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Dienstag, 24. Juni 2025

Frühling 2025 – 23. Juni: Golfo Aranci

Der Bär groovt

Was passiert, wenn vier Italiener beim Frühstück gemeinsam ans Buffet gehen? Richtig, es wird leise im Frühstücksraum.

Die Kleine von gestern Abend ist auch wieder da, noch ein bisschen angeschlagen. Sie spricht mit der Mutter englisch, mit dem Vater deutsch, und sie freut sich sichtlich, wenn dem Kellner etwas runterfällt. Suleyka (die britische Tochter, die immer aussieht als käme sie vom Bauchtanz) ist auch wieder schön ausgezogen.

Olbia zur Mittagszeit

Wir sind gut vorbereitet und können schon um halb elf fertig gepackt aufbrechen. Auf der SS125 fahren wir zunächst nach Olbia, drehen dort eine Runde durch die Stadt und fahren dann weiter bis nach Palau. Hier waren wir vor 36 Jahren mit dem noch recht frischen Kind und setzten zu seiner Freude per Fähre nach La Maddalena über.

Da rufen wir doch in der Hitze einfach mal in München an und lassen den erinnerungsschwachen Spross an der Vergangenheit teilhaben.

¡Hey, Maddalena!

Weiter geht es über Capo d'Orso, eines der meistfotografierten Motive Italiens, und Cannigione nach Baja Sardinia und Porto Cervo. Wir gönnen uns für zweifuffzich einen bewachten Parkplatz und gehen zu Fuß ins Zentrum des Geschehens. Die Ladenzeile im Zentrum erinnert uns ein bisschen an Wertheim Village mit Wohnungen oben drüber. Auf der Piazza tanzen bewegungsferne Insta-Mädels vor überteuerter Kulisse.

Vor der Bucht von Laconia

Und während man so sitzt und seinen Kaffee trinkt, kommt plötzlich links Zweiergruppen, wie Kinder in der Schule, die sich anstellen, bevor sie den Klassenraum gehen, auf die Piazza. Es werden immer mehr und mehr und am Ende sind es mindestens 40 Leute. Da ist irgendwo ein Reisebus angekarrt worden, und der Inhalt darf jetzt einmal durch Porto Cervo gehen und die Menschen dort bestaunen. Wir gehören dazu.

Cervo Village

Nach dem Caffè fahren wir durch Cala di Volpe, vorbei am teuersten Hotel der Insel, und Cugnana nach Golfo Aranci, wo um 20:30 Uhr unser Schiffchen nach Livorno ablegt.

Geldanlage vor Cala di Volpe

Wir sind viel zu früh dran, es ist gerade mal sechs, als wir hinter zwei anderen Autos mit deutschem Nummernschild in die Reihe der Wartenden aufschließen.

Wer zu früh kommt, den belohnt das Leben

Wie das Schicksal es manchmal will, geht es praktisch ohne Aufenthalt direkt auf die Fähre.

Frühling 2025 – 22. Juni: San Teodoro

Nach dem Frühstück wird rumgepoolt

Heute sitzt beim Frühstück eine höchst tätowierte Tus hinter uns und lässt sich von ihrem Telefon mit Filmchen berieseln. Das Angebot des Buffets ist überschaubar, aber wir hatten es auch schon viel schlechter.


Da unsere Rechner sich nicht mit dem Hotel-Netzwerk verbinden lassen, die Telefone aber schon, spreche ich zwei andere Gäste an, die sichtbar sowohl mit dem einen wie dem anderen Gerät im Wlan unterwegs sind. Die Herren sind Amerikaner und sehen so aus, als hätten sie im Zuge des amerikanischen Angriffs auf Iran einen Job auf La Tavolara erledigt und befänden sich jetzt wieder auf dem Heimweg. Eine Lösung haben sie auch nicht.


Wir machen uns auf den Weg zu EuroSpin in San Teodoro, um ein paar Sachen zum Essen zu erwerben. Die Gattin fährt heute so, wie sie es mir immer vorwirft und macht all die Fehler, die sonst mit vorbehalten sind – ein perfekter Sonntag.


