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Freitag, 6. Juni 2025

Frühling 2025 – 6. Juni: San Ciprianu

Letzte Runde Korsika

Beim Frühstück haben wir heute Gesellschaft. Wir sitzen draußen, und ein schöner, schwarzer Mischlingshund geht von Tisch zu Tisch und erpresst mittels Hundeblick die armen Menschen, die doch nur etwas essen wollen.

Nun, das will er auch. Es scheint, dass er zu einem Nachbarn gehört. Und man kann sehen, dass sein System funktioniert. Eine Dame, die auch den Spatz mit Baguette füttert, geht so weit, dass sie den Hund unter Einsatz ihrer Wurst und Käserinden auf die Straße lockt und dort alles an ihn verfüttert.

Schmale Wasser sind schnell

Wir haben uns gestern schon eine Runde für heute ausgesucht, holen gegen halb elf die Räder aus ihrem Nachtquartier und fahren wieder an den Kreisverkehr bei Ponts d'Osu. Heute geht's von dort nicht nach Nordosten, sondern nach Südwesten. Zuerst wieder einen Kilometer auf der RT10, dann rechts ab in Richtung Arraggio.

Korkeichen im Hinterland

Die Strecke führt uns etwa eine Dreiviertelstunde leicht ansteigend durchs Grüne. Mal rauf, mal runter, mal auf besseren, mal auf schlechteren Wegen. Wir passieren Korkeichen-Plantagen, eine kleine Rinderherde, die auf minimaler Fläche im Wald eingezäunt steht, und kleine Siedlungen, für die wir extra vom geraden Weg abweichen müssen.

Umweg über einen Campingplatz: unnötig, aber schön

Das sieht alles sehr schön aus. Es kreucht und fleucht auf allen Seiten um uns herum, und die Runde ist ein schöner Abschluss unserer Korsika-Rundfahrt.

Bunt gemische Herde mit bärtigem Leittier

Bei Mucchitone stoßen wir dann auf eine kleine Straße, die wir schon einmal mit dem Auto nach Porto-Vecchio gefahren sind. Heute machen wir das mit den Rädern, mitten ins Herz der Stadt hinein. Am Hafen angekommen, steht eine Bank für uns bereit, auf der wir uns die mitgeführten Bananen einverleiben.

Wenn schon Porto-Vecchio, dann wollen wir ihn auch mal sehen

Von der Wasserkante geht es erstmal ein kleines Stück aufwärts, dann sind wir oben, und es folgt die härteste Abfahrt unseres Lebens: nahezu senkrecht führt die schmale Straße nach unten. Man meint fast, man wäre im freien Fall. Ein zufällig auf dem Bürgersteig laufender Teutone sagt: „Da braucht man gute Bremsen.“

Vor allem braucht man gute Hände, um die Bremsen zu bedienen.

Für uns geht es am Ende nordöstlich weiter. Mit schönen Ausblicken aufs Meer, mit weniger schönen Ausblicken auf die rege Bautätigkeit rundum und die bereits aufgelassenen Projekte der Vergangenheit. Zurück am Hotel, verfahren wir wie gestern: Räder laden, Mittag essen, Meer erschrecken, Körper duschen, Wäsche waschen, Bett belegen.

Gegen 18 Uhr kommen wir wieder zu uns, bis halb acht sind die aktuell erforderlichen Tätigkeiten getätigt. So buchen wir z.B. ein Hotel für die kommende Nacht in Santa Teresa Gallura. Nach der Buchung rufen wir dort nochmal an und fragen nach, was die Halbpension für den Abend kosten würde. Die nette Dame an der Rezeption erklärt uns, dass der Kollege das morgen Abend gerne für uns ausrechnen wird.

Und sie sagt, dass wir zum Sonderpreis von 20 Euro auf dem Parkplatz des Hauses stehen dürften. Sonderpreis, weil das Parken in Santa Teresa normalerweise einen Euro pro Stunde kostet. Und wir müssten eben nicht 24, sondern nur 20 Euro pro Tag zahlen. Ich versuche, ihr etwas von Kunden und Service zu verklickern, aber sie will das irgendwie nicht verstehen.

Um halb acht gehen wir runter, befreien die Räder und sperren sie gleich wieder ins Auto ein. Das klappt inzwischen sehr gut, auch wenn wir plötzlich im Laderaum ein kleines Plastikteil finden, von dem wir absolut nicht ahnen, woher es stammen und welche Funktion es erfüllen könnte.

