In jeder Beziehung besser als in der Schlange stehen |
Aufstehen um kurz nach fünf, Dusche, kleines Frühstück in der Kabine und dann nach oben in die Bar, wo es Cappuccini und Croissants ohne Anstehen gibt. Zumindest das haben wir auf dieser Reise gelernt: Frühstück auf Fähren nie vorbestellen!
Bis dahin läuft alles super, aber dann stehen wir lange und ohne nachvollziehbaren Grund vor der Treppe, die runter zu den Autos führt. Es folgen unverständliche Durchsagen, bis wir einfach mal nach vorne treten und mit runtergehen, obwohl wir gar nicht dran sind. So kommen wir schnell ins Auto, und dann geht es plötzlich auch schnell runter vom Schiff.
Wenn es dann geht, wollen natürlich alle schnell raus, und auf den schmalen Straßen des Hafens von Livorno treffen heimwärts orientierte Urlauber auf den alltäglichen Lieferverkehr im Hafen. Um sein Fortkommen zu verbessern, macht der Italiener aus den drei markierten Spuren der Straße gerne auch mal vier, was in einem der Kreisel dazu führt, dass ein PKW mit einem LKW in unerwünschten Kontakt kommt und dadurch der ganze Verkehr längere Zeit aufgehalten wird.
Wir biegen zwischendurch noch falsch ab, kommen aber schnell zurück und dann geht es tatsächlich durch weites Hafengelände und auf abenteuerlichen Wegen raus aus Livorno. Google weiß, dass wir nicht Autobahn fahren wollen und schickt uns erstmal an der Küste entlang nach Tirrenia.
Auf rund zehn Kilometer Länge reiht sich links Bagno an Bagno und rechts Hotel an Hotel an Restaurant an Fachgeschäft für Strandartikel.
Am Ortseingang von Pisa entscheiden wir uns für eine Pause bei der Pasticceria Lilly. Nicht weit entfernt finden wir einen Parkplatz neben einem Stuttgarter Porsche und rümpfen erstmal die Nase. Aber dann kommt ein Pärchen die Straße entlang und bietet uns auf Englisch die restliche halbe Stunde seines Parktickets an.
Es sind natürlich die Porschefahrer, die ebenfalls heute früh aus Sardinien in Livorno angekommen sind. Allerdings sind sie von Olbia gefahren, und die Abläufe und Zustände auf der Fähre schildern sie eher so, wie wir sie auf dem Weg nach Bastia erlebt haben. Sie kommen gerade von Lilly und können sowohl Caffè als auch Pasticceria empfehlen.
Nach der süßen Pause fahren wir nach Pisa ein, wir sind ja früh dran, da wird es rund um den Turm noch nicht überfüllt sein.
Tatsächlich finden wir in geringer Entfernung einen günstigen Parkplatz, aber als wir die Einkaufsmeile vor dem Zugang zum Domplatz passiert haben, stehen schon Hunderte von Touristen entlang des Weges und halten die Arme hoch, um für den befreundeten Fotografen den Turm zu stützen. Wir gehen zweimal um die Anlage, müssen auf den Dombesuch verzichten, weil der erst später öffnet.
Im Auto überlegen wir, mit welcher wohlklingenden Stadt wir uns nun die Zeit vertreiben und einigen uns auf Lucca. Die Altstadt ist von einer riesigen, immer noch sehr gut erhaltenen Festungsanlage umgeben und im Inneren von einem Netz quadratisch angelegter Straßen und Gassen durchzogen. Überall gibt es viel zu sehen, die zentrale Piazza dell'amphiteatro ist von Lokalen und Touristen übersät, und der Herrgott verlangt drei Euro Eintritt für den Besuch seines Domes.
Das ist dem Ungläubigen ein Hausbesuch nicht wert, wir ziehen lieber weiter durch die Gassen und erfreuen uns an den Auslagen der Parfümerien und Klamottenläden, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, den spontanen Bedarf der Durchreisenden zu decken.
