Eine letzte Fahrt durch Bastia |
Von den Kindern hören wir heute praktisch nichts. Dafür fährt einer unserer Porsche-Freunde gegen halb neun auf dem Parkplatz stehend schon mal alle Kurven und sonstigen Schönheiten der morgigen Rallye. Da kann sich die Strecke auf einiges gefasst machen.
Die Tische fürs Frühstück sind weitgehend besetzt, offensichtlich ist die Hütte voll. Zwischen den Buffets – Achtung, Wortspiel! – herrscht reger Verkehr, und die Damen im Service haben mit dem Abräumen der Tische wirklich alle Hände voll zu tun.
Gegen zehn fahren die Engländer los, und wir sind überrascht, mit wie wenig Lärm das verbunden ist. Das dürfte morgen mit den Porsches anders werden. Wir schaffen es, um kurz nach zehn los zu fahren. Laut Google werden wir etwa um 14 Uhr in Bastelica sein.
Anfangs verlieren wir etwas Zeit, weil vor Bastia recht starker Verkehr herrscht. Wir halten nach der Stadt bei Monoprix, wo wir all das nicht bekommen, was wir suchten. Dafür kann ich dabei helfen, einen blauen Clio in eine günstige Position zu schieben, aus der er leicht bergab rollen und tatsächlich auch starten kann.
Den nächsten Stopp machen wir bei Auchan, wo wir unseren Essig und andere korsiche Feinheiten finden. Langsam muss das Einkaufen aber ein Ende haben, unsere Ladeebene unter dem Kofferraum ist schon fast komplett gefüllt.
Von der östlichen Seite in den Parque naturel régional de Corse |
Anschließend sieht es dann so aus, wie vor oder nach jeder etwas größeren französischen Stadt, es geht weiter durch Gewerbegebiete in Richtung Ajaccio. Nach ca fünf Kilometern lässt der Schrecken nach, bei Casamozza fahren wir raus in die Hügel, entlang des Golo. An dessen Ufer bzw. am Pont de Ponte-Nuovo sur le Golo besiegelten französische Truppen am 20. Juli 1928 endgültig die Annexion der Insel durch Frankreich.
Wir schlagen keine Schlachten, sondern weichen einem silbernen Clio, aus, der mitten auf der Straße liegengeblieben ist und nun eine Kurve blockiert. Irgendwie sinkt mein Vertrauen in Renault-Fahrzeuge heute nochmal deutlich.
Entlang der T20 sehen wir einige alte Eisenbahnbrücken, teilweise werden sie saniert. Madame fährt, was die Straßen zulassen, trotzdem entwickelt sich unser Zeitbudget negativ. Es wird immer grüner. Die höchsten Gipfel des Nationalparks strahlen schneebedeckt, das Thermometer zeigt 26 Grad, das Mobiltelefon ist mitten in der Wildnis im 5G-Netz.
Und auch sonst muss man sich wundern, was hier alles frei herumläuft |
Bei Bocognano verlassen wir die Territoriale 20 zugunsten der Départementale 27. Wer bisher dachte, dass es enger und kurviger nicht gehen könnte, wird auf den folgenden 23 Kilometern eines Besseren belehrt.
Die Gattin fährt wie die Teufelin, kurz nach 16 Uhr erreichen wir unser Hotel. Der Patron empfängt uns auf dem Platz vor dem Eingang und macht uns gleich mit allen Eigenarten des Hauses vertraut.
Danach übernehmen wir unser Zimmer, ziehen uns um und bauen die Räder zusammen. Um kurz vor fünf fahren wir los, hinauf zur Ski-Station im Val d'Ese. Der Patron bittet allerdings darum, nicht die ganzen 16 Kilometer hinauf zu fahren, damit wir pünktlich zum Essen wieder da sind.
Schöne Aussichten in Bastelica |
Also fahren wir ein Stück durch den Ort und dann auf schmaler, gewundener Straße die Berge hinauf. Links blüht der Ginster, rechts stürzt der Berg ins Tal (oder umgekehrt). Die wechselnden Aussichten haben alle eins gemeinsam: Sie rauben uns den Atem.
Nach knapp 40 Minuten und neun Kilometern ist leider Schluss, wir drehen um und donnern die gleiche Strecke in einer Viertelstunde zurück. Am Hotel angekommen, tun uns vom Bremsen die Hände weh. Mit Felgenbremsen hätte ich das nicht machen wollen.
Wir füttern unsere Pferdchen in einem kleinen Häuschen mit Steckdose, nach dem Duschen gibt es dann Essen unten im kleinen Bewirtungsbereich.
Zum Apéritif sitzen wir mit vier anderen Pärchen an Zweiertischen auf der Terrasse am Haus. Einer der Tischen ist ebenfalls deutsch besetzt, von einem Paar, das laut Nummerenschild aus Böblingen den Weg nach Korsika bewältigt hat.
Die beiden sind um die dreißig, er geht als eher schmächtiges Kerlchen durch, sie könnte als missmutige Nörglerin Karriere machen. Immer die Mundwinkel unten, immer diesen leicht klagenden, vorwurfsvollen Ton, den man oft von Frauen hört.
Was die Herrschaften wohl beruflich machen?
Sie rerdet pausenlos von Lehrern, von Schülern, von Studenten. Er sagt kaum was, er kommt ja nicht dazu. Wir tendieren also unabhängig voneinander zum Beruf des Lehrers. Es folgt der Blick in den deutschen Ferienkalender und unsere Theorie bricht zusammen. Lehrer werden aktuell und baW jeden Morgen in den Schulen erwartet, als Studenten gehen sie nicht so recht durch, bleibt eventuell ein Job in einem Bildungsministerium – ist ja auch egal.
Nach dem Apéritif tischt Monsieur eine nach seinen Worten korsische Spezialität auf: drei Conchiglie mit Schafskäse, Petersile und Minze gefüllt. Das Ganze nennt sich au brocciu und wird mit Tomatensugo gratiniert. Man fragt sich, warum es italienischer Pasta bedarf, um korsische Spezialitäten zu kochen, und warum man angemachten Käse mit Tomate überbacken sollte. Dann kommt ein kleines Schweinesteak mit Salzkartoffeln und sechs Stangenböhnchen (bio!), gefolgt von einer Pavlova mit Birnenstückchen.
Wir sind nicht übermäßig satt und fragen uns schon wieder etwas. Nämlich, warum dieses zweifelhafte Vergnügen 40 Euro pro Mund bzw. Magen gekostet hat. Zumindest der Wein war in Ordnung.
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