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Donnerstag, 1. Juni 2023

La France avecque ... une nettoyage à l'eau de pluie gratuite

Morgens um neun auf der Zeil von Orléans


1. Juni 2023


Warum kommen bloß so viele Engländer an die Loire und in die Bretagne? Sie sprechen kein Französisch, benehmen sich wie Wayne Rooney auf dem Fußballplatz und verderben – so zumindest mein Eindruck – obendrein die Preise.


Vielleicht wollen sie sich auch an den heute lebenden Franzosen dafür rächen, dass die früher lebenden Franzosen die Engländern zu ihrer Zeit öfter mal haben schlecht aussehen lassen. Der Kollege heute früh fragte die diensthabende Rezeptionistin jedenfalls ohne Rücksicht auf deren Englischkenntnisse: „You serve Aspartame or equal splendor?“ Die junge Frau suchte erfolglos die bereitliegenden Teebeutel ab, was dem Engländer viel Freude bereitete.


Der Franzose wiederum rächt sich mit Jeanne-d'Arc-Postern auf allen Ebenen des Hauses und einer breiten Palette an gleichnamigen Figuren auf dem Kaminsims. Und mitten in die Stadt hat er sogar noch eine große gestellt. Kleinkrieg, wie unter schlechten Nachbarn.


Heute sucht der Franzose in Orléans Nachwuchs für den Volleyball


Bei uns dauert heute alles wieder zu lange. Erst sucht die Gattin in zwei Hotels erfolglos nach ihrem Herzfrequenz-Sender, dann sucht der Gatte mit gleichem Erfolg den Laden, in dessen Schaufenstern gestern Abend diese schönen und bezahlbaren Gürtel lagen.


Damit wenigstens etwas am Vormittag funktioniert, fahren wir bei dem Boulanger unserer Frühstücks-Backwaren vorbei und erstehen ein kleines Pain jenesaispas sowie je zwei Croissants und Pains choc. Mit von der Partie ist ein homme sans domicile fixe, der einen kleinen Café bestellt und mit Kupfermünzen bezahlt. Seine Handrücken sind voller offener Stellen, entweder aufgekratzt oder von einer Krankheit befallen. C'est la vie, la vrai!


Bis wir loskommen, ist es entsprechend spät.


Kurz hinter der Stadt ist der Fluss wieder ganz der Fluss


Die Loire nimmt uns wieder freundlich auf. Der Wind weht günstig, wir rollen am südlichen Ufer in Richtung Beaugency.


Wo in Baugency der Abt wohnt


Bei Meung-sur-Loire fahren wir rüber aufs nördliche Ufer und erreichen mit Googles Hilfe den örtlichen Hypermarché von Super U. Die Gattin kommt begeistert und mit dem Erforderlichen zurück, nicht weit entfernt bietet sich ein  gutes Gelegenheit für ein opulentes Mittagessen am Weg.


Auch dieses Département lebt von dem Fluss, der es durchzieht


Nach dem Essen telefonieren wir noch ein bisschen, die Nachrichten aus Frankfurts Norden sind nicht erfreulich.


Der weitere Weg macht uns auf seine Weise ebenfalls nicht gerade froh. So schön er auch durch die Landschaft führt, seine Oberfläche aus weißem Sand und noch nicht getrockneter Bewässerung hinterlässt sowohl Staub als auch hochgespritzten Matsch an beiden Rädern.


Hinter Suèveres weichen wir deshalb kurz vom Weg ab und finden tatsächlich die erhoffte Tankstelle. Leider hat die Chefin nur einen Kärcher, keinen normalen Schlauch. Aber sie findet es nett, dass fremde Menschen mit ihr über solche Sachen sprechen und hat allerlei nicht zu realisierende Tipps für uns.


Wesentlich erfolgreicher sind wir dreihundert Meter zurück rechts. Da pflegt der Ortsansässige seinen Schrebergarten. Auch er findet es nett, dass fremde Menschen mit ihm über Gartenschläuche sprechen wollen. Im Gegensatz zur Tankstellerin hat er aber einige und ist vor allem auch bereit, sie für den guten Zweck bereitzustellen. Außerdem bietet er uns von seinen Kirschen an, die wir mangels Transportmöglichkeit leider ablehnen müssen.


Die andere Seite der Stadt


Frisch und sauber erreichen wir Blois, die Stadt in der wir schon 1988 auf unserem ersten Frankreich-Urlaub mit Kind Station gemacht hatten. Der Weg zum Hotel ist heute deutlich schwieriger, denn es liegt am höchsten Punkt der Stadt und wir kommen von ganz unten.  Wenigstens können wir im Vorüberfahren noch den Tisch fürs Abendessen reservieren.


Die Dame an der Rezeption ist sehr freundlich und bringt auch die Räder gut unter. Wir trinken einen Café, dann fahren wir aufs Zimmer zum Duschen. Um kurz nach sieben machen wir uns auf in die Stadt, um halb acht sind wir am Ziel unserer Wünsche. Das Essen ist gut, der Preis in Ordnung und der Kellner sehr umgänglich.


Von Ergrauten für Ergraute

Nach dem Essen machen wir noch einen Spaziergang durch die Stadt. Diesmal findet im Ort ein Marché nocturne mit Verkausständen, Live-Musik und Restauration statt. Wir hören den alten Männern kurz beim Musizieren zu, sprechen mit einem Schallplattenverkäufer und drehen den Kompass dann auf West.


