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Dienstag, 24. Mai 2022

Deutschland ohne e – die 11. Etappe: Von der Weser an die Elbe

Norddeutsch by nature

Es hätte so ein schöner Tag werden können.


Das Wetter: super. Der Wind: von hinten. Die Strecke: flach und gut.


Woran lag's also? Es war Sonntag!


Und sonntags sind nicht nur wir draußen unterwegs, sondern alle. Einheimische, Urlauber, Sonstige. Alle mit Anhang, alle (gefühlt) auf E-Bikes, alle im Ich-gehe-schön-spazieren-Modus. Und wir mittendurch.


Erst ein kleines Frühstück beim örtlichen Bäcker, dann Abschied von den Gastgebern und raus auf den Radweg. Wind von der Seite, trotz Deich nicht ohne. Anfangs war es noch ruhig, man sah nur immer mehr Menschen oben auf dem Deich, auf dessen westlicher Seite übrigens kein Wasser zu sehen ist, sondern Wattenmeer.


Bestimmt kommt das Wasser aber manchmal, sonst bräuchte es ja keinen Deich.


Bis ein paar Kilometer vor Cuxhaven ging es gut voran. Meist langweilig rechts vom Deich, dann über Feld- und Wiesenwege. Irgendwann begann das UNESCO Weltnaturerbe Wattenmeer, dann kam Duhnen, die Vorhölle von Cuxhaven.


Die freundlichen Mähmaschinen vom Deich


Überall „touristische Infrastruktur“ vom Sonnenhütchen- und -cremeverkauf über die Fischbrötchenbude bis zur FeWo-Industrie war alles vertreten, was Urlaubers Herz begehrt. Hier herrschte der Ballermann auf dem Weg zum Ballindamm.


Das soll nicht heißen, dass es hier nicht schön bzw. besonders wäre. Aber die Eigenheiten der Orte werden überlagert und zerstört von gleichförmiger Architektur und gleichförmigen Angeboten zu Gunsten der offensichtlich gleichförmigen wirtschaftlichen und touristischen Interessen von Anbietern und Besuchern.


Zwischendurch blitzt dann immer wieder mal auf, wie schön es hier mal gewesen sein muss, bevor Leute wie wir kamen.


Da solche Ansichten und Erkenntnisse dem Besucher auf den Magen schlagen, nimmt er vor Ausfahrt aus der Stadt noch ein Fischbrötchen. Wir haben die Bude am Zollkaje genutzt, an der sich Reisende und Einheimische zu Brathering, Backfisch mit Remoulade, Aal und anderen Feinheiten treffen.


Hier fährt ein Stück der Lieferkette (leider in der falschen Richtung)

Für uns begann jetzt die schönere Phase: ostwärts mit Westwind. Was mit der Zeit ein bisschen nervt, sind die Gatter vor und hinter den Schafweiden, die nach kurzer Strecke immer wieder den Rhythmus unterbrechen. Andererseits ist es schön, dass die Tiere eine Aufgabe haben und parallel die Lammfleisch-Produktion gesichert wird.


Entlang des Deichs ging es zur Medenmündung, wo wir mit Blick aufs Wasser die nächste Mittagspause einlegten. Danach weiter in Richtung Otterndorf, wo uns an der Schleuse eine akustische Collage von schreienden Kindern und heiseren Erwachsenen empfing – der lokale Ruderverein hatte zur lokalen Weltmeisterschaft eingeladen. Die jungen Menschen schrieen altersgemäß rum und machten mit ihren Booten den Kanal voll, die älteren regten sich am Rande auf, wie sich auch die Eltern jugendlicher Fußballer, Handballer usw. an deutschen Spielfeldrändern aufregen.


Bald erreichten wir die nächste touristische Attraktion, bogen aber rechtzeitig vorher nach rechts ab und folgten leeren Wirtschaftswegen nach Freiburg an der Elbe.


Sechs Kilometer vor der Fähre Wischhafen–Glückstadt lockte das Hafencafé zur Pause, und die Schaltung der Gattin blockierte. Alles Rütteln, Klopfen usw. blieb erfolglos, der Umwerfer warf nicht mehr um. Also erstmal schlechte Stimmung, die auch durch Kaffee und Kuchen nicht wesentlich besser wurde.


Nach dem Aufenthalt ein neuer Reparaturversuch mit k(l)einem Erfolg. Auf dem mittleren Blatt lief die Kette jetzt ohne Probleme, die Weiterfahrt bis Wischhafen war also machbar.


Fähre, wem Fähre gebührt

Die Fähre hatte wieder gerade auf uns gewartet, zehn Euro für zwei Räder und Fahrer. Da ist man froh, nicht mit dem Auto unterwegs zu sein. Einige der Ruderer aus dem Schleusenkanal waren auch mit an Bord, die Boote und Insassen des RRV standen in der Mitte der Fähre.


Nach 25 Minuten waren wir auf der anderen Seite, unterwegs hatten wir drei weitere Schiffe der Reederei gesehen. Ganz schön was los, zwischen Wischhafen und Glückstadt.


In Glückstadt ist eher wenig los.


Unser Hotel am historischen Markt ist relativ frisch renoviert, aber insgesamt wenig sympathisch. Alles zielt darauf ab, die Gäste im Restaurant zu halten, die Mitarbeiterinnen machen das professionell, aber seelenlos. Wir entziehen uns der unangenehmen Umarmung, schließlich wissen wir schon, wo wir essen werden.


Schade, der Kleine Heinrich ist sonntags leider nur bis 17 Uhr geöffnet.


Also drehen wir eine Runde durch die Stadt und landen am Ende doch im Restaurant des Hotels. Die Karte ist sehr vielfältig, was immer zur Vorsicht mahnen sollte. Die Gattin nimmt den hausfraulichen Matjes, ich entscheide mich für Fish 'n Chips mit Remouladensauce, was eigentlich „Zu intensiv frittierte Fischteile mit dünnen, zu intensiv mit Paprika-Salz-Mischung bestäubten Convenience-Pommes und einer undefinierbaren, leicht angedickten hellen Soße – garantiert ohne Gurke, Kapern und Eier“ hätte heißen müssen.


Mein Angebot, der Küche ein einfaches Rezept für Remoulade aus dem Internet zu überlassen, nahm unsere Kellnerin nicht an. Zur Strafe schickte sie eine Kollegin mit dem nächsten Bier.


Viel zu fahren, viel zu sehen, zu viel los

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