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Freitag, 19. Mai 2023

La France avecque ... les plaisirs de l'electromobilité

Abschied von Horben im Kreis Märklin


19. Mai 2023


Es lebe die Elektromobilität!


Der Umstieg auf Strom war tatsächlich eine unserer besseren Entscheidungen. Natürlich ist Radfahren mit Motor in vieler Hinsicht kein oder nur bedingt Radfahren. Aber mit Motor entspannt ankommen ist wesentlich besser als ohne Motor leiden.


Wir durften heute etwas länger schlafen, denn im Raben gab's erst um neun Uhr Frühstück. Die Hütte war über Nacht ausgebucht, im Frühstücksbereich sind dementsprechend alle Tische eingedeckt. Und wir kommen als Erste!


Das Essen gestern Abend war lecker wie immer, aber eigentlich nichts für ausgehungerte 100-Kilometer-Fahrer, deshalb essen wir heute alles auf, was Frau Disch uns hinstellt. Außerdem machen wir uns zwei Brötchen für die Fahrt. Ein anderes altes Paar ist dem Essen ebenso zugetan wie wir. Schon gestern Abend waren uns die beiden wegen ihrer ungebremsten Freude an Essen und Trinken aufgefallen. Heute schaut er mit glänzenden Augen die Etagere mit Wurst, Käse und Gemüse auf ihrem Tisch an und greift beherzt zu.


Um Viertel vor zehn holen wir die Räder aus dem Lager hinter dem Hotel. Die Goldschmiedin, die es derzeit als Atelier nutzt, ist schon da und begrüßt uns freundlich und unsere Gastgeberin sehr herzlich. Wir räumen das Lokal, packen draußen auf, verabschieden uns von Frau Disch und rollen um kurz nach zehn stadtauswärts.


Erst geht's steil hinauf, dann hinunter nach Langackern, wo wir nach links in Richtung Au abbiegen. Die kommenden fünf Kilometer hätten wir gestern nicht hochfahren mögen. Mehr als 12 Prozent Gefälle, teilweise flößt schon der Blick auf die schmale Straße ein mehr als nur mulmiges Gefühl aus. Aber die Scheibe bremst super, wir kommen gesund und munter runter.


Staufen ist im Winter irgendwie schöner (und auf jeden Fall leerer)


Aus Au geht es gleich wieder nach oben, und wieder macht sich die moderne Technik sofort nützlich. Hinter Wittnau ist der Anstieg überwunden, durch Staufen und Heitersheim fahren wir stromlos bis nach Neuenburg, wo wir das Land verlassen und nahe Chalampé (bitte langsam und laut vorlesen) das Mitgebrachte spachteln.


Überschattet wird die Rast von einer E-Mail der Sparkasse, die bei der Gattin wüste Schimpftiraden auslöst. Wir beschließen, uns von Frau Hanselmann weder den Tag noch die Reise verderben zu lassen. Grund zur Freude gibt ein junges Pärchen auf Rennrädern, das sich mit allem eingedeckt hat, was zu einer zeitgemäßen Backpacking-Tour gehört, und jetzt orientierungslos auf der Grasnabe neben unserer Sitzgruppe steht. Sie gibt zu Protokoll, dass sie jetzt erstmal hier runter müsse, er folgt ihr kopfschüttelnd. Die Gattin sagt: „So haben wir auch mal angefangen.“


Kaum über die Brücke gefahren, schon in Frankreich (rechts Mittagessen)


In Richtung Ottmarsheim fahren wir durch den Port de Mulhouse-Rhin, der links ganz der alte ist: genossenschaftlicher Umschlag für Getreide, Mehl und sonstige landwirtschaftliche Güter. Rechts wird das Areal weiträumig neu entwickelt. Die Baustellen zeugen von neuen Nutzungsideen, die Arbeiter sind dort so untergebracht wie die Flüchtlinge gestern in Freiburg. Und damit alle, die tagsüber zusammenarbeiten, in der restlichen Zeit schön unter sich bleiben, ist die Belegung der Container nach Ländern organisiert.


Kurz nach Hombourg erreichen wir das nördliche Ufer des Kanals, dem wir auf einer extrem schlechten Piste bis zur nächsten Brücke folgen. Diese müssen wir überqueren, um auf das bessere südliche Ufer wechseln zu können. Auf der Brücke weht die französische neben der Europa-Flagge. An beiden Ufern erinnert ausrangiertes Kriegsgerät an die Combats de la forêt de la Hardt, die hier Ende 1944 fast 3.000 Franzosen und Deutsche das Leben kosteten.


Der Kanal heißt jetzt Canal du Centre, an seinem Ufer fahren wir weiter von Ost nach West durch Mulhouse. Das ist manchmal etwas unübersichtlich, geht aber insgesamt gut, wir werden dem Kanal bis an die Loire. Der Motor ist längst wieder mit von der Partie, wir fahren endlich mal so schnell, wie unsere Räder aussehen. Entgegenkommende Rennfahrer denken sich ihren Teil.


Gute Ideen müssen vor allem eins sein: einfach

In Zillisheim gibt's den längst herbeigesehnten Kaffee. Ich nutze die Gelegenheit vor der Bar für einen Anruf bei ibis in Montbéliard. Dort wollen wir morgen hin, es gibt aber keine Zimmer mehr in der Stadt. Der freundliche Herr am Telefon hat trotzdem noch zwei. Und als mir im Lauf des Telefonats einfällt, dass wir bei der gleichen Gruppe in Bamberg irgendwann mal ein Kundenkonto eröffnet hatten, gibt er uns noch zehn Prozent auf den üppigen Zimmerpreis.

Amazone links von zwei Kaffeetassen (o. Abb.)

Jetzt ist es nicht mehr weit nach Altkirch. Der Motor gibt noch eine Stufe mehr her, wir kommen in den Kreisel, von dem rechts unser Radweg abgeht, da ruft es hinter mir: „Da fahr' ich nicht hoch, das ist ja fast senkrecht.“

Motor hin oder her, da hat die Dame recht. Der Radweg ist eher für ambitionierte Radfahrer. Die mehrspurig ausgebaute D68, an der wir gerade stehen, bietet dagegen auch älteren Menschen eine Möglichkeit zur Teilhabe am Verkehr: einen Seitenstreifen von etwa einem Meter Breite. Wir beschließen, es darauf zu versuchen, Autos kommen da sicher gut vorbei. Die Steigung ist durchgehend gleichmäßig, der Aufstieg kein Vergleich zu den Mühen, die wir bei unserem ersten Besuch in diesem Hotel auf uns nehmen mussten.

Neue Räder vor (fast) neuem Haus

Von besagtem Hotel ist aber auch nicht mehr viel übrig. Alles neu, alles top-modernisiert. Mal sehen, ob sie auch die Menüs frisch gestrichen haben.

Steile Abfahrt, lange Auffahrt, viel Abwechslung zwischendrin