächste touristische Attraktion, bogen aber rechtzeitig vorher nach rechts ab und folgten leeren Wirtschaftswegen nach Freiburg an der Elbe.


Sechs Kilometer vor der Fähre Wischhafen–Glückstadt lockte das Hafencafé zur Pause, und die Schaltung der Gattin blockierte. Alles Rütteln, Klopfen usw. blieb erfolglos, der Umwerfer warf nicht mehr um. Also erstmal schlechte Stimmung, die auch durch Kaffee und Kuchen nicht wesentlich besser wurde.


Nach dem Aufenthalt ein neuer Reparaturversuch mit k(l)einem Erfolg. Auf dem mittleren Blatt lief die Kette jetzt ohne Probleme, die Weiterfahrt bis Wischhafen war also machbar.


Fähre, wem Fähre gebührt

Die Fähre hatte wieder gerade auf uns gewartet, zehn Euro für zwei Räder und Fahrer. Da ist man froh, nicht mit dem Auto unterwegs zu sein. Einige der Ruderer aus dem Schleusenkanal waren auch mit an Bord, die Boote und Insassen des RRV standen in der Mitte der Fähre.


Nach 25 Minuten waren wir auf der anderen Seite, unterwegs hatten wir drei weitere Schiffe der Reederei gesehen. Ganz schön was los, zwischen Wischhafen und Glückstadt.


In Glückstadt ist eher wenig los.


Unser Hotel am historischen Markt ist relativ frisch renoviert, aber insgesamt wenig sympathisch. Alles zielt darauf ab, die Gäste im Restaurant zu halten, die Mitarbeiterinnen machen das professionell, aber seelenlos. Wir entziehen uns der unangenehmen Umarmung, schließlich wissen wir schon, wo wir essen werden.


Schade, der Kleine Heinrich ist sonntags leider nur bis 17 Uhr geöffnet.


Also drehen wir eine Runde durch die Stadt und landen am Ende doch im Restaurant des Hotels. Die Karte ist sehr vielfältig, was immer zur Vorsicht mahnen sollte. Die Gattin nimmt den hausfraulichen Matjes, ich entscheide mich für Fish 'n Chips mit Remouladensauce, was eigentlich „Zu intensiv frittierte Fischteile mit dünnen, zu intensiv mit Paprika-Salz-Mischung bestäubten Convenience-Pommes und einer undefinierbaren, leicht angedickten hellen Soße – garantiert ohne Gurke, Kapern und Eier“ hätte heißen müssen.


Mein Angebot, der Küche ein einfaches Rezept für Remoulade aus dem Internet zu überlassen, nahm unsere Kellnerin nicht an. Zur Strafe schickte sie eine Kollegin mit dem nächsten Bier.


Viel zu fahren, viel zu sehen, zu viel los