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Donnerstag, 26. Mai 2022

Deutschland ohne e – die 15. Etappe: Vatertag ist ein ganz besonderer Tag

Ick hev mol auf Priwall 'n Veermaster seen ...

Morgens grölen Betrunkene auf dem Platz vor dem Hotel in Lübeck, abends auf dem Platz vor dem Hotel in Wismar. Soweit man sieht, sind es nicht die gleichen Betrunkenen.


Spät raus aus Lübeck (Frühstück zu gut), nachdem der Weg klar war, ging es mit dem Wind im Rücken sehr gut voran. Irgendwo auf der Travemünder Allee überholt uns ein Rennrad, kurz vor der Herreninsel biegt der Fahrer ab, wir fragen uns, warum und wohin.


Die Antwort gibt's postwendend, denn auch wir kommen anders nicht weiter: Es geht zum Shuttle-Bus, der Radfahrer durch den neuen Tunnel (statt neuer Brücke) bringt. Auch wir werden auf- bzw. eingeladen, die Fahrt ist umsonst und dauert keine fünf Minuten. Von der Endhaltestelle fahren wir über Kücknitz nach Travemünde, wo uns schöne Straßenzüge mit alten, wieder jung gewordenen Häusern empfangen.


Vatertag ist der Tag der vielseitigen Transportgelegenheiten


Unser Ziel ist der Hafen, wo die Fähre zum Priwall ablegt. Der Kapitän fährt heute mal nicht direkt, sondern dreht zur Freude seiner Fahrgäste eine sehr schnelle 360-Grad-Runde auf dem Wasser und stößt ins Horn, um, wie uns von Mitreisenden erklärt wird, einen am Ufer liegenden Kreuzfahrer zu grüßen. Ansonsten geht es ihm hoffentlich gut.


Apropos Mitreisende: Da kommen tatsächlich Leute auf eine Fähre, die binnen drei Minuten von A nach B übersetzt, und versuchen innerhalb dieser Zeitspanne, sich vorzudrängeln. Armes Deutschland.


Der erste echte Strand, man sieht, woher heute der Wind weht


Der Hafen von Priwall wurde sichtlich renoviert. Neue Häuser, die verdächtig nach FeWo aussehen, breite Boulevards mit Geschäften und Lokalen, die verdächtig nach Nepp aussehen. Aber den Leuten gefällt es ...


Wir fahren natürlich erstmal wieder falsch, finden aber irgendwann doch den rechten Weg. Auf geschotterter Strecke geht es durchs Naturschutzgebiet entlang der Küste. Alle paar Kilometer stehen gut frequentierte Bänke und Buden mit Bier und Bratwurst. Garantiert keine Eintagsfliegen zum Vatertag.


Was ist nur aus der guten, alten Bahnsteigkarte geworden ...


Derart inspiriert, machen auch wir irgendwann Mittagspause. Wenig später erreichen wir Boltenhagen, wo an Christi Himmelfahrt ziemlich die Hölle los ist. Viele Menschen, viele Autos, viele Motorradgangs und viele FeWo. Es erinnert stark an Cuxhaven, wir brauchen schnell einen Affogato. Im Venezia werden wir fündig: sehr gute Qualität, auch beim Eis.


Mit dem Service klappt es nicht so gut, deshalb sind wir erst recht spät wieder auf der Straße. Infolge mangelnder Hotelangebote und einer überraschend hügeligen Küstenlandschaft (wir hatten heute die zweitmeisten Höhenmeter auf dem Zähler) ist aber schon klar, dass wir wohl nicht über Wismar hinaus fahren werden. Also ist keine Eile nötig.


Ein wirklich schöner Empfang in Wismar


Im Zentrum suchen wir uns ein Café und von dort ein Hotel. Das ist schwieriger als gedacht, denn die Stadt ist quasi ausgebucht. Nach mehreren erfolglosen Telefonaten müssen wir am Ende das teuerste Haus am Platz nehmen, es kostet knapp 100 Euro mehr als in Hamburg.


Das Zimmer ist ok, da Regen vorhergesagt wurde, buchen wir auch einen Tisch im Restaurant des Hauses. Es heißt „Joseph“ und gibt sich österreichisch. Das klappt allerdings nur bedingt – Achtung! Wir waren gerade in Hamburg bei einem sehr guten Österreicher – und liegt an vielen Unstimmigkeiten auf der Karte (Vogerlsalat im Mai??), kaum österreichischen Weinen, wenig geschultem Service und unserer insgesamt schwierigen Stimmung.


Diese vollgebauten, überlaufenen und teuren deutschen Küstenorte bzw. -abschnitte sind einfach nicht unser Ding ...


70 Jahre deutsche Teilung – unüberwindbar