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Donnerstag, 21. April 2022

Deutschland ohne e – die 9. Etappe: Abkürzung nach Flensburg

Ein wunderbarer Start in den Tag


Endlich wieder Großstadt!


Heute war aller Anfang wieder schwer. Die Damen an der Hotel-Rezeption waren mindestens so muffig wie die Kollegin beim Einchecken gestern Nachmittag. Das Frühstücks-Buffet war ein Bedien-Buffet, und die Ausgeberin wachte über Butter und Brötchen wie die Glucke über ihre Küken.


Nach Überwinden der Müllberge rund um den Hintereingang ging es zunächst durch den Ort, dann in nördlicher Richtung durch bessere Wohngebiete bis ins Verdener Villenviertel: Häuser unterschiedlicher Schönheit, alle darauf ausgelegt, die finanzielle Situation der Eigner nach außen zu kommunizieren. Und hinter den zugezogenen Gardinen mit Sicherheit genau die beklemmenden Leben, mit denen wir Älteren in den 80ern bei Derrick und dem Alten vertraut gemacht wurden.


Einziger Lichtblick waren die Störche auf den Dächern bzw. auf Nahrungssuche in den Vorgärten.


Über Eissel ging es erstmal sehr schön, später sehr geradeaus am Weserkanal entlang bis nach Baden. Dort waren die Villen nochmal deutlich größer und durch ihre terrassierte Bauweise mindestens ein, zwei Etagen erhabener. Auf Radweg-Niveau die Mehrfachgaragen, darüber wahrscheinlich die Technik-, Fitness- und Kellerebene. Und darüber in der Regel zwei Stockwerke Villa.


Von unten gab es zwar Treppen bis hinauf, wir gehen aber schon davon aus, dass es sowohl Fahrstühle als auch eine Andienung auf höchster Ebene gibt.


Für uns ging es weiter über Wirtschaftswege durch Felder und Wiesen, irgendwann trafen wir ein Pärchen, mit dem wir uns schon gestern abwechselnd mal überholt hatten. Heute fragten wir nach, ob sie wirklich draußen schliefen (sichtbare Isomatten usw.), was sie bejahten. Bei Nachttemperaturen von knapp über dem Gefrierpunkt mussten wir uns als Weicheier outen, was die strampelnde Frau mit dem Hinweis darauf bedachte, dass man nur einen guten Schlafsack bräuchte.


Gegen Mittag erreichten wir das Naherholungsgebiet „Neue Weser“, direkt gegenüber dem hiesigen Fußballstadion, das überraschenderweise immer noch nicht Arena o.ä. bzw. nach einem lokalen Bank- oder Versicherungsunternehmen benannt ist.


Etwas weiter westlich überragten schon die Türme des Bremer Doms die Bebauung. Jetzt noch ein paar Meter, schon rollten wir über die Wilhelm-Kaisen-Brücke direkt in die Fußgängerzone. Hier war echtes Leben, hier stehen beeindruckende Bauwerke, hier fühlten wir uns spontan zu Hause.


Herzlich willkommen in der größten Stadt Bremens

Unser Hotel war nur ein paar Schritte vom Dom entfernt. Nicht weit weg gibt’s ein Fahrradparkhaus, wo wir für einen Euro eine abschließbare Box mieten und beide Räder drin verstauen konnten. So lernt man nebenbei neue Techniken kennen, wer weiß, wann man sie nochmal brauchen kann.


Nach dem Duschen ging es gleich in die umliegenden Straßen mit den üblichen Karstadt-usw.-Verdächtigen, dann durch die hässliche Lloydpassage. Deren Hauptweg kopiert mit kupfernen Handabdrücken den Walk of Fame in Hollywood, wobei Katja Riemann, Peter Maffay, Jan Böhmermann und Ailton jeweils eine eigene Platte haben, während sich Uwe Seeler die Ehrung mit Max Lorenz teilen muss.


Aber uns Uwe ist ja auch kein Bremer.


... und seit 1989 tragen alle Schwestern das Schicksal der Vereinigung mit

Auf dem Rückweg gab’s noch Torte satt im Schnoor-Viertel, um fünf lagen wir schon im Bett, um uns für den Abend fit zu schlafen. Aufbruch um halb sieben, unterwegs durch die Grünanlage kam uns Henning Scherf mit seiner Gattin entgegen, mit knapp 84 Jahren ist der Mann immer noch super in Schuss. Für 19 Uhr haben wir in Küche 13 reserviert. Nicht weit vom Hotel, im sehenswerten Ostertor-Viertel und mit richtig guter Küche.


Die Gattin war ebenfalls sehr angetan, störte sich aber daran, dass bei Küche 13 der Nomen tatsächlich Omen ist. Sie weiß nicht, wie, wo und wann sie ihre wenigen Kleidungsstücke so lüften soll, dass sie bis zu unserer Rückkehr tragbar bleiben. Vor uns liegen: morgen Kiel mit Verwandtschaft, dann Flensburg mit noch mehr Verwandtschaft.


Rathaus, seitlich, beweglicher als gedacht

Für Mitte der kommenden Woche haben wir die Heimreise geplant. Und für die Zeit danach hat das Burgund eine ernst zunehmende Konkurrenz bekommen: Wien und das Burgenland.


Kurz, abwechslungsreich und mit sehr gutem Ende: unsere – vorerst – letzte Etappe