Vorn der Strand, hinten die Insel der US-Army


Im Supermarkt lernen wir, dass Nektarinen in Italien Pesce noci heißen, da kaufen wir gleich mal ein Kilo. Außerdem stellen wir fest, dass der Sonntagseinkauf für die örtlichen Sarden ein beliebter Treffpunkt ist. Man sieht sich, man grüßt sich, man verabredet sich für den Nachmittag oder Abend. Der Ort selbst ist zwar auch schon vom Tourismus gezeichnet, hat sich aber doch eine gewisse Unschuld bewahrt. Es gibt wenige der sonst üblichen gestalterischen und sonstigen Exzesse.


Auf dem Rückweg halten  wir kurz an, um den großen Strand zu fotografieren. Zwei deutsche Radfahrer halten auch und versperren damit das Motiv. Die Gattin steigt aus, um eine unverstellte Position einzunehmen und wird von den Kollegen gleich um ein Foto gebeten. Schön, wenn man sich so einfach nützlich machen kann.


Nach dem Einkauf fahren wir unser Auto unter einen überdachten Parkplatz am Hotel und laden alles aus, was wir haben. Die vorsichtshalber im Unterboden deponierte Wäsche nehmen wir raus, Schmutzwäsche, die nicht mehr gebraucht wird, kommt als Polster für Flaschen und Gläser wieder rein. Dann laden wir alles wieder ein und sind jetzt gut vorbereitet für die letzte Woche in Richtung Deutschland.


Kaum zu fassen, was der Kleine fasst


Mittags gehen wir in den Pool, essen ein bisschen was, legen uns hinterher kurz hin und 
gehen am Nachmittag nochmal an den Strand. Heute ist Sonntag und etwas mehr Betrieb. Das Wasser ist leicht kühler geworden, das liegt wohl daran, dass es spürbar mehr Bewegung gibt. Vor dem Abendessen sortieren wir unsere Wäsche und sonstigen Sachen nochmal neu. Wir gehen davon aus, dass wir in der letzten Woche mit einem Koffer für uns beide auskommen werden.


Beim Abendessen lernen wir: Nicht jede ausgezogene Frau sieht gut aus. Das beweisen z.B. zwei Engländerinnen am Nebentisch. Die Mädels sind wohl Freundinnen, und die eine wird von den Eltern der anderen mit in den Urlaub genommen. Der britische Vater liefert ein tolles Beispiel modernen Patriarchats, er stellt der Freundin seiner Tochter eine Frage, diese antwortet, und dann referiert er mindestens zehn Minuten lang zum Thema.


Erfreulicherweise gibt es auch wieder Essen. Auf fünf Tischen das von gestern bekannte Piccolo buffet di Antipasti, danach isst sie Tortiglioni alla trasteverina und Rollatina di coniglio, während er Meze maniche all'arrabbiata und Pojarski di vitello nimmt. Nachtisch gibt's auch noch, zwei Mal Meringata all'amarena.


Abends ist ausgepoolt


Nachdem wir uns in die Bar gesetzt haben, kommt auch die Dreijährige mit ihren Eltern nochmal vorbei und macht sich und allen, die drumrum sitzen,
 einen schönen Abend. Erst tanzt sie zur Musik aus dem großen, hässlichen JBL-Lautsprecher, dann erweitert sie ihren Radius immer weiter durch die Bar über die Rezeption und schließlich auf die gesamte angrenzende Architektur.


Die Eltern schauen ihr zu, lassen das Kind in Ruhe machen. Wir haben das Gefühl, die Kleine genießt das, und sie machte es auch sehr gut.


Montag, 23. Juni 2025

Frühling 2025 – 21. Juni: San Teodoro

Was Urzulei zum Ziel von Reisebussen macht

Das Frühstück gestaltet sich heute sehr sardisch, es ist sonst nicht viel im Angebot. Wir tun es also den anderen Gästen gleich und erfreuen uns an den frisch gebackenen Pains au chocolat, die hier anders heißen.

Danach packen wir die Koffer fertig, und ich gehe zum städtischen Parkplatz, um unser völlig verdrecktes und auch sonst schwer vom Abenteuer gezeichnetes Auto zu holen. Zurück in unserer Bleibe, bringen wir das Gepäck runter, zahlen den Rest und verabschieden uns von unserer Lieblings-Bäckerin.

Wo die Felsen sprechen

Auf der vom Hinweg bereits bekannten Straße kurven wir abwärts nach Tortolí und fahren dort auf die SP56 in Richtung Dorgali ab, die für uns nochmal ein neues Tal aufmacht und traumhafte Anblicke bietet.

