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Sonntag, 17. April 2022

Deutschland ohne e – die 5. Etappe: Frohe Ostern beginnen mit leichtem Rückenwind

Morgens durchs Tal der Weser nach Wesertal

Morgens ziemlich kühl, mittags schön in der Sonne sitzen, nachmittags im Schwimmbad.


Das Frühstück in Hann. Münden war so zwiespältig wie das Hotel: Man sträubt sich dagegen, nimmt es aber mangels Alternative hin. Am Ende hat sich sogar jeder von uns noch ein Brötchen zum Mitnehmen geschmiert und hübsch in eine Serviette verpackt.


Die ersten 40 Kilometer verliefen auf guten Wegen entlang der Grenze zwischen Hessen und Niedersachsen, in der Regel ein paar hundert Meter vom Fluss entfernt. Die Landschaft kann man als schön bezeichnen – weite Blicke, leichte Hügel links und rechts der Weser –, wäre die Vegetation schon weiter, die Temperatur höher … aber dann wären auch mehr Leute unterwegs.


Hinter Wesertal dann das Highlight zum Tage: zwei wirklich gerade geborene Osterlämmer. Mutter Schaf trug die Nachgeburt noch mit sich herum, am mobilen Zaun drängten sich sechs bis acht andere Radfahrer, filmten, knipsten, schwatzten, da machten wir ungefragt mit.


Plötzlich Mutter, eine Ostergeschichte

Ca. 15 Kilometer weiter erreichten wir Bad Karlshafen, nahmen gleich eine der ersten Bänke in Beschlag und telefonierten beim Mittagessen (Brötchen und Ei aus s.o.). Nach dem Essen entdeckten wir den Rest, das heißt: das Zentrum der Stadt. Hübsch gemacht, aber wohl auch eine der vielen deutschen Kleinstädte mit ungewisser Zukunft.


Hessen wird ab hier von Nordrhein-Westfalen als links-weserischer Begleiter abgelöst, so geht das manchmal in Dreiländerecken.


Hessens nördlichste Stadt, zieht alle(s) irgendwie magisch an


Leider liegt das Stadtzentrum nicht am Radweg, so dass wir wieder ein paar Meter zurück müssen. Dann geht es weiter durchs regionale Auenland und seine Naherholungsgebiete. Immer wieder mal links oder rechts des Ufers geschmückt von weitläufigen Caravan- und Camping-Ausstellungen.


Gegen halb zwei erreichen wir Beverungen, das mit feinen Grünanlagen und Immobilien in Ufernähe punkten kann. Außerdem wartet die Stadthalle mit illustren Fernsehgästen, wie diesem und jenem auf.


Schön am Ufer, weniger nah weniger


Das ist ganz klar der rechte Ort für unseren täglichen Affogato, also links weg vom Ufer, hinauf auf die Hauptstraße. Es ist zum Heulen: abgefuckte Läden mit allem, was der Mensch nicht braucht, provinzielle Auto-Poser, das glatte Gegenteil der feinen Uferpromenade. Beim Italiener setzen wir uns zu einem Balkanesen, der uns den gerade frei gewordenen Tisch weggeschnappt, aber nichts gegen unsere Gesellschaft hat.


Ein mutiger Schritt: Der Affogato ist der bisher beste der Tour.


Jetzt nur noch 15 Kilometer bis Höxter. Auch der Wind hat ein Einsehen mit uns, nach ein paar Kurven bläst er endlich aus der Richtung, aus der er für heute ganztägig vorhergesagt war: von hinten.


So sausen wir die weitere Weser entlang, bis sich in der Ferne links des Weges die nächsten Menschen ansammeln. Wieder sind Schafe bzw. deren österlicher Nachwuchs der Grund, diesmal hat sich die rund 30-köpfige Herde allerdings fast verdoppelt. Einige der Lämmer sind so frisch wie die zwei heute Morgen und weichen dementsprechend nicht von ihren Müttern, andere sind schon ein, zwei Tage weiter und formen den vielköpfigen Schafskindergarten, dessen Mitglieder Bocksprünge üben, meckernd im Gras liegen und sonstiges Überflüssiges tun.


Madame ist kaum mehr weg zu kriegen.


Unser Hotel ist derzeit schwer erreichbar, da Höxter und Umgebung im nächsten Jahr die Bundesgartenschau ausrichten und dafür noch die gesamte Uferpromenade und viele innerstädtischen Straßen (um)gestalten müssen. Wir sind allerdings mit dem Traktor da, wir kommen überall durch.


Das Hotel ist drei Hotels in einem, oberflächlich getrennt, unterirdisch durch lange Gänge verbunden. Wir kommen in der Mitte der Anlage an, wohnen am östlichen Ende und gehen nach dem Duschen erstmal ins westlich gelegene Schwimmbad.


Dieses Hin und Her schlaucht ganz schön, da legen wir uns bis zum Abendessen noch ein bisschen hin.


Später dann (nach ungewollter aushäusiger Restaurant-Recherche) den vorletzten Tisch in der Corbie-Stube ergattert, wo uns Rosa („Ich habe dort früher getanzt.“) aufs Spanischste bedient. Flammkuchen und Matjes sind gut, mein Niedersachsen-Teller eher Standard. Im Fernsehen läuft später „Spectre“, da sieht man, dass es auch James Bond nicht leicht hat.


Hier gibt's Städtenamen, die man nur von den Etiketten von Bierflaschen kennt