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Donnerstag, 18. Mai 2023

La France avecque ... un détour dans la Forêt-Noire

Zehn Grad wärmer und wir hätten glatt bleiben können


18. Mai 2023


Die Bezeichnung „Moped“ für unsere Räder nehme ich zurück. Es sind höchstens Mofas.


Hinter uns saß heute beim Frühstück eine Gruppe von echten Moped-Fahrern: zehn Männlein und ein Weiblein, die auf schweren Maschinen das Elsass „machen“ werden. Alles Fachleute, die auch schon einiges gemacht haben: den Schwarzwald, die Schweiz und Brasilien, zum Beispiel.


Als Außenstehender weiß man das ja alles nicht!


Bei den Damen- und Herrschaften geht es nicht um die Frage, ob der Strom bis ins Ziel reicht. Da geht es um Modellbezeichnungen, Hubräume, Beschleunigung und darum, „an der Linie zu arbeiten“. Außerdem geht es wohl auch darum, Maschinen zu verkaufen bzw. bei Journalisten vorzustellen. Zu diesem Zweck wird die Gruppe von Guides geführt und ist mit gestellten Mopeds ausgestattet.


In Benfeld schlägt Gevatter Tod das Glöckchen


Wir machen auch was, nämlich uns ab auf die Straße. Über Westhouse und Benfeld geht's an den Ancien Canal du Rhone au Rhin, dem wir heute über Marckolsheim bis nach Biesheim folgen. Wir werden ihm noch lange folgen ...


Zurück am Kanal bei Boofzheim


Das Wetter ist super, der Wind zieht mit uns und uns mit sich. Bei Boofzheim gibt's Bananen, in Marckolsheim selbstgebackene Müsliriegel. Außerdem ziehen wir die warmen Sachen aus, sie werden baw nicht mehr gebraucht.


Rund um Marckolsheim ist der Weg höchst frequentiert. Menschen aller Fitness-, Motivations- und Alterklassen fahren hin und her. Sie sind auffallend individuell gekleidet: einige sportlich, einige solar, einige polar.


Mittags im Dschungel


Entlang des Kanals reisen außerdem Enten, Gänse, Reiher, Schwäne, Störche und das ganze kleine Federvieh, dessen Namen wir nicht kennen. Zwischendurch kreuzen Eidechsen den Weg, und am anderen Ufer schreitet eine Ziege mit Glöckchen am Hals. Kurz vor Biesheim meldet sich auch der Kuckuck wieder. Wahrscheinlich freut er sich, in diesen schwierigen Zeiten des Klimawandels noch ein Plätzchen für eines seiner Eier gefunden zu haben.


Mit dem Grenzübertritt bei Breisach ändert sich die Stimmung. Das Wetter treibt die Teutonen auf die Straßen und dort verhalten sie sich auch teutonisch. Latent aggressiv, jeder fährt für sich allein, keiner macht Fehler, keiner entschuldigt sich. Es ist wie auf der Autobahn.


Badischer Wein, so weit das Auge reicht


Über Ihringen und Merdingen erreichen wir die erste Erhebung des Tages: den Tuniberg. Er lässt sich unter Strom gut bewältigen, die Gattin spricht im Anstieg: „Ich bin ja so froh.“ Danach geht es rasant abwärts und durch Opfingen in Richtung westliches Freiburg. Überall laden uns Schilder ein zum „Vatertagshock“.


In Haslach ist Freiburg weit weniger ansprechend als rund ums Münster. Hier stehen Container mit Flüchtlingen in drei Etagen übereinander. Eingezäunt und innerhalb der Zäune von Gelbwesten „bewacht“. Auf der anderen Seite einer Unterführung stehen Wohnblöcke aus Neue-Heimat-Zeiten. Auf den Grasflächen zwischen den Häusern spielen ausländische Jungs das Champions-League-Spiel von gestern Abend nach. Von der anderen Straßenseite schauen eher bio-deutsche Kinder ihnen zu.


Durchs Loretto-Viertel erreichen wir schließlich die Schauinslandstraße, die hinauf zur Talstation der Schauinslandbahn führt. Wir schalten den Motor auf drei und lassen uns hoch schieben. Leider nimmt die Steigung ständig zu, so dass wir schon bald selbst mitarbeiten müssen.


Vom Schauinsland kommen mit Hochgeschwindigkeit heimwärts rasende Rennradfahrer herunter. Wir fahren kurz vor Günterstal nochmal rechts ran, um die letzten Riegel zu verputzen. Zwei Mittzwanzigerinnen kommen auf der Straße nebeneinander und mit gutem Tempo bei uns vorbei. Die Damen wirken völlig entspannt, sie nehmen keine Notiz von den Autos hinter ihnen, sondern schwatzen hingebungsvoll miteinander. Sie werden auch den Serpentinen auf dem Weg zum Schauinsland keine Chance lassen.


Ab der Talstation geht es dann mit zweistelligen Prozentwerten aufwärts. Einschließlich der 250 Watt, die der Motor beisteuert, bringt die Gattin eine maximale Leistung von 450 Watt aufs Pedal. Bewundernswert nach fast 90 Tageskilometern.


Am Ende reicht der Strom gut bis zum Raben. Man nimmt uns auf, lässt die Räder nahe einer Steckdose parken und geleitet uns auf Zimmer 4. Hier gibt's Dusche und alles, was der Mensch jetzt braucht. Vorher habe ich Horbens Hock-Teilnehmer noch fragen können, was eigentlich ein Hock ist: ein ZusammenHOCKen mit Essen und Trinken.


Nach Körperpflege und kurzem Schlaf gibt's Essen. Frau Disch ist untröstlich, dass sie uns das falsche Zimmer gegeben hat. Wenigstens unser Tisch ist der richtige.


Er erträgt jeden Gast, den Frau Disch ihm hinsetzt

Die Gattin grüßt den Namensgeber im Hergottswinkel: „Guten Abend, Jesus. Wir haben heute auch ein bisschen gelitten.“ Nach solcher Blasphemie steht einem guten Abendessen nichts mehr im Wege. Wir nehmen 1x vier und 1x sechs Gänge mit Weinbegleitung. Das Essen ist super, aber für eine Radtour völlig ungeeignet.


Morgen gibt's was mit Spätzle.


Erst entspannt durch Frankreich, dann Grenzerfahrungen in Deutschland