Die Schönheit im Zentrum des Tales

Rechts sehen wir viel Landwirtschaft, auf der linken Seite die Ausläufer des Parco Nazionale del Golfo di Orosei e del Gennargentu und dahinter dessen höchste Gipfel. Wir fahren durch die Heimatstadt der Schwägerin Urzulei, die höchst malerisch ins Tal genagelt und mit ihren folkloristischen Murales gerade Ziel eines gut befüllten Touristenbusses ist (die Stadt, nicht die Schwägerin), und biegen wenig später in die alte SS125 ein.

Erste Rennradfahrer kommen uns entgegen, es werden noch viele werden, die sich am Samstag ein bisschen quälen wollen.

Zwischendurch buchen wir eine Nacht in Sulzano, was sich ein bisschen schwierig gestaltet, da der Prenotare-Button im Reservierungsprozess irgendwann nicht mehr reagiert. Am Ende ist alles in trockenen Tüchern, und wir können uns wieder aufs Staunen konzentrieren.

Die höchsten Gipfel Sardiniens

Die Straße verläuft entlang des Gebirgszuges auf der rechten Seite, links stehen die hellen Felsen des Parco Nazionale und dahinter die noch höheren, noch helleren und ebenfalls unbewaldeten Spitzen des Gennargentu. Es ist eine Demonstration der Schönheit dieser Insel. Die Gattin ist sprachlos und bedauert, dass sie heute mit dem Fahren dran ist, aber sie könnte sowieso nicht fotografieren, da alle Motive links von uns sind.


Manche Erinnerungen muss man im Kopf mit nach Hause nehmen, nicht auf der Festplatte.


Auch Dorgali hat schon bessere Tage gesehen


In Dorgali, wo uns vor 40 Jahren ein betrunkener Schäfer unter den Augen der Polizia Locale das Hammelfleisch auf der Spitze seines Messer in den Mund schob, trinken wir heute in der Ortsmitte ungefährdet unseren Caffè. Auf dem Rückweg zum Auto kommen wir bei Dimitri vorbei. Er bietet Pizza & Sushi an, und nichts könnte bei seinem Namen näher liegen.


Entlang des weiteren Verlaufs der SS125 kommen jetzt langsam wieder in die sardische Zivilisation. Man erkennt es an den Werbeplakaten für Hotels, Immobilien, Supermärkte,  Winzer(genossenschaften) und dem freundlich lächelnden Dottor Palmas, der zwölf Implantate zum Preis ab 8.995,00 € anbietet – eingebaut in nur einer Sitzung. Meine erfahrene Gattin und ich fragen sich, wie das funktionieren soll.


Abschied vom Gennargentu


Ein paar Kilometer nördlich kommen wir schließlich nach La Caletta, einer damals wie heute üblen Touristensiedlung, über die wir heute nur noch mehr erschrecken als 1983/84. Wir finden Giannis Bar del Porto wieder, essen ein Eis im Straßenverlauf (1,30 pro Kugel) und stellen fest, dass unser ehemaliges Hotel wohl irgendwann einem Bagger weichen musste – kein wirklich großer Verlust für die Insel.


La Caletta ist immer noch hart für seine Besucher


Keine halbe Stunde später erreichen wir das erste von mehreren Hotels, die wir uns für die abschließenden beiden Tage vorgemerkt haben. Da wir auf den letzten Metern keine bösen Überraschungen erleben möchten, wollen wir uns erstmal vor Ort ein Bild machen.


Das Hotel liegt abseits von San Teodoro und entpuppt sich als ein echter Glücksfall. Die Dame an der Rezeption rechnet uns vor, was die zwei Nächte mit Halbpension kosten, dann räumt sie uns – ohne dass wir danach gefragt oder sonstige Anstalten gemacht hätten – einen Rabatt von 25 Prozent ein, und wir greifen beherzt zu.


Das Zimmer ist groß und bietet einen schönen Blick, der Pool ist einladend und nicht weit weg gibt es sowohl die bei Touristen beliebte Spiaggia Isuledda als auch die eher von den Einheimischen frequentierte Spiaggia Li Marini.


