Das Ende ist nah! |
Wir frühstücken in der Mitte des Innenhofes unter den weiten Sonnenmarkisen. Die Gattin löffelt ihr Müsli, ich habe mich inzwischen an das täglich getoastete Brot gewöhnt, mit dem frischen Ricotta ist es ein Hammer.
Kinder sind auch wieder in großer Zahl über die Tische verteilt. Neben uns sitzt eine dem Essen sehr zugeneigte Zweijährige, die sich ihre Nutella-Croissants mit Verve in den Mund schiebt und dabei ununterbrochen plappert. Am Ende verlangt sie nach ihrem Schnuller, dem sie aber nicht besonders viel Aufmerksamkeit schenkt.
Viel mehr interessiert sie sich für die etwas spröde Kellnerin, die ihr im Vorbeigehen zuwinkt. Das Mädchen ist total begeistert und bietet ihr in der Folge immer wieder den Schnuller an, womit die junge Frau nur schlecht umgehen kann. Meine Mitreisende hat auch einen Hang zum Personal. Ihr cameriere preferito lächelt sie zum Abschied nochmal an – der Tag kann kommen!
Wir packen unsere Siebensachen, was inzwischen recht routiniert abläuft. Hier zahlen sich die häufigen Radtouren mit täglichem Packen auf engem Raum aus. Wobei wir auch an anderen Stellen immer wieder mal das Gefühl haben, dass wir auf diesen Radreisen eine Menge fürs Leben und für den Umgang mit Problemen bzw. Ungewohntem und Unbekanntem gelernt haben.
Das Beste kommt wie so oft zum Schluss: Die Rechnung fällt um satte 25 Prozent geringer aus als zu erwarten war. Entweder das Angebot war falsch oder die Rechnung. Wir haben nicht auf einer Klärung bestanden.
Um Viertel vor elf fahren wir los. Google schickt uns direkt auf die große, neue SS125var und prognostiziert 80 Minuten Fahrzeit. Da wechseln wir lieber auf die alte exSS125, mit der wir an einige ganz schöne Ecken kommen.
Bei Museddu suche ich die Nuraghe Perd'e Pera, die zu den am nächsten am Meer gebauten der Insel zählt. Leider ist für den Laien nichts mehr von ihr zu sehen – ich stehe mittendrin und habe als Anhaltspunkt nur die Beschilderung des Nuraghen-Weges.
Mit dem Domus de Janas in unmittelbarer Nähe läuft es leider nicht besser. Unser Auto bringt uns klaglos über einen üblen, ziemlich eingewachsenen Feldweg zum Startpunkt eines Fußweges, aber von dort aus geben wir nach etwa der Hälfte des Anstiegs auf. Es ist zu heiß, wir haben keine stabilen Schuhe an und die Disteln und sonstigen Stachelgewächse zehren auch an unserer Motivation.
Außerdem liegen überall große Knochen in der Sonne, und man hört ja immer wieder von verschwundenen Touristen ...
Am Ende fahren wir nach Bari Sardo, trinken in der Bar zwei Cappucci und hören den alten Männern zu, die zwei Tische weiter Karten spielen. Die Bedienung zaubert uns Herzchen in den Milchschaum, wir zahlen drei Euro.
Gestern Murales, heute zeitgenössische Kunst |
Der Weg aus der Stadt ist abenteuerlich. Google führt uns durch Gässchen, die kaum die Breite unseres schmalen Fahrzeugs haben und in Winkeln abbiegen, die man mit einer Schnur kaum bewältigen kann. Meine Frau fährt und schimpft ohne Erbarmen.
Über Tortolí erreichen wir Arbatax, was sich gut anhört, wo man aber auch nicht tot über den Zaun hängen möchte. Wir negieren links und rechts und fahren direkt in den Hafen, wo wir die Rocce rosse, eine Felsformation aus rotem Porphyr sehen und fotografieren wollen. Sie ist im echten Leben leider ebenso unspektakulär wie die Stadt, zumal der Blick inzwischen von dreifüßigen Betonteilen eingeschränkt wird.
Aber was fotografiert man nicht alles als Tourist ...
Auch aus Arbatax bzw. Tortolí kommt man nur schwer und schon gar nicht geradeaus wieder raus. Und die Ausfahrt ist nicht sehenswerter als es die Einfahrt war. Wir freuen uns, dass wir irgendwann die SS198 erreichen, die uns kurvig und bergig nach Lanusei führen wird. Die Strecke ist tatsächlich fantastisch, aber in Lanusei steht uns die nächste Prüfung bevor.
Der Ort liegt in etwa 600 Metern Höhe, die Straßen winden sich steil durch die Stadt. Google führt uns perfekt zu unserem Hotel, allein, man kann es nicht erreichen. Die eine Zufahrt wird von zwei Autos blockiert, die andere ist zu schmal, um abzubiegen. Also fahren wir nochmal drei Kilometer um den Ort und halten bei zweiten Versuch einfach auf der Hauptstraße.
So kommen wir zu Fuß ins Hotel, der Chef kümmert sich persönlich um uns und stellt von Anfang an klar, dass wir nicht in Italien, sondern bei einem Sarden auf Sardinien wohnen werden. Das nehmen wir wohlwollend zur Kenntnis, er ist der erste Mensch hier, der sich so vorstellt. Unten im Hof feiern etwa 60 andere Menschen mit sardischer Lautstärke die Taufe eines neuen Erdenbürgers.
Nach Dusche und Pause essen wir unten im Restaurant. Wir teilen uns einen Tagligere di affettati e formaggi locali sowie Culurgionis tradizionali. Als Hauptgänge nehmen wir Filetto di pesce bzw. Tentacolo di polpo, und hinterher gibt's noch zwei Tiramisu sifonati.
Ein anstrengender Tag, viel gesehen, ein bisschen gelitten. Morgen Richtung Gennargentù.