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Sonntag, 22. Mai 2022

Deutschland ohne e – die 10. Etappe: Ein völlig unzusammenhängendes Bundesland

Das Motto (auch) für den zweiten Teil

Dieses Blog ist zu klein für diesen Tag!


Morgens das gute Frühstück im Hotel (und dabei die Erkenntnis gewonnen, dass die Maske im Leben der Menschen keine Rolle mehr spielt), dann die Räder aus dem Parkhaus befreit, am Hotel aufgepackt und mit dem großen M-Paket voller Dinge, die wir gestern noch gebraucht hatten, das nächste Hermes PaketShop angesteuert.


Von dort ging es auf die westliche Seite der Weser, dann durch Bremens nördliche Outskirts in Richtung Lemwerder (Niedersachsen), wo die Fähre auf uns gewartet hatte und mit unserem Auffahren ablegte. 3,80 Euro für zwei Räder samt Fahrern.


Der Wind machte dort weiter, wo er im April aufgehört hatte: 6 Bft aus der Richtung, in die wir fuhren. Die Landschaft war eher langweilig. Rechts Landwirtschaft, wahlweise mit oder ohne Kuh, Pferd, Schaf, Ziege, links Deich, dazwischen wir auf zwei Meter breiten und ebenso langen Betonplatten – kadong, kadong, kadong ...


Nach etwa drei Kilometern das erste Highlight des Tages: Bunker Valentin bei Rekum. Ein monströses Bauwerk der deutschen Kriegsmarine, das bis ins 21. Jahrhundert von der Marine genutzt und aus Fotos retuschiert wurde und z.B. auch auf Karten unsichtbar blieb.


Das Pendant zu der großen Anlage in Bordeaux


Auf den Bunker folgte der Grenzübertritt nach Niedersachsen. Die Kilometer gingen dahin, manchmal wusste der Wind nicht mehr, woher bzw. wohin er wehen sollte, da gab es tatsächlich auch mal Rückenwind. Im schlimmsten Fall führte seine Unsicherheit aber zu Wind aus schnell wechselnden Richtung, was zu heftigen Wacklern beim Fahren führte.


Insgesamt waren die ersten knapp 80 Kilometer langweilig. Die Landschaft eintönig, keine nennenswerten Ein- oder Ausblicke, nur die Schaltungen brachten etwas Abwechslung, denn das verbliebene kleine Blatt verträgt sich nur bedingt mit den neuen Komponenten.

Baustellenfahrzeuge erkennt man daran, dass sie durch Baustellen fahren


Und dann kam Bremens zweiter Teil: Bremerhaven. Extrem windig, extrem unattraktiv – wo gibt's hier einen Affogato?


Die junge Muslima mit Kind konnte die Frage nach einem Eissalon erst nach dem dritten Versuch beantworten, wir folgten ihren Gesten und landeten im Eiscafé Venezia im Zentrum der Fußgängerzone. Die Bedienung war klasse, die Affogati waren so-là-là, aber die parallel gelieferten Crèpes mit Nutella und Schokoladeneis waren der Hammer.


Tagesziel, nachmittags erreicht


Fazit der Gattin: „Jetzt können wir weiterfahren.“ Aufgabe des Gatten: Klarmachen von Bleibe und Abendessen, zumindest partiell: Das Hotel war keins mehr, aber der Betreiber bot uns noch ein Zimmer an, und das Restaurant daneben war ausgebucht, der Chef riet uns aber, es nach 19 Uhr zu versuchen. Danach fuhren wir tatsächlich noch weiter.


Ick hev mol in Bremerhaven 'n Dreimaster seen ...

Von der Fußgängerzone leitete uns die Streckenführung ins „Stadtbremische Überseehafengebiet Bremerhaven“. Vorbei am Zoo am Meer, an neuer Wohnbebauung, an schmucken Yachten und sonstigen Schiffchen.


Dann über eine Brücke, und plötzlich war Schluss mit Landrattens Küstenromantik: Logistik, Parken für Kreuzfahrer, Gleisanschlüsse waren jetzt das Thema. Links des Weges stand ein Kreuzfahrtschiff, das sich gut in die Frankfurter Skyline eingefügt hätte, rechts lag ein Schiff, das an einen Panzerkreuzer erinnerte, zur Reparatur. Eine sehr fremde und befremdliche Umgebung.


Die fassungslose Fahrt endete abrupt an einer in Abriss befindlichen Brücke. Da gab es kein Drüberkommen, wir mussten knapp zehn Kilometer zurück und auf der anderen Seite der Wasserader wieder hinauf. Dort ging es u.a. durch Pkw-Export-Außenlager mit weitläufigen Parkplätzen und voll beladenen Ganzzügen des Hauses Mercedes-Benz. Zwischendurch ein kurzer Stop am Dixi-Häuschen, danach weiter nordwärts.


Bremerhaven im Rückblick

Irgendwann fragt man sich, wie viele Infrastrukturprojekte dieser (und größerer) Dimension wohl weltweit gebaut wurden und erhalten werden, um unseren Lebensstandard und Lebensstil zu ermöglichen. Und man fragt sich, ob auch nur eines dieser irren Projekte aufgegeben werden könnte, um Energieverbräuche zu senken, um Klimaziele zu erreichen, um irgendein Schräubchen zurückzudrehen oder irgendwas zu ändern ...


Was folgte, nachdem uns das Stadtbremische Überseehafengebiet Bremerhaven wieder ausgespuckt hatte, waren noch etwa sieben Kilometer nach Wremen, dem südlichsten Punkt der Gemeinde Wurster Nordseeküste. Hier beginnt die Vermarktung und touristische Ausbeutung des Wattenmeeres (links vom Deich) und wir waren voll dabei.


Das Zimmer im Haus unserer Gastgeber war top und günstig. Das Abendessen im Nachbarhaus allerdings war nochmal eine deutliche Steigerung. Bei Familie Wolters gab es  regionale Produkte, die es woanders wirklich nicht gibt, z.B. Röhrkohl aus dem Wattenmeer oder Limandesfilet im Eimantel. Dazu feine Weine aus Rheinhessen, danach regionalen Käse und Rote Grütze – alles frisch, hausgemacht und bezahlbar.


Schollenfilet im Eimantel

So gingen wir beschwingt und gut gesättigt zur Schlafstatt. That's all there is and there ain't no more.



Mehr als erwartet: 100 Kilometer in zwei Häppchen