Die Bar ist professionell bestückt und besetzt, das Restaurant liefert ein wirklich beachtliches Programm an alter Hoteltradition. Auf fünf Tischen gibt es Il piccolo buffet di Antipasti, danach nehmen wir Spaghetti alle cozze bzw. Ravioli di ricotta e spinaci. Als Hauptgänge folgen Noce di vitello glassata und Paillard alla griglia.


An einem der Nachbartische sitzt Pink mit ihrem Sohn, direkt daneben ein asiatische Familie mit zwei kleinen Jungs mit Jetlag. Der jüngere hängt an seiner Mutter, der ältere hat seine Schuhe ausgezogen und sitzt im Schneidersitz auf einem Stuhl am Tisch. Beide sind hundemüde, aber speziell der Vater macht einen tollen Job, um die Familie bei der Stange zu halten.


Dazu die üblichen Insta-Mädels, ein deutsches Ehepaar mit kleiner Tochter und viele sehenswerte Essensbegleiter mehr. Apropos Essensbegleiter: Was uns überall auf Sardinien auffällt, ist die große Zahl an Kellnern. Da hat man meist das gute Gefühl, umsorgt zu sein.


Ach ja, an dem kleinen Strand waren wir heute auch noch. Er liegt und ist sehr schön, nur das Wasser ist etwas zu warm.

Freitag, 20. Juni 2025

Frühling 2025 – 20. Juni: Lanusei

Alle reden von Orgosolo. Wir auch.

Unser Frühstück ist heute sehr sardisch und mit allerlei, worauf wir gar nicht vorbereitet waren, wie z.B. geräucherter Ricotta, Zwieback und trockenes Weißbrot. Dafür gab's keine Brötchen und keinen Saft, stattdessen hervorragende Croissants und Pains au chocolat. Wir haben als einzige „richtig“ gefrühstückt. Alle andern haben nur einen Kaffee und ein Croissant genommen. So ähnlich werde ich es morgen auch machen.

Über die Croissants haben wir hinterher noch mit der Frau vom Service gesprochen – die macht sie selber. Nach ihrer Aussage eine harte Arbeit, aber sie macht es gerne und freut sich über das gute Ergebnis.

Nach dem Frühstück haben wir unseren Parkplatz aufgegeben und sind ab Villanova Strisaili auf der alten SS125 in Richtung Norden gefahren. Anfangs haben wir es wieder mit Nuraghen und Hühnengräberen versucht, natürlich wieder ohne Erfolg. Dafür haben wir mit Kühen und ihren Kälber die Straße geteilt und viele wilde Herden gesehen, die Straßen blockieren, Verkehrsinseln abgrasen und z.B. das Blattwerk von Bäumen auf einer Länge halten: Wo die Kuh den Baum erreicht, wächst nichts mehr.

Der Baum nach den Friseuren

Die alte SS125 läuft quasi parallel zur neuen SS125var. Wir sind sie 1984 von Norden kommend gefahren und haben mit Schrecken den Bau der neuen Straße und die dafür notwendigen Eingriffe in die Natur des Tales gesehen. Die weggesprengten Teil der Berge sind immer noch gut zu erkennen, die vier besonders Flächen werden aber bereit von oben und links und rechts wieder von Büschen und Bäumen besiedelt.

Das macht die Straße nicht schöner, aber in 50 Jahren wird man wohl nicht mehr sehen, mit welcher Wucht sie durch das Tal geschlagen wurde. Die alte Straße wird bis dahin auch Geschichte sein, der Staat überlässt sie sich selbst. Die Schlaglöcher sind beachtlich, und die Böschung wächst von den Seiten in die Mitte.

Auch nach vierzig Jahren heilt die Zeit nicht alle Wunden

Unterwegs sehen und erkennen wir vieles (wieder), darunter die Piscine naturali di Bau Aradulu. Leider ist auch in Sardinien das Wasser knapp, sodass es den Bädern so geht wie den Flüssen und Stauseen, sie trockenen aus. Nahe der Area Archeologica di Sa Carcaredda reicht es dann sogar für ein Hühnengrab. So rechte Begeisterung will sich jedoch nicht einstellen.

