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Montag, 18. April 2022

Deutschland ohne e – die 6. Etappe: Veronika, der Raps ist da!

Höxters Weltkulturerbe wird für die BuGa aufgehübscht

Ein toller Tag. Landschaftlich, wetterlich und sonstich.


Irgendwie sind wir heute gut erholt und entsprechend früh dran. Beim Aufstehen, Frühstücken und Auschecken. Durch die vielen Baustellen und Sperrungen gestaltet sich die Ausfahrt aus Höxter etwas komplizierter, aber ein Paar, das wir nahe des Hotels treffen, bringt uns in die richtige Spur: vorbei an Schloss Corvey und auf den Radweg gen Bodenwerder.


So schön reist man auf Deutschlands beliebtesten Radweg

Wir rollen gut eingepackt (neun bis elf Grad) am Fluss entlang, passieren Holzminden und wohnen irgendwo hinter Polle der Rettung und Heimholung eines ausgebrochenen Pferdes bei, das in seiner Not ein Stück mit uns galoppiert war.


Aufregung allenthalben!


Gegen halb eins machen wir an einem Rastplatz mit Schutzhütte Mittagspause. Am Rastplatz steht ein Ehepaar unseres Alters, mit dem wir ins Gespräch kommen, in der Schutzhütte liegt ein schnarchender Mensch im Schlafsack.


Wir essen schön, anschließend gratuliert die Dame des Hauses ihrem Großneffen zum achten Geburtstag (Digitaluhr und Fahrrad mit 21 Gängen), dann geht’s weiter in Richtung Hameln. Unterwegs blüht überall der Raps, sind überall unterschiedliche Vögel zu sehen und zu hören und fliegen immer wieder die buntesten Schmetterlinge auf bzw. ein Stück mit.


Touristen an allen Ecken!

Je später der (Nach)Mittag, desto frequentierter der Radweg. Heutiger Höhepunkt ist Hameln, wo sich praktisch die ganze Welt am Weserufer trifft. Wir stoppen kurz, knuspern einen bröckeligen Energieriegel eigener Herstellung und machen uns auf die restlichen 30 Kilometer nach Rinteln.


Das geht ganz passabel, um kurz nach vier rollen wir über die große Weserbrücke und steuern den ersten Eissalon rechts an, wo wir einen Platz finden und gleich mal die Glückogenspeicher auffüllen. Danach zum Hotel, das in vielen Bereichen umgebaut wird und deshalb z.B. über kein Restaurant mehr verfügt.


Zeugnisse großer Geschichte, an jedem zweiten Haus in Rinteln

So müssen wir uns nach Körperpflege und kurzer Pause auf die Suche nach Verpflegung machen, was sich als schwieriges Unterfangen erweist. Rinteln ist eine Stadt mit Geschichte, aber an vielen Stellen leider in erbärmlichem Zustand. Anziehende Lokale finden wir keine, der Weg durch die Straßen ist deprimierend, am Ende landen wir im Mosquito, wo es alle Speisen aus allen Küchen der Welt gibt. Plus Bier, plus Cocktails, plus Disco aus den 60ern, 70ern und 80ern.


Altes Herz wird wieder jung.


Das Essen ist überraschend gut, die Musik gefällt jungen Leuten (sagt der Kellner), leider treffen Teile des Essens im Zuge der Nahrungsaufnahme auf die Hose, da gibt es Arbeitsaufwand nach Rückkehr ins Hotel.


Kurz vor dem Zahlen tritt Esma durch die offene Tür. Es ist kurz nach acht, die junge Dame führt einen migrationshintergründigen Familienverbund von fünf Personen an und nimmt das Lokal im Handstreich. Die Kellner stellen zwei Tische für die Teilnehmer zusammen, peu à peu kommen weitere Gäste hinzu, am Ende sitzt man zu acht beisammen.


Die eingangs erwähnte etwa Dreijährige hat inzwischen das Innen- und Außenleben des Lokals erkundet und sitzt entspannt auf Mutters Schoß. Wir haben aus erster Hand erfahren, wie weit sich die Realität in der deutschen Provinz von unserer Vorstellung entfernt hat.


Mit dem Deutschland, in dem wir aufgewachsen sind, haben viele der Orte, durch die wir in den letzten Tagen gefahren sind, nichts mehr zu tun. Diese Form der Integration kann man gut oder schlecht finden, sie ist in jedem Fall eine Tatsache.


Münchhausen, Rattenfänger – lauter große, deutsche Charaktere