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Mittwoch, 22. August 2012

1. Juni 2012, der dreiundzwanzigste Tag: Saint-Trojan-les-Bains–La Rochelle, 92,17 km

Über die Brücken in den Hafen
Nach dem Frühstück ruft Mo bei ihren Eltern an, um den Stand der Dinge zu erfragen, dieses Ansinnen erfährt auf der anderen Seite aber nicht sonderlich viel Gegenliebe. Immerhin wissen wir nun, dass nichts Schlimmes passiert ist, und können um neun Uhr los fahren.

Natürlich nicht, ohne die inzwischen zahlreichen Oldtimer zu bewundern, die teils abgedeckt, teils offen den Hotel-Parkplatz füllen. Von den meisten Herstellern haben wir noch nie gehört, die Mehrzahl der Fahrzeuge ist noch voll und ganz dem traditionellen Kutschenbau verpflichtet und wahrscheinlich vergleichbar spritzig unterwegs.

Was Madame gerne an jedem Auto sähe

Fünf-Speichen-Design gab's bereits zur Jahrhundertwende

Wie bereits gestern Abend erkannt, müssen wir heute zurück über die Brücke. Den Weg kennen wir noch, über Le-Grand-Village-Plage erreichen wir zügig die D26, und auf ihr kommen wir direkt zur Auffahrt. Einerseits haben wir Glück: weniger Verkehr, weniger Wind. Andererseits mindestens genauso viel Angst, denn diesmal wissen wir ab dem ersten Meter, was uns erwartet, und mit einem Idioten von hinten muss man immer rechnen ...

Auch Fischers François fischt frische Fische

Spätestens beim Lesen dieser Zeilen kann der geneigte Leser aber sicher sein, dass alles gut gegangen bzw. gefahren ist. Um das Glück nicht weiter herauszufordern, verlassen wir in Bourcefranc-le-Chapus sofort die große Straße, rollen nach Bourcefranc und dort auf einem von vielen Chemins du Patrimoine erst zum alten Hafen und dann weiter auf einer kleinen Straße nach Hiers-Brouage.


Nicht gerade meerumschlungen, weckt aber  nördlichste Erinnerungen

Von dort geht es auf der D238 an von Kanälen durchzogenen Feldern vorbei in Richtung Saint-Agnant. Wir sehen Störche, Reiher, schwarz-weiße Kühe, frisch geschorene Schafe mit blau gekennzeichnetem Rücken und fühlen uns wie in Schleswig-Holstein.

Ab Saint-Agnant haben wir Probleme mit dem Weg und landen plötzlich auf der vielspurig ausgebauten und stark befahrenen D733. Wir nutzen gleich die nächste Ausfahrt zum Rückzug, erstehen in Les Èronelles ein neues Anti-Mücken-Spray und fahren ohne recht zu wissen, was uns erwartet, stetig geradeaus auf den Pont Transbordeur de Martrou zu.

Der Anblick des schmucken Geräts verschlägt uns die Sprache, gleich danach verschafft es uns eine zwar kurze, aber unvergessliche Überfahrt nach Rochefort.

Wie sollen wir bloß da hoch kommen?

Geschafft: Wir bleiben einfach unten

Die Suche nach der Piste cyclable verschieben wir, erst geht's zu einem riesigen Leclerc, und es dauert lange, bis Mo zurück kommt. Ich schaue drei ambitionierten Jungs zu, die eine ähnliche Tour wie wir machen. Sie kommen nach uns, fahren aber lange vor uns weiter. So ein Stress.

Beim Auto-Service gegenüber kann ich noch mein noch Hinterrad gonflieren lassen, dann machen wir uns erneut auf die Suche nach dem Weg. Ein Motorradfahrer befürchtet, dass wir auf die Autobahn zusteuern, er hält uns an und hilft uns, auf den rechten Weg zu kommen. Nach drei Kilometern machen wir an einem schattigen Plätzchen an der Charente Mittagspause. Ein Fahrlehrer nutzt die wenig befahrene Strecke für Übungsfahrten und Wendemanöver mit einem Schüler. Es wird immer heißer.

Die weitere Beschilderung bis Châtellaillon-Plage ist verheerend. Wir müssen an jeder zweiten Ecke suchen und fragen, zum Teil stehen Wegweiser auf Verkehrsinseln und sind überwuchert. Wir ärgern uns ordentlich, kommen am Ende aber doch an. Der Ort selbst lebt heute von unzähligen Thalasso-Zentren und -Angeboten, wir beschränken uns auf einen Café in Centre ville.

Bei Angoulins nimmt uns ein Radfahrer mit Hund ein Stück mit und weist uns den Weg nach La Rochelle. Entlang der Küste fahren wir durch langgezogene Grünanlagen direkt in den Yachthafen vor der Stadt. Er wird gerade umgebaut, was uns zu größeren Umwegen zwingt. Der Asphalt auf den Straßen hat den Kampf gegen die Sonne leider verloren, er hält sich an unseren Rädern fest und nimmt vom Weg alles mit, war er unterwegs zu fassen kriegt.

Wir müssen leider draußen bleiben – im Yachthafen vor der Stadt

Auf den neuen folgt der alte Hafen, direkt im Stadtzentrum angelegt und von zwei Wehrtürmen gesichert. Wir fahren durch die Buden- und Fahrgeschäftsstraßen der aktuellen Kirmes, finden ein architektonisch führendes Office de Tourisme und dort ein umfassendes Hotelverzeichnis. Draußen vor der Tür will uns eine sehr rüstige Rentnerin beim Suchen helfen; in einem längeren Gespräch erzählt sie von ihren Radreisen und geht mit uns die Vor- und Nachteile der örtlichen Herbergen durch. Wir fahren drei Hütten ab und landen am Ende bei b&b – schwierig für 77 Euro.

Alter Hafen, neue Eindrücke

Abends ziehen wir durch La Rochelle, die Stadt wirkt sehr südlich, ist sehr belebt und kommt sehr französisch rüber. Natürlich essen wir im Touristenviertel: anfangs Austern und einen Krabbenauflauf, später Turbot und Lotte plus einen super Vouvray.

Der Rückweg ist noch interessanter als der Hinweg, entsprechend spät sind wir im Hotel. Aber glücklich.

Überall ausgezeichnete Stimmung, hohe Ansteckungsgefahr