Natürliches Schwimmbad, natürlich wenig Wasser

Über den Passo di Correboi erreichen wir mittags Mamoiada und setzen uns zwecks Panino in eine Bar, die offensichtlich ein Rocker- oder Biker-Treffpunkt ist. Man kennt sich, man schwätzt laut über allerlei, man kommt laut an, man fährt laut ab. Ein Hühnerstall ist nichts dagegen.

Wo der Hühne gräbt

Parallel suchen wir erfolglos eine Bleibe für die nächsten zwei Tage. Einige Angebote rufen vier- und fünfstellige Preise auf (nein, nicht Lire), andere sind einfach belegt. Eines der auf Google angezeigten Hotels ist wohl eher eine Einrichtung, die man nicht nur tagesweise aufsucht: Casa Debili.

Unsere nächste Station gegen die Zeit ist Orgosolo. Die Murales dort gibt es noch, sie sind zum USP der Stadt geworden. Und noch immer laufen Mittzwanziger, die analoge Kameras mit langen Linsen tragen, paarweise durch die Gassen und fotografieren, was der Putz hält. Wir fahren mit dem Auto durch, sehen zerfallene und zerfallende Häuser neben alten und neuen Häusern. In vielen Straßen werden gerade Neubauten errichtet. Das Freilichtmuseum lebt.

Geld macht krank

Wir fahren weiter nach Fonni und von dort über die SP7 nach Süden. Es geht rauf und runter, links- und rechtsrum, von einem Tal durchs nächste. Statt der bisher die Landschaft bestimmenden Nadelbäume dominieren jetzt Eichen und andere Laubgewächse. Vor lauter Impressionen vergisst man da leicht die Zeit.

In Desulu, wo noch überraschend viele Häuser stehen, deren Bauweise an die traditionellen Trockenmauern erinnert, stellen wir zufällig fest, dass es schon nach vier Uhr ist. Das spricht gegen eine Fortsetzung der Fahrt in südlicher Richtung. Also fragen wir Google und bekommen eine klare Antwort: umdrehen!

In Desulu bringt uns Google zur Umkehr

Also alles zurück bis kurz vor Fonni und dort auf die Schnellstraße nach Süden. Um kurz vor sechs erreichen wir Lanusei, einen Parkplatz vom Chef gibt's heute leider nicht. Ich fahre also zum Zentralparkplatz, verfahre mich und werde zur Strafe von Maps durch die schmalsten Gassen Lanuseis geschickt. Der Vertreter des Chefs erklärt mir anschließend, dass man die Straßen mit einem 500er Fiat hervorragend passieren kann.

Wir waschen, duschen und ruhen uns aus. Um kurz nach acht sitzen wir auf der vollbesetzten Terrasse und hoffen auf zwei Abendessen. Bestellt ist schnell, mit der Lieferung dauert es ein bisschen. Wir teilen je ein Tartare di manzo und Malloreddus al ragù bianco di coniglio. Dann gibt's je ein Mal Suprema di pollo und Parasangue di manzo, leider nicht so weich, wie man es nach 20 Stunden im Schmortopf erwarten könnte.

Mit unserem Hotel für die letzten beiden Nächte auf Sardinien sind wir noch nicht entscheidend weiter gekommen, mal sehen, wie es sich entwickelt.

Donnerstag, 19. Juni 2025

Frühling 2025 – 19. Juni: Lanusei

Das Ende ist nah!

Wir frühstücken in der Mitte des Innenhofes unter den weiten Sonnenmarkisen. Die Gattin löffelt ihr Müsli, ich habe mich inzwischen an das täglich getoastete Brot gewöhnt, mit dem frischen Ricotta ist es ein Hammer.

Kinder sind auch wieder in großer Zahl über die Tische verteilt. Neben uns sitzt eine dem Essen sehr zugeneigte Zweijährige, die sich ihre Nutella-Croissants mit Verve in den Mund schiebt und dabei ununterbrochen plappert. Am Ende verlangt sie nach ihrem Schnuller, dem sie aber nicht besonders viel Aufmerksamkeit schenkt.

Viel mehr interessiert sie sich für die etwas spröde Kellnerin, die ihr im Vorbeigehen zuwinkt. Das Mädchen ist total begeistert und bietet ihr in der Folge immer wieder den Schnuller an, womit die junge Frau nur schlecht umgehen kann. Meine Mitreisende hat auch einen Hang zum Personal. Ihr cameriere preferito lächelt sie zum Abschied nochmal an – der Tag kann kommen!

