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Montag, 5. Juni 2023

La France avecque ... une petite cycliste

Chenehutte(n)

4. Juni 2023


Die Frühstücks-Atmosphäre im Mercure ist angenehmer als in den meisten unserer bisherigen Bleiben. Ruhiger, gediegener, altersgerechter. Leider ist das Frühstück selbst nicht so gut, wie wir es uns gewünscht hätten. Und auf der Terrasse sitzen nur die, die Extra-Pullis mitführen.


Wir packen, telefonieren mit zu Hause bzw. mit dem Hotel in Tours, das sich immer noch nicht wegen meines vergessenen Gurtes gemeldet hat. Dann holen wir die Räder und fahren zum Boulanger an der nächsten Ecke, wo bereits eine beachtenswerte Schlange steht.


Überwiegend alte Leute, da passen wir gut dazu. Auf dem grauen T-Shirt eines grauhaarigen Trägers steht: Rules are made to be broken. Ich bezweifle, dass er sich daran gehalten hat. Auf unseren Trikots steht (sehr klein) Gore. Daran halten wir uns schon seit über zehn Jahren.


Frankreich trocknet aus


Eine alte Frau steht etwas abseits der Reihe, schiebt sich aber rein, als sie sieht, dass ich mich auch anstelle. Im Vorwärtsrücken versucht sie, mit anderen Schlänglern ins Gespräch zu kommen. Generell hat sie eine gewisse Begabung, den Laden aufzuhalten. Die Boulangeuse fragt sie irgendwann entnervt: „Enfin, vous voulez qoui?“


Das beschleunigt die Geschäftsabwicklung. Kurz darauf bin ich vorne und schnell wieder draußen. Mit Baguette usw. in den Taschen queren wir danach die Brücke. Die Frau und der T-Shirt-Mann schlendern ins Gespräch vertieft auf der linken Seite. Passt.


Der freundliche Radweg-Planer schickt uns die ersten zehn Kilometer in die hohen und höchsten Wohnlagen Saumurs. Wir wundern uns, aber wir haben Motörchen. Nach Les Rochettes wird der Weg besser, wir überholen unsere Schatten-Bekanntschaft von gestern Nachmittag und fahren anschließend auf der Uferstraße durch schöne Orte, wie Chenehutte, Saint-Jean und Préban.


In Le Thoureil quert eine Frau von ungefähr gleicher Breite und Höhe im schulterfreien, gelben T-Shirt die Straße. Sie hat wohl eine Gîte gemietet, schaut nicht links, nicht rechts und vermittelt den festen Glauben, sie habe den Ort gekauft. Alle Bars und Restaurants sind prall gefüllt. Es ist Sonntag, es ist Mittag, es ist Urlaubsgebiet.


Le Prieuré de Saint-Maur


Bei Saint-Matheurin-sur-Loire fahren wir wieder über den Fluss, der Weg ist strategisch günstig ausgeschildert: Wer ihm folgt, fährt quasi direkt auf die Terrasse des Restaurants am Loire-Ufer. Wie es aussieht, haben schon viele alles richtig gemacht. Wir sind heute etwa 30 Kilometer gefahren, noch rund 25 bis Angers.


In La Sablonnière erwartet uns ein traumhafter Essplatz. Große Wiese, Tische teilweise schattig, teilweise sonnig, teilweise überdacht, großer Müllbehälter in angemessener Entfernung. Da bleiben wir gerne und essen fast alles auf, was wir noch haben.


Entsprechend gut gestärkt geht es weiter Richtung Angers, nach einiger Zeit begegnen wir einem Vater mit kleiner Tochter auf dem kleinsten Rennrad, das wir je gesehen haben. Zwei Abbiegungen weiter treffen wir auf alte Erinnerungen: Le bac de la Chevalerie.


Das Prinzip des Kettenziehens ist noch das gleiche, aber das Ufer ist komplett neu in Beton gegossen, etwa viermal so breit und wesentlich steiler als 2012. Erfreulicherweise kommen Vater und Tochter hinter uns her, so kann er uns beim Be- und Entladen helfen, und wir müssen nicht abpacken.


Deutsch-französische Übersetzer


Die Tochter freut sich darüber, dass sie ein tolles Rad hat. Der Vater ist stolz wie Bolle. Die Frage, ob sie gut mit der Schaltung zurechtkommt, bejaht er. Heute seien sie 40 Kilometer gefahren. Nicht besonders schnell, aber immerhin. Auf dem weiteren Weg holen wir das Gespann wieder ein und sehen, dass sie gar nicht schaltet. Sie erhöht bei Bedarf einfach die Kadenz.


Wenig später erreichen wir die ersten Ausläufer von Angers. Zunächst wird nur die helle Oberfläche des Weges schwarz, dann stehen die ersten Schieferstelen am Wegesrand. Und dann kommt der Parc des Ardoisières. Von der letzten Tour haben wir ihn noch in bester Erinnerung, aber die Durchfahrt ist auch diesmal wieder ein Ereignis.


Herzlich willkommen im Steinbruch der Geschichte


Am Ende des Parks wird es laut, auf dem Weg ins Zentrum kommen wir links an einem Roma-Lager vorbei, in dem Rémi und Démi den Sonntag feiern. Ein deutsches Ehepaar auf Pedelecs findet den Weg in die Stadt nicht mehr und bewundert, wie wir mit so viel Gepäck die letzte Steigung gemeistert haben. Die Gattin klärt sie auf, sie schauen die Räder an und glauben nicht, dass da irgendwo ein Motor drinsteckt.


Wir fahren ins Zentrum, am Schloss vorbei und haben beide das Gefühl, dass es eigentlich reicht für heute. Aber wir haben weiter westlich gebucht ...


Zwei Wahrzeichen Angers: Schloss und Schiefer


Und dann geht's auch erst richtig los.


Im Parc de Balzac und am Lac de Maine veranstalten die Sportvereine Angers ein großes Fest für den sportlichen Nachwuchs. Jeder kann alles testen, bei allem mitmachen. Außer den Radreisenden, die müssen absteigen und durchs Gewimmel schieben. Notgedrungen machen wir den vermeintlichen Spaß mit, anfangs wissen wir ja noch nicht, wie weit sich Park  und Seeufer erstrecken.


Aber auch das geht vorbei, wir sagen bei Julie und Aurélien Bescheid, dass wir erst gegen fünf ankommen.


Doch auch daraus wird nichts. An der Promenade in Bouchemaine ist die Hölle los. Am Ufer in La Possonnière findet ein Flohmarkt mit Musik und allerlei sonstiger Unterhaltung statt. Und überall ist der EuroVélo 6 nur schiebend zu benutzen.


Am Ende wird es knapp sechs, bis wir da sind. Wir schwatzen ein bisschen mit den Gastgebern, versorgen die Stromfresser und schaffen es um acht in die Pizzeria an der nächsten Ecke. Es sieht so aus, als wären alle Gäste der Mariniers gekommen.


Im Westen nichts Neues


Nach dem Essen gehen wir noch ein paar Schritte am Quai entlang, dann nehmen wir die Ladegeräte vom Strom und steigen die Treppe in unser Zimmer hoch. Morgen sind es 72 Kilometer bis Nantes.


Hier wurde heute wirklich so einiges veranstaltet