Nach Besichtigung der Stadt essen wir ein bisschen was aus der Kühlbox, dann haben wir immer noch mehr Zeit als gedacht. Beim Blick auf die Karte sticht uns Montecatini Terme ins Auge. Den Namen kennt man, das ist nicht weit weg, und es sind nur rund 30 Kilometer Umweg zu unserem Hotel.
Die Stadt ist eine einzige Enttäuschung. Wir fahren neben einer Baustelle rechts ran und lesen bei Wikipedia, dass es einen regen Kurbetrieb gab und der hoch liegende Ortsteil schön sein soll: Montecatini Alto. Dort kommen wir aber nie an, weil wir auf dem Weg nach oben den Kurpark passieren und die alten Bauwerke sehen.
Einmal auf dem Weg, können wir zwar erst sehr spät wieder umdrehen, aber der Blick von oben macht das wett. Um halb drei stehen wir dann vor der Trink- und Wandelhalle, die noch immer betrieben wird. Leider richten sich die Kureinrichtungen mit ihren Öffnungszeiten nicht nach unserer Anwesenheit, sondern haben dann geöffnet, wenn wir nicht mehr da sind.
Das Ganze sieht auf jeden Fall beeindruckend aus, irgendwann reißen wir uns los, gehen zum Auto zurück und machen uns auf dem Weg zu unserem Hotel.
Was nun folgt, hatten wir nicht eingeplant, weil nicht erwartet. Zunächst geht es auf der E76 mit mehr als hundert Sachen – so schnell waren wir lange nicht mehr unterwegs – in Richtung Lucca zurück. Dann fahren wir auf verschiedenen Strade provinciale nordwärts durch eine Toscana, die aussieht wie eine proportional verkleinerte Schweizer Bergwelt.
Die Kurven haben wir auf den Inseln gut geübt, es geht also gut voran, aber die Ausblicke sind atemberaubend und wirken trotzdem irgendwie falsch.
Um kurz vor vier erreichen wir unser Hotel. Während der Gatte das Gebäude und die Lage einmalig findet, stört sich die Gattin an der sicher recht eigenwilligen Möblierung und sonstigen Bestückung des Hauses. Das ist weniger ein Hotel als ein privater Gastgeber mit vielen sehr großen Zimmern.
Von all dem unbeeindruckt gehen wir erstmal in den sehr großen Pool, den wir aber nach ca. zehn bis zwanzig Bahnen wieder verlassen, weil die Tochter der Besitzerin mit ihren Freundinnen zunehmend Besitz davon ergreift. So ist das mit den privaten Gastgebern.
Wir duschen, ruhen noch ein bisschen und gehen dann in die historische Altstadt zum Essen. Anfangs geht das gut, aber nach zwei Dritteln des Weges führt eine schmale Gasse sehr steil aufwärts. Das mag die Hüfte gar nicht.
Die Osteria ist eine Empfehlung der Gastgeberin, sie ist um halb acht kaum besucht. Wir bekommen einen schönen Tisch auf der Veranda, trinken einen Apéritiv (wer nimmt den Spritz, wer den Wein?) und schauen, was wir gerne essen möchten.
Die Entscheidung fällt für den Piatto dell'Osteria, eine Mischung von Wurst, Käse und Bruschette, anschließend gibt es einmal Ravioli al ricotta e pomodoro und einmal Strozzapreti al ragù di salsiccia. Dazu einen günstigen, aber guten Sangiovese della casa und hinterher noch Tiramisu und Torte alle pere e cioccolato.
Während wir sitzen, lernen wir, das Barga in großer Zahl von Engländern frequentiert wird. Auf dem Heimweg lernen wir, wie die Mülltrennung in Italien funktioniert: Jeder sammelt seinen Müll in seiner Tüte und stellt sie vor seine Tür.
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