Heute geht's vom Wasser in die Berge

Wir packen unsere Siebensachen, was inzwischen recht routiniert abläuft. Hier zahlen sich die häufigen Radtouren mit täglichem Packen auf engem Raum aus. Wobei wir auch an anderen Stellen immer wieder mal das Gefühl haben, dass wir auf diesen Radreisen eine Menge fürs Leben und für den Umgang mit Problemen bzw. Ungewohntem und Unbekanntem gelernt haben.

Das Beste kommt wie so oft zum Schluss: Die Rechnung fällt um satte 25 Prozent geringer aus als zu erwarten war. Entweder das Angebot war falsch oder die Rechnung. Wir haben nicht auf einer Klärung bestanden.

Ein Paradies für Riesen und Feen

Um Viertel vor elf fahren wir los. Google schickt uns direkt auf die große, neue SS125var und prognostiziert 80 Minuten Fahrzeit. Da wechseln wir lieber auf die alte exSS125, mit der wir an einige ganz schöne Ecken kommen.

Auch schlechte Wege führen zum Ziel

Bei Museddu suche ich die Nuraghe Perd'e Pera, die zu den am nächsten am Meer gebauten der Insel zählt. Leider ist für den Laien nichts mehr von ihr zu sehen – ich stehe mittendrin und habe als Anhaltspunkt nur die Beschilderung des Nuraghen-Weges.

Mit dem Domus de Janas in unmittelbarer Nähe läuft es leider nicht besser. Unser Auto bringt uns klaglos über einen üblen, ziemlich eingewachsenen Feldweg zum Startpunkt eines Fußweges, aber von dort aus geben wir nach etwa der Hälfte des Anstiegs auf. Es ist zu heiß, wir haben keine stabilen Schuhe an und die Disteln und sonstigen Stachelgewächse zehren auch an unserer Motivation.

Außerdem liegen überall große Knochen in der Sonne, und man hört ja immer wieder von verschwundenen Touristen ...

Kein Durchkommen für Auswärtige

Am Ende fahren wir nach Bari Sardo, trinken in der Bar zwei Cappucci und hören den alten Männern zu, die zwei Tische weiter Karten spielen. Die Bedienung zaubert uns Herzchen in den Milchschaum, wir zahlen drei Euro.

Gestern Murales, heute zeitgenössische Kunst

Der Weg aus der Stadt ist abenteuerlich. Google führt uns durch Gässchen, die kaum die Breite unseres schmalen Fahrzeugs haben und in Winkeln abbiegen, die man mit einer Schnur kaum bewältigen kann. Meine Frau fährt und schimpft ohne Erbarmen.

Über Tortolí erreichen wir Arbatax, was sich gut anhört, wo man aber auch nicht tot über den Zaun hängen möchte. Wir negieren links und rechts und fahren direkt in den Hafen, wo wir die Rocce rosse, eine Felsformation aus rotem Porphyr sehen und fotografieren wollen. Sie ist im echten Leben leider ebenso unspektakulär wie die Stadt, zumal der Blick inzwischen von dreifüßigen Betonteilen eingeschränkt wird.

Aber was fotografiert man nicht alles als Tourist ...

Natur-Schutz

Auch aus Arbatax bzw. Tortolí kommt man nur schwer und schon gar nicht geradeaus wieder raus. Und die Ausfahrt ist nicht sehenswerter als es die Einfahrt war. Wir freuen uns, dass wir irgendwann die SS198 erreichen, die uns kurvig und bergig nach Lanusei führen wird. Die Strecke ist tatsächlich fantastisch, aber in Lanusei steht uns die nächste Prüfung bevor.

Der Ort liegt in etwa 600 Metern Höhe, die Straßen winden sich steil durch die Stadt. Google führt uns perfekt zu unserem Hotel, allein, man kann es nicht erreichen. Die eine Zufahrt wird von zwei Autos blockiert, die andere ist zu schmal, um abzubiegen. Also fahren wir nochmal drei Kilometer um den Ort und halten bei zweiten Versuch einfach auf der Hauptstraße.

