Typisch deutsch: nach Italien fahren, um zu baden |
Wir frühstücken heute lieber drinnen, im karg möblierten Buffet-Zimmer.
Draußen regieren fünf rauchende Italiener. Die direkten Nachfahren der Erfinder des Machismo sitzen in lautstarker Unterhaltung um eine imaginäre Piazza, haben die Beine gleichzeitig weit gespreizt und ausgestreckt und den schönen Innenhof auf diese Weise vollständig unter ihre Kontrolle gebracht.
Wahrscheinlich diskutieren sie das Für und Wider des Genderns.
Auf dem Weg an den südlichsten Punkt unserer Reise fahren wir nochmal durch die Costa Verde. Einige der Orte haben wir gestern schon gesehen, es geht viel rauf und runter, es gibt viele deutsche Camper auf den schmalen Straßen. Einer hat mehr Ähnlichkeit mit einem Linienbus als mit einem Wohnmobil.
Ab Guspini fahren wir in die Berge, und in der Folge macht das Gebiet seinem Namen nochmal richtig Ehre. Grün in unzähligen Tönen und Schattierungen. Über Arbus, Fluminimaggiore bis nach Iglesias, einer überraschend großen Stadt am südlichen Ende der Costa Verde. Unsere Mittagspause machen wir in Fluminimaggiore. Gennaro hat seine neue Bar erst vor zwei Tagen aufgemacht, die Mädels sind noch motiviert.
Der Ort feiert heute das Fest von San Antonio, alles ist geschmückt, und viele Männer in alten sardischen Trachten sind auf den Straßen unterwegs – toll, was sich diese Sarden alles für uns einfallen lassen.
Was uns bei Gennaro wieder negativ auffällt, ist, dass überall die mehr oder weniger gleiche Scheißmusik läuft. Die einen düdeln irgendwelche Spotify-Playlists mit bekannten Pop-Hits, die von unbekannten, aber geschäftstüchtigen Produzenten in die Neuzeit remixed werden. Die anderen wählen für ihre Kunden und sich das Seichteste von Kenny G. bis David Sanborn.
Die italienische Bar auf ihrem Weg in die Moderne |
Nicht weit hinter Fluminimaggiore warten dann noch zwei interessante Sehenswürdigkeiten auf uns: die Miniera di Su Zurfuru und die Grotta di Su Mannau – beide geschlossen.
Sardinien für Kurventechniker |
In Iglesias decken wir uns in einem etwas schrägen Supermarkt noch mit ordentlich Wasser ein, dann geht es auf der SP85 weiter. Zuerst ein Stück durchs Industriegebiet, dann durch die Dolomite Sarde, ein weitläufiges Wandergebiet, dessen Kurvenstraßen denen der Costa Verde in nichts nachstehen.
Hinter Tratalias kommen wir wieder auf die SS195 und fahren vorbei an mehreren aufgelassenen Case cantoniere, den alten Straßenbau-Meistereien, die im letzten Jahrhundert von der ANAS gebaut wurden und heute zum Teil privat genutzt, in der Mehrzahl aber dem Verfall preisgegeben sind.
Für den Unterhalt der Straßen gebaut, heute nicht mehr unterhalten |
Zwischen Sant'Anna Arrest und Teulada fahren wir entlang eines riesigen Armeegebietes – kilometerweit eingezäunt und mit einem Stacheldraht-Y obendrauf – und kommen für heute zum letzten Mal durch äußerst bergige Landschaft, die so schön wie anspruchsvoll zu fahren ist.
Unser Hotel liegt eher an der Straße als am Meer. Wir haben es gebucht, weil wir in unserer nächsten Station erst ab Sonntag ein Zimmer kriegen konnten. Nun müssen wir mit einer etwas zweifelhaften Auslegung von „Urlaubshotel“ leben, aber das schaffen wir schon.
Das Zimmer ist in Ordnung, die Leute geben sich Mühe – auch, wenn sie lieber ihr schlechtes Englisch als unser schlechtes Italienisch mit uns sprechen würden.
Komm', wir gehen zum Sarden: Culurgionis artigianali tradizionali |
Das ehemalige Hotel-Restaurant ist Geschichte, wir müssen also zehn Kilometer nach Pula fahren, um den täglichen Kalorienverlust auszugleichen. Die Gattin hat einen Hort sardischer Küche entdeckt: Sa Domu Sarda.
Wir bekommen ohne Reservierung einen Tisch, das Ambiente ist gleichzeitig rustikal (einfache Holztische, rot-weiß karierte Tischdecken unten) und fein (ordentliches Besteck, Stoffservietten, Stofftischdecken oben). Der Service ist ausgezeichnet, das Essen und der Wein auch.
Vor allem gibt es Sachen, die es sonst bisher noch nirgendwo gab. Wir teilen uns eine Sfoglia di carasau con caponata e ricotta fumata, anschließend nimmt er Malloreddus a sa campidanesa, sie die oben abgebildete Leckerei, und als Hauptgang gibt's Il maiale alla cacciatora und Filetto di manzo.
Am Ende packt uns der Kellner einen Teil des Filetto ein, wir reservieren für morgen gleich nochmal und machen, dass wir ins Bett kommen.
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