Le chȃteau se trouve en haut


Vorbei am Chȃteau kämpfen wir uns aufwärts, schnacken noch kurz mit der Rezeptionistin und nehmen die Räder vom Strom. Ein zum Teil schwieriger Tag hat einen schönen Ausklang gefunden. Später schreibt ein konsterniertes Kind noch vom NS-Bild der deutschen Jugend in den Sechzigern. Das hatten wir seinerzeit live.


Schön, schön staubig und ganz schön freundlich

La France avecque ... la nuit aux deux hôtels

Nahe der Stadt und doch weit genug weg


31. Mai 2023


Wir frühstücken sehr gut (très français, nur Baguette, viennoiserie et confiture) und schauen anderen Ehepaaren beim gemeinsamen alt werden zu – bedenklich.


Auf dem Weg aus der Stadt kaufen wir Bananen für den weiteren Weg, dann geht's über die Brücke und entlang der Wiesen, Äcker und Wälder in Richtung Nordwesten. Kurz nach Les Braudins fahren wir auf einen Spielplatz am Loire-Ufer zu, er ist gerammelt voll mit Müttern und Kindern – wo die wohl alle herkommen?


Die Frage wird nach der nächsten Ecke beantwortet: aus Le Port. Der kleine Ort besticht mit unaufdringlich feinen Häusern, leider ist es schon nach wenigen Umdrehungen der Kurbel vorbei mit der Schönheit. Vorbei an Saint-Benoit-sur-Loire und Germingy-des-Près fahren wir in Richtung Chȃteauneuf-sur-Loire.


Vorher durchqueren wir ein Waldstück, das sich als Kleingärtnerkolonie auf sehr hohem Niveau entpuppt. Links und rechts des schmalen Weges stehen in gebührendem Abstand voneinander schöne und ausreichend große Holzhäuser auf ebenso ausreichend großen Grundstücken. Hätte man eine Bleibe in Sully, Chȃteauneuf oder gar Orléans, für diese Oase würde man die Fahrt am Wochenende gerne in Kauf nehmen.


Vor dem Café crème fotografiert, danach überquert


Nach Chȃteauneuf zeigt sich die Strecke wieder sehr abwechslungsreich: Asphalt und feiner, weißer Kies wechseln sich am Boden ab, Felder, Wald und bebauten Boden sieht man vom Fahrrad aus.


Rechts des Weges schlängelt sich der majestätische Fluss mit seinen Inseln in der Mitte und den üppigen Vogel-Populationen dahin. Man kann verstehen, dass sich Leute mit dem nötigen Vermögen, abgesehen von der Nähe zu den jeweils Herrschenden, schon immer gerne am Ufer der Loire angesiedelt haben.


All jene erlebt man hier nicht nur auf Hinweisen, sondern täglich links und rechts des Weges


Wir siedeln erstmal nicht, sondern lassen uns vom frischen Nordostwind westwärts treiben. Nicht weit vom gegenüber liegenden Flughafen Orléans stellt uns der Straßenbau ein nicht zu überwindendes Hindernis samt Déviation in den Weg. Ab- und Aufstieg sind nur schiebend zu bewältigen, und das alles wegen etwa hundert Metern Länge der Arbeiten.


Nur Jean-Jacques Sansbagage kommt hier fahrend rauf und runter


Nach der Mittagspause fahren wir in Orléans ein. Mit dem Hotel ist es heute etwas problematisch. Die Wahl der Gattin scheint uns zunächst zu teuer, dann finden wir andere Anbieter, die das gleiche Haus deutlich günstiger anbieten. Leider werden die Buchungsprozesse ohne Buchungsbestätigung abgebrochen, so dass wir zuerst einmal in besagtes Hotel fahren müssen, um unseren Status zu klären.


Der Weg in und durch die Stadt ist beileibe kein Vergnügen. Gesperrte Straßen, starker Verkehr und unklare Anweisungen von Google Maps bringen uns eher zur Verzweiflung als voran. Im Hotel erfahren wir dann, dass wir tatsächlich eingebucht sind und bereits bezahlt haben. Also rauf aufs Zimmer, entsetzt sehen, wo man gelandet ist, und duschen.


Die Stimmung ist im Keller. Dabei ist die Stadt so schön.


Da gibt's nur eins: Um 17 Uhr schauen wir uns das Hotel an der nächsten Ecke an. Es ist auf den britischen Geschmack eingerichtet und hat noch genau ein Zimmer frei. Das gefällt und reicht uns. Wir holen nebenan den Löwenanteil unseres Gepäcks und ziehen um, die Räder, Helme und einige Taschen übernachten drüben.


Was man so sieht, wenn man durch Orléans streift


Die Rezeptionistin im L'abeille empfiehlt uns La parenthèse, ein Restaurant, das leider nur vormittags zwecks Reservierung erreichbar ist. Sie empfiehlt uns außerdem, einfach hin zu gehen und unser Glück zu versuchen.


Unser Glück ist leider nicht in ausreichender Menge verfügbar. Das Haus ist in der Regel auf 14 Tage ausgebucht. Ich bitte den Patron um einen Tipp, er hat drei, empfiehlt aber mit Nachdruck L'essentiel. Wir rufen an, reservieren für 20 Uhr und drehen noch eine Runde durch das Viertel rund um die Markthalle. Dann setzen wir uns in die Bar an der Markthalle, trinken ein Bier zum Apéritif und buchen für die kommende Nacht in Blois.


Orléans ist stolz auf über 2.000 Jahre Geschichte


Das L'essentiel beweist sich als sehr gute Wahl bzw. Empfehlung. Gutes Handwerk, schöne Ideen, angenehme Atmosphäre und feine Weine – besser konnte es kaum kommen.


Knapp drei Stunden vom Land ins Getümmel