Wo der Sarde lebt

So kommen wir zu Fuß ins Hotel, der Chef kümmert sich persönlich um uns und stellt von Anfang an klar, dass wir nicht in Italien, sondern bei einem Sarden auf Sardinien wohnen werden. Das nehmen wir wohlwollend zur Kenntnis, er ist der erste Mensch hier, der sich so vorstellt. Unten im Hof feiern etwa 60 andere Menschen mit sardischer Lautstärke die Taufe eines neuen Erdenbürgers.

Nach Dusche und Pause essen wir unten im Restaurant. Wir teilen uns einen Tagligere di affettati e formaggi locali sowie Culurgionis tradizionali. Als Hauptgänge nehmen wir Filetto di pesce bzw. Tentacolo di polpo, und hinterher gibt's noch zwei Tiramisu sifonati.

Ein anstrengender Tag, viel gesehen, ein bisschen gelitten. Morgen Richtung Gennargentù.

Mittwoch, 18. Juni 2025

Frühling 2025 – 18. Juni: Villasimius

Schöner Ausblick

Die Gattin bleibt beim Müsli, ich nehme heute auch mal eins, ergänze es aber durch die bereits genannten Backwaren. Ansonsten sehe ich die Jammer-Tuss von vorgestern, sie telefoniert aktuell nicht, da sie mit Mama und Papa an einem Tisch sitzt.

Und damit bin ich bei dem Thema, das mich jetzt schon länger beschäftigt: Warum legen Frauen verschiedesten Alters, verschiedester Bauart und verschiedesten optischen Reizes neuerdings so umfangreich ihren Hintern zu Bräunungszwecken frei?

Als ich um die18 war und mit gleichaltrigen Mädels über Schminke, Nagellack und gewagte Kleidung sprach, hörte ich so gut wie immer: „Das mache ich doch nur für mich, nur weil es mir gefällt.“

Weniger schöner Anblick

Dieses meinerseits schon immer mit Zweifel behaftete, aber am Ende nie widerlegbare „Argument“ scheint mir hier unhaltbar. Zum einen erfordert es großen technischen Aufwand oder enorme körperliche Flexibilität (ich sage nur: Chinesischer Nationalzirkus!), um sich am Anblick seines gebräunten Hintern erfreuen zu können.

Zum anderen bin ich außerhalb von Badeanstalten kaum in der Lage, andere an meinem farblich optimierten Hinterteil teilhaben zu lassen. Denn meist steckt dieses Teil ja von Stoff verborgen in irgendwelchen Kleidern, Röcken, Hosen oder was auch immer.

Wenn es am Ende also nur darum geht, mit allem aktuell verfügbaren Weiblichen in Konkurrenz zu treten und allem aktuell verfügbaren Männlichen mit meinen vermeintlichen körperlichen Qualitäten den Verstand zu rauben, dann erscheint mir das doch ein sehr gefährliches Unterfangen. Einerseits, weil die Konkurrenz eventuell größer und ansehnlicher ist als gedacht. Andererseits, weil die eigene nackte Haut sich nicht nur gegen andere Hintern, sondern auch gegen andere freigelegte Bauteile konkurrierender Geschlechtsgenossinnen behaupten muss.

Sehnsuchtsort hinter Palmen und Pinien

Ich selbst gehe heute übrigens außer Konkurrenz ans Meer. Meine Haut kann eine Pause von der Sonne sehr gut gebrauchen, weshalb ich mich zwar auch hinlege, den Körper insgesamt aber eher bedeckt halte. Madame schwimmt weiter, als gäbe es kein Morgen.

Nach ausgiebiger Mittagspause und zweiter Einheit am Strand gehen wir gegen halb sechs in unser Apartment, buchen ein Hotel in Mantova – die Fähre nach Livorno haben wir gestern schon klargemacht – und gehen kurz nach sieben zum Apéritif.

Draußen schüttet es.

Das Abendessen nehmen wir deshalb drinnen ein: Selezioni di antipasti di mare e und Varietà di verdure vom Buffet, danach versehentlich bestellte Gnocchi di zucca bzw. Tortelloni di stracotto di manzo, gefolgt von Tonno scottato al sesamo und Agnello sardo in umidoDesserts gibt's auch: eine Sweet roll (= Bisquitrolle mit Crèmefüllung) und eine Pesca, das ist eine Kombination aus rohem und gekochtem Pfirsich.

Den Caffè gibt's in der inzwischen getrockneten Pool-Bar. Morgen fahren wir nach Lanusei.