Um acht sind wir im Hotelrestaurant zum Essen angemeldet. Wir warten lange auf die Karte, dann fragt der Kellner nach unseren Wünschen und erklärt uns, dass selbige nur noch per QR-Code erhältlich ist. Hätte uns sein Kollege auch gleich sagen können.

Nach Studium des Angebotes trinken wir vorneweg zwei Suze citron. Der Kellner weiß nicht, was das sein soll und bringt uns zwei Suze mit jeweils einem Zitronenscheibchen drin. Als Vorspeise teilen wir uns den Thon rouge comme un maki, als Hauptgang nehmen wir 2x das Faux-filet de boeuf en Sauce Café de Paris. Die Sauce ist das Highlight des Abends.

Die Küche ist insgesamt OK, der Service ebenfalls. Im Vergleich zu den Kollegen gegenüber schneidet unser Hotel allerdings denkbar schlecht ab. Und das bei vergleichbaren Preisen.

Das Abenteuer Korsika geht heute auf die letzten Meter. Ab morgen nehmen uns die Sarden aus.

Letzte Runde Korsika aufgezeichnet

Frühling 2025 – 5. Juni: San Ciprianu

Neue Perspektiven

Die Zahl der Gäste hat sich wieder auf die bekannten drei Pärchen reduziert, ansonsten ist auch alles wie immer. Wir kommen gut in die Gänge, geben um kurz nach elf den Schlüssel ab – und dann nix wie weg.

Es geht über die altbewährte RT10 zuerst nach, dann an Porto-Vecchio vorbei. Die Straße ist voll wie immer, heute ist vor allem das Verkehrsaufkommen beeindruckend, das aus Norden kommend Schlange steht.

Wir biegen hinter Porto-Vecchio auf die D468B (das sind Straßennamen!!) ab, decken uns im Kreisverkehr noch schnell bei Carrefour mit dem Nötigsten ein, und fahren an Campingplätzen beiderseits der Straße zwei Buchten weiter.

San Ciprianu ist Immobilien-Entwicklungsgebiet. Überall Bagger, überall Kräne, viele Neubauten. Einer dieser Neubauten ist unser Hotel. Es steht am Parkplatz, der Strand ist nur ein paar Schritte entfernt, und der freundlich blickende Kollege an der Rezeption macht Dienst nach Vorschrift.

Wir sind natürlich viel zu früh, unser Zimmer wird laut Plan (und Vorschrift) nicht vor 16 Uhr verfügbar sein. Aber das macht ja nichts, wir wollen sowieso noch ein paar Kilometer durch die Gegend rollen. Er bietet an, die Koffer zu beaufsichtigen, wir laden erstmal aus.

Als wir halbwegs fertig sind, sind auch die Kollegen des Rezeptionisten mit dem Mittagessen fertig, und seine ebenso schmale wie agile Chefin übernimmt. Sie lässt ihn Erfrischungstücher bringen, bringt uns eigenhändig frisch ausgepressten, mit Minzwasser aufgegossenen Zitronensaft und hat natürlich sofort ein Zimmer für uns.

Sie bittet um Ausfüllen des Meldezettels, redet in Hochgeschwindigkeit, reserviert für morgen Abend einen Tisch im Restaurant und bringt uns schließlich in unser Dachterrassen-Studio. Alles dort ist neu, fein hergerichtet und irgendwie zeitlos modern. Die Terrasse hat etwa zwölf Quadratmeter, ideal als Trockenplatz für unsere Wäsche.

Aber erstmal wird die Wäsche durchgeschwitzt. Wir fahren aus dem Ort zum Kreisverkehr, biegen nach rechts und mein Garmin zeigt oben links, dass es jetzt 1,5 Kilometer auf der RT10 schnurgeradeaus geht. Nach etwa zwei Kilometern sagt er, dass es noch etwa 1,3 Kilometer schnurgeradeaus gehen wird, und mir wird klar, dass ich ein Komma gesehen hatte, wo gar keins war.

Da wir sowieso keine Wahl haben, fahren wir einfach weiter.

Kostenlos baden direkt an der Uferstraße bei Fautea

Hinter Cavu hört die Gerade auf. Der Verkehr wird infolge einer Baustelle alternierend geführt, so haben wir nach jeder Ampelphase auf unserer Seite zunächst ein paar überholende Autos und dann längere Zeit Ruhe. Bis Favone schlängelt sich die Straße am Ufer entlang. Mal geht es runter, mal geht es hoch, der Blick nach rechts ist immer ein Vergnügen.

