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Dienstag, 19. April 2022

Deutschland ohne e – die 7. Etappe: Die Müh(l)en Niedersachsens

Vom Start bis zum Hotel: Mühlen, Mühlen, Mühlen


Die erste Hälfte der Fahrt war kein Vergnügen.


Langweilige Landschaft, wenig reizvolle Orte, häufige Wechsel zwischen schlechten Böden. Man wundert sich wirklich, warum Radfahrer so oft auf unwegsames Gelände dirigiert, warum Radwege mit weicher Oberfläche gebaut, warum die Reifen scharfkantigem Schotter ausgesetzt werden.


Mit dem Erreichen von Bad Oeyenhausen haben wir all diese negativen Vorgaben unfall- und pannenfrei gemeistert. An einem Tisch am Weserufer haben sich drei Herren und ein Pudel versammelt. Wir kommen ins Gespräch und werden quasi millimetergenau auf die folgenden Kilometer vorbereitet – inklusive rechtzeitigem Winken hinauf zum Kaiserdenkmal.


Bald darauf erreichen wir Minden und suchen eine Verpflegungsmöglichkeit, es trifft den einzigen REWE im Ort. Bei Witwe Boltes Hähnchengrill vor dem Markt treffen sich alle, die kein Geld, keine Arbeit, keine Perspektive haben. Oder sich gerne vom Witwer Bolte anschreien lassen möchten.


Einer von ihnen ist der bettelnde Junkie, der dort sitzt, wo ich mit den Rädern stehe, während die Gattin das Mittagessen erwirbt. Der Junkie bettelt kommende und gehende REWE-Kunden an und zahlt mit der Beute bei Wittwer Bolte die gewünschten Leistungen an. Natürlich gibt es dabei immer sofort Streit darüber, wie viel bereits bezahlt und wie viel noch beglichen werden muss. 


Kurz bevor wir wieder fahren, hat der Junkie ein Opfer gefunden, das ihn versteht. Der Mann setzt sich zum ihm und lässt sich in Ruhe erklären, dass eigentlich genug Geld da ist, um die Obdachlosen von der Straße zu holen, die Gemeinden das Geld nur leider falsch einsetzen. Außerdem sind 40 Prozent der Medizinstudenten Junkies auf Amphetaminen und Ritalin und man sollte sich beim nächsten Arztbesuch ruhig mal darüber Gedanken machen, ob der eigene Doktor einer dieser 40 Prozent war.


Hinter Minden bessere Piste, aber noch mehr Wind

Wir speisen auf der anderen Seite der Weser, sehen Skater, Spaziergänger und Radfahrer, die sich an uns vorbei auf den Weg in Richtung Norden machen, einige treffen wir nach der Pause wieder – z.B. den Vater mit zwei Söhnen von ca. drei und sechs Jahren, die beide sensationell Rad fahren.


Irgendwann erreichen wir Petershagen, wo uns neue Alltagsmenschen von Christel und Laura Lechner erwarten. An der Hauptstraße, vor dem Rathaus und beim Eiscafé Dolomiti, wo es heute den Affogato gibt.


Man fragt sich, wen man selbst wählen würde

Spätestens jetzt wird zwar der Weg besser, werden die Mühlen schöner (häufiger), merken wir aber die Wirkung der letzten Tage immer mehr. Und das liegt nicht zuletzt am Wind, der uns aus nördlichen Richtungen entgegen kommt.


Unser Ziel erreichen wir entsprechend spät, ein hübsch gelegenes Hotel, dessen Chef, Koch und Bedienung vor der Tür entspannt beisammen sitzen und uns freundlich aufnehmen. Zwei Stunden später sitzen wir geduscht und hungrig im Restaurant, schauen der 16-jährigen Bedienung beim Lernen zu und wundern uns über die hohe Qualität des Essens.


Zum Espresso die letzte Mühle des Tages

All's well that ends well.


Nur noch 200 Kilometer bis zur Küste