Wir werden keine Spuren hinterlassen

Frühling 2025 – 17. Juni: Villasimius

Jeff Bezos heiratet nächste Woche in Venedig

Auch dieser Tag beginnt mit essen. Heute ohne besondere Vorkommnisse. Wir wollen nicht unerwähnt lassen, dass die eine von uns sich über ein naturbelassenes Müsli freut, was in den letzten Wochen kaum zu bekommen war. Der andere von uns erfreut sich mehr und mehr an dem variantenreichen Backwerk, das jeden Morgen angeboten wird.

Dazu ein, zwei Caffè – schon ist das italienische Frühstück fertig.

Wir machen heute mal: nichts. Vormittags im Wasser und am Strand liegen, mit Radfahren haben wir's bei 30 Grad im Schatten nicht so. Mittags ein bisschen Obst, Siesta und ab fünf wieder an den Strand.

Pauline macht heute Pause. Ihre Zweitbesetzung kommt aus Italien und hat einen größeren Bruder namens Alessandro.

Mutter und Tochter ruhen engumschlungen auf einer der Liegen. Alessandro ärgert seine Schwester. Beide schreien sich an, schlagen mit grüner bzw. roter Schaufel aufeinander ein, die Tochter rettet sich zur Mutter, Alessandro wird wiederholt zur Ordnung gerufen.

Daher kennen wir seinen Namen.

Irgendwann ist im Stück der Punkt erreicht, an dem Alessandro zur Staffage degradiert wird und sich still und teilnahmslos zum Spielen in den Sand verzieht. Das es soweit ist, merkt er daran, dass sich seine Schwester schreiend über die Beine der Mutter wirft und dieses Schreien in den nächsten Minuten, manche sagen: Stunden, zwar durchaus variiert, aber um keine Nuance reduziert.

Wenigstens eine, die hier nicht bloß den ganzen Tag rumhängt

Die Mutter lässt sich erstmal nicht beeindrucken, setzt sich dann auf und nimmt die um sich schlagende und strampelnde Tochter auf ihren Schoß, tätschelt sie und spricht sanft auf sie ein. Italienische Gäste rundum interessieren sich nicht für die Situation, deutsche schütteln die Köpfe.

Wir gehen um kurz nach sechs duschen. Das Schreien hört nicht auf. Direkt am Strand singt und tanzt eine Gruppe von etwa zehn fröhlichen Kindern unter Anleitung der hauseigenen Animateure.

Ein paar Schritte weiter hüpft eine Gruppe Spatzen aufgeregt auf dem Weg herum. Sie jagen eine dünne, schwarze, etwa 1,20 Meter lange Schlange, die sich – was sonst könnte sie tun –quer über den Weg schlängelt. Wahrscheinlich geht es darum ein Nest vor dem Räuber zu schützen. Die Aktion dauert knapp fünf Minuten, dann hat sich die Schlange weit genug entfernt, und alle anderen gehen bzw. fliegen ihres Weges.

Wenigstens einer, der hier den Überblick hat

Der Sella & Mosca-Sprudel von gestern ist überraschend schnell ausgetrunken, da werden wir morgen improvisieren müssen.

Das Abendessen beginnt mit neuen Selezioni di antipasti di mare e und Varietà di verdure vom Buffet, es folgen zwei Mal Cannelloni al ricotta e spinaci und zwei Mal Filetto di manza. Dessert gibt's heute wieder individuell: einen Brownie con popcorn und eine Campagna, was sich als Minzcreme mit gerösteten Nüssen erweist.

Pauline hat am Abend dann doch noch ihren Auftritt.

Bei bester Laune rennt sie die üblichen Wege, erweitert ihren Radius sogar in Richtung des Gartens und macht dann einen entscheidenden Fehler: Sie fordert ihre Oma heraus. Die Dame war in den letzten Tage weitgehend unauffällig, hat aber sehr gut aufgepasst. Kaum, dass die Enkelin ihr kleines Spielchen beginnt, hält Oma mit hoher Geschwindigkeit dagegen.

Pauline versteht sofort, dass sie gegen diese Frau keine Chance hat und stellt weitere Aktivitäten ein.

Die zweite Flasche des hervorragenden Rotweins zum Essen hätten wir an der Bar trotzdem nicht zwingend ordern müssen.