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Mittwoch, 31. Mai 2023

La France avecque ... les passages étroits, les vrais

Achtung, gleich kommen sie wieder raus


30. Mai 2023


Heute haben wir nicht viel vor. Etwas mehr als 80 Kilometer, kaum Höhenmeter, viel bergab, da bleiben wir gern etwas länger liegen. Nach dem Aufstehen hat Madame Schwindel. Wir gehen trotzdem frühstücken. Das Angebot ist ok, erreicht aber leider nicht das Niveau des Preises.


Das Haus ist fest in englischer und niederländischer Hand. Der betagte Brite trägt blaue Shorts à la Dr. Livingston in Kombination mit burgunderroten Kniestrümpfen. Der beige Flechtgürtel ist elegant unter den Bauch verlegt.


Die Niederländer sind allesamt -innen. Zwei von ihnen sind in hellblaue Radtrikots gekleidet (Les huit ptites??) und machen einen sportiven Eindruck, die anderen tragen Freizeit. Allen wohnt eine körperliche Distanzlosigkeit inne, wie man sie in unseren Breiten einfach nicht findet.


Zwischendurch taucht noch der unvermeidliche Hesse am Buffet auf und fragt seine Frau: „Wo sinn denn die Brötcher?“


Da es der Gattin nach Futter und Tee besser geht, starten wir gegen halb elf die Abfahrt von Sancerre. Draußen fahren die Niederländerinnen mit sechs älteren Herren in hellblauen Trikots auf den feinen Rädern aus der Garage vorbei. Teilweise muss man sich um die Tragfähigkeit der Rahmen Gedanken machen.


Unser Weg ist wesentlich abwechslungsreicher als in den letzten Tagen. Leider kann man die Schönheit und den Wechsel der Landschaft nur bedingt genießen, da die Piste immer schwerer zu befahren ist und wir uns darauf konzentrieren müssen, dass wir uns und die Räder unfallfrei gen Norden bringen. Unser Hotel lässt uns erst ab 16.30 Uhr rein, wir haben also reichlich Zeit.


Fürs Mittagessen müssen wir noch ein bisschen einkaufen, das machen wir in Neuvy-sur-Loire. Der ProxiMarché am anderen Ufer ist schwer zu erreichen, aber gut sortiert, und hat wohl seit Monaten keine Kunden außer uns gesehen.


Wir verspeisen das Erworbene auf einer Bank an der Kirche in Belleville, wo der État dem Städtchen noch eine Bellecentrale nucléaire am Loire-Ufer spendiert hat. Die Polizei fährt elektromobil vorbei und grüßt freundlich. Das Thermometer zeigt 24 Grad, der Wind weht kräftig aus Nordosten.


Heute mehr Abwechslung am Kanal


Wir folgen weiter dem Kanal, vorbei an Beaulieu-sur-Loire und Châtillon-sur-Loire. Die Strecken bleiben abwechslungsreich und schattig, zwischendurch schwimmt immer mal wieder die Loire rechts vorbei, leider erfordern die unbehandelten Oberflächen der Wege unsere volle Konzentration.


Bei Briare erwartet uns der nächste Pont-canal. Und diesmal meint es der Franzose wirklich ernst. Bis vor ein paar Jahren war es die größte Kanalbrücke ihrer Art, auch als Zweitplatzierte hat sie nichts von ihrer Wirkung verloren.


Aus der Zeit, als große Bauwerke noch große Kunstwerke waren

Neue Nutzung an altem Standort


In der Folge geht es durch eine intensiv bewirtschaftete Kulturlandschaft, Viehweiden und Äcker wechseln sich links und rechts des Weges ab. Angebaut wird alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Von der Fahrt in umgekehrter Richtung vor zwölf Jahren erinnern wir uns an nichts mehr, noch nicht einmal die Kanalbrücke hat Langzeit-Eindruck hinterlassen.


Frongreisch, mohn amour


In Gien (rive gauche!) gibt's noch einen Café crème für die letzten Kilometer. Eine ortsansässige Dame hält den Kellner und seine Chefin auf Trab. Gegenüber rollt der Reisende im karierten, offenen Hemd vorbei, den wir heute zum vierten oder fünften Mal sehen. Er hat einen kleinen Camping- oder Anglerstuhl dabei und rastet, wo es ihm passt, beneidenswert.


Gien, die Kulissenstadt an der Loire


Jetzt hätten wir auf den Damm fahren müssen, aber davon wissen wir nichts (s.o.). So folgen wir dem vertrauten EV6-Zeichen und gondeln auf kleinen Straße übers Land. Es geht rauf und runter, die Entfernung nach Sully-sur-Loire nimmt nach Ortsdurchfahrten teilweise zu, und es wird später.


Teilweise wird es auch gefährlicher, denn die kleinen sind auch sehr schmale Straßen. Und wenn der entgegenkommende Bus bereits drei Viertel des Weges belegt, dann wird es für den uns unbedingt noch überholen müssenden Kleinlaster so eng, dass er rechts durchs Bankett rauscht und auf uns keine Rücksicht nehmen kann.


Immerhin: Das heftige Aufblenden des Busfahrers ignoriert er auch.


À Sully c'est très Château


Unser Hotel erreichen wir gegen 18 Uhr. Monsieur hilft uns, wo er kann, aber einen Tisch hat er nicht mehr für uns. Alle 25 Plätze im Restaurant sind vergeben, wir hätten anrufen müssen, meint er. Das hatten wir halt nicht gemeint.


So landen wir in der Castle Tavern vorne am – richtig! – Château. Das Angebot entspricht in etwa dem aus Nevers und Sancerre, da fühlen wir uns gleich wie zu Hause. Unsere Kellnerin ist allerdings besser drauf als alle anderen. Sie scherzt mit den Leuten und spricht mit ihren britischen Gästen ein Englisch, wie man es in der Tavern erwarten darf.


Zurück im Hotel nehmen wir die Räder vom Strom, legen uns hin und träumen von Johanna.


Dieser Weg ist kein leichter gewesen