Kurz vor Favone ist dann Schluss mit lustig. Es geht links ab und für etwa eine halbe Stunde aufwärts. Noch relativ weit unten kommt uns ein Paar auf Rennrädern entgegen. Der Mann fährt zügig bergab, er hat einen Anhänger am Rad, darin transportiert er den Nachwuchs. Die Mutter folgt selig lächelnd.

Jetzt fahr'n wir übern Berg, übern Berg ...

Höchster Punkt des Tages ist dann Conca, ein hübsches Städtchen, das sich über die Jahrhunderte aus Hütten von Schäfern entwickelt hat. Was Conca außerdem bietet, ist eine schöne, große Kirche und den wahrscheinlich größten Friedhof der Welt – bezogen auf die Einwohnerzahl.

Jetzt sind wir auf dem Berg, auf dem Berg ...

Als Ort im Bergland Korsikas ist Conca natürlich auch Ausgangspunkt für Wanderungen. Wir sehen eine junge Frau mit Stöcken und relativ kleinem Rucksack. Und unten an der Kirche starten vier junge Männer ihre Wanderung. Zwei von ihnen wurden gerade mit einem Auto gebracht, alle vier sind mit großen backpacks und ebenfalls mit Stöcken ausgerüstet.

Wenn man sieht, wie die Wege rechts und links der kleinen Straßen rauf- und runtergehen, sind Stöcke ein Muss auf dieser Insel.

Was alle höchsten Punkte verbindet: nach ihnen geht es abwärts. Anfangs nicht ganz so schnell, dann rasant. Keine zehn Minuten dauert es, bis wir wieder auf Vorbergsniveau sind. In Sainte-Lucie de Porto-Vecchio kreuzen wir die RT10, auf der anderen Seite geht es weiter nach Pinarellu, wo wir wieder auf Meereshöhe sind.

Jetzt sind wir übern Berg, übern Berg ...

Der Strand gehört hier schreienden Kindern und dröhnenden Jet-Ski. Letzteres scheint an der Küste besondere Bedeutung zu haben, überall sehen wir Plakate mit entsprechenden Angeboten, einige rühmen sich sogar, ganzjährig übers Wasser zu brettern.

Für uns ist das Brettern vorbei, unsere Akkus sind erschöpft und blinken ersterbend. Aber das macht ja nichts, die Räder sind so leicht, dass sie sich auch stromlos wie Rennräder fahren (naja, fast).

Im Hotel gibt's für die Pferdchen Futter, morgen müssen sie wieder ran. Wir essen auch erstmal was und gehen dann ans und ins Meer. Das Wasser ist kurz kalt, aber sobald man drin ist, sehr angenehm. In den Wellen spricht mich ein redseliger Franzose aus Clermont-Ferrand an. Er hat ein Käppi auf, bewegt sich nur widerwillig und parliert über Städtpartnerschaften, Algerienkrieg und die Schönheit Korsikas.

Um ihm zu entkommen, simuliere ich Angst um meine entfernt schwimmende Frau.

Das Meer vor der Hoteltür

Zurück am Strand, sehe ich eine alte Frau mit tätowierten Beinen. Tattoos sieht man hier an überraschend vielen Menschen, egal, welchen Alters. Im vorliegenden Fall diagnostiziert die Gattin jedoch: Krampfadern.

Nach dem Schwimmen duschen wir und legen uns hin. Nach dem Aufstehen machen wir Duolingo, und ich lerne von meiner Frau, was ein Single ist: ein Alleinleber.

Abendessen gibt's irgendwann auch noch. Gleich gegenüber bespeist uns das Emporium mit sehr feiner Küche, aufmerksamem Service und einem jungen Kellner, der schlechter Englisch spricht als meine Mutter, aber partout nicht damit aufhören will.

Wir bekommen eine Oliventapenade zum Apéritif und ein Lachs-Sushi auf Algen als Gruß aus der Küche. Als Vorspeise teilen wir uns das Carpaccio de poulpe de roches, als Hauptgang nimmt Madame eine Pavé de loup und Monsieur das Ris de veau crousti-moelleux. Laurent, der Patron, empfiehlt uns einen exzellenten Essenbegleiter und am Ende ist sogar noch Platz für eine geteilte L'intense châtaigne et poire tonka.

Das Hotel ist nicht weit, wir nehmen unsere Räder vom Strom, und alle schlafen gut.

Schöne Schleife von der Küste in die Höhe