Das Frühstück ist mau (nur Konserven), der Wind weht lau (und natürlich aus östlicher Richtung). Im Lokal sitzen zwei, drei weitere Gäste, jeder hat ein Tablett und – wenn wir die Minen richtig deuten – auch einen schweren Tag vor sich.
Der Chef steht am Tresen, heißt uns willkommen und weist uns in die Besonderheiten der dargebotenen Spezialitäten ein. Damit wir ihn gleich wiedererkennen, hat er sein Hemd von gestern nochmal angezogen. Der Koch kommt um acht und folgt dem guten Beispiel seines Baguettegebers – seine Jacke ist sichtbarer Beweis dafür, dass er schon seit Tagen wiedererkannt werden möchte.
Ich schaue aus dem Fenster und sehe die Fähre, die wir gestern vergeblich gesucht hatten – es gibt sie, sie fährt, und sie fährt vor allem: kostenlos. Der Anleger ist ca. 200 Meter vom Hotel entfernt, nach dem Frühstück rollen wir hin und nach kurzer Wartezeit aufs Deck.
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Auf der Bac gilt: Pferde und Radler zuerst |
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Und hinterm Tresen steht Vanessa |
Bei Indre wird die Verkehrsführung etwas unübersichtlich, aber wir kommen trotzdem durch. Die Einfahrt nach Nantes ist von Industrie und dem Atlantik-Hafen geprägt: große Schiffe, Reparatur- und Zulieferbetriebe.
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Am 30. Mai war der Weltuntergang ... |
Um zehn bremsen wir bei Lidl. Mo ist mit dem Einkaufen dran, ich habe Zeit zu gucken: Am Lycée gegenüber verkauft der lokale Dealer vor Unterrichtsbeginn noch den einen und anderen Leistungsdruck. Auf unserer Seite streicht ein SDF um die parkenden Autos und versucht, retournierenden Lidl-Kunden ein bisschen Bares abzuschwatzen. Eine Kundin schenkt ihm eine Banane; so wie er sie anschaut, wird das nicht der Beginn einer langen Freundschaft.
Unser Weg durch Nantes führt entlang des Flusses, der von moderner Architektur gesäumt wird: Hotels, Ministerien der Départementsregierung und Firmen aller Art. Mit dem Alten hat die Stadt – zumindest optisch – vollständig gebrochen, hier präsentiert sich zeitgemäße Urbanität vom Feinsten. Entlang des Quai de la Fosse verarbeitet Nantes zudem seine führende Rolle bei der Verschiffung von Sklaven in die USA. Von hier legte im 18. Jahrhundert etwa die Hälfte aller französischen Sklavenschiffe ab.
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Da soll nochmal einer sagen, in Nantes gäbe es keine alten Häuser! |
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Was Menschen bauen, um an Wein zu kommen |
Vor Champtoceaux leiten uns die Franzosen mal wieder auf eine Itinéraire provisoire um, und schon nach kurzer Fahrt müssen wir steilst bergauf. Hier sind sie nun also, die Vignoble nantais, deren Steigungen locker mit den neun bis zwölf Prozenten ihrer Weine mithalten können.
Während Mo sich am Ende der Steigung in die Büsche schlägt, kommt eine gut gekleidete Französin im Auto vorbei, lässt das Beifahrerfenster herab und fragt, ob denn bei uns alles in Ordnung sei. Ich kann das bejahen, frage aber freundlich (und natürlich mit anderen Worten) nach, warum genau sie das wissen möchte. Ganz einfach: Sie ist Radweg-Beauftragte der Region und kümmert sich in dieser Eigenschaft um den Weg und die Radfahrer, die ihn befahren.
Bienvenue à La Loire à Vélo!
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Achtung, gleich kommt die Radweg-Beauftragte! |
Es folgt eine üble Abfahrt, gefolgt von einer ebenso üblen Brücke, gefolgt von Oudon mit seinem sensationellen Schlossturm aus dem 11. Jahrhundert. Wir klettern nicht hinauf, wir brettern neben der Bahnlinie weiter ostwärts.
Kurz vor Ancenis, machen wir Mittagspause in einem vorortlichen Wohngebiet. Irgendwo in der Nähe muss eine Schule sein, denn pausenlos ziehen Grüppchen grinsender Jugendlicher an uns vorbei, die wohl noch nie alte Menschen in Radklamotten beim Mittagessen gesehen haben. Gegenüber kärchert der Mann von Veolia propreté die Abfallcontainer.
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Oudon centre, der Schlossturm steht sehr weit links |
Wir kommen ins Gespräch, sie kommen aus Saumur, fahren nach Saint-Brevin und retour. Das sind knapp 400 Kilometer, eine Woche nehmen sie sich dafür Zeit. Wir erzählen, sie erzählen, es entwickelt sich ein nettes Gespräch. Irgendwann wird es dem Regen zu viel, mit anhören zu müssen, wie wir uns gegenseitig loben.
Er zieht weiter, wir fahren auf frischer Bessunger-Kies-Piste bis Saint-Florent-le-Vieil, und von dort auf einem Deichweg bis zu dem Hotel, das wir für heute eingeplant haben. Vor dessen Tür steht das Pärchen, das wir heute zum vierten Mal ein- und überholen. Sie kommen aus Augsburg, sind in Dijon gestartet, teils selbst, teils mit dem Zug nach Saint-Brevin gefahren und jetzt auf dem Rückweg. Als sie hören, was noch vor uns liegt, warnen Sie uns vor Montceaux-les-Mines.
Patron und Preis sind super, wir gehen duschen, waschen und legen. Ab halb acht gibt's Spargel-Duett mit Ei, Schnecken-Ragout, Loire-Zander, Wachtel, Käse, Dessert und Wein von gleich um die Ecke.
Später ruft noch das Kind an, um zu berichten, dass die Präsentation seiner BA gut lief. Der Bub ist stolz, wir mit ihm, auch auf uns, auch er ...
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