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Dienstag, 27. November 2012

6. Juni 2012, der achtundzwanzigste Tag: Montjean-sur-Loire–Saumur, 97,93 km

Let's play the ferryman

Das Frühstück ist heute très français et très bon: Brot, Konfitüre, Viennoiserie – alles selbstgemacht, und Monsieur ist stolz darauf.

Draußen strömt der Strom, die Sonne lacht, roulons enfants!

Irgendwo da hinten muss Montjean sein

Die  ersten 20 Kilometer geht es zügig voran, links wird der Himmel langsam schwarz, aber rechts (= auf unserer Seite) bleibt's hell. Die Loire ist seit Nantes frei von Schiffen, große Inseln in der Flussmitte beherbergen riesige Vogelschwärme, deren Mitglieder eifrig durcheinander schnattern, fliegen und brüten.

Eine etwas blöde Verkehrsführung erwischt uns bei Chalonnes-sur-Loire, den daraus erwachsenden Zeitverlust kriegen wir durch Vermeidung der Steigung zwischen La Possonnière und Savennières wieder rein.

Nächster Stop beim Pierre Bécherelle, dem Erfinder der gleichnamigen Sauce und des radioaktiven Zerfalls pro Sekunde. Saumur ist nur noch 57 Kilometer entfernt.

Die grünen Inseln der Loire

Kurz vor La Pointe (kein Witz!) überholen wir andere Grauradler am Berg, anschließend geht's nach La Cossonnerie, wo wir am Hafen Baguettes, Croissants und Pains au Chocolat kaufen. Bei Bouchemaine wechseln wir – wie der Name unschwer vermuten lässt – von der Loire an die Maine, durchfahren ein weitläufiges Naherholungsgebiet rund um den Lac de Maine und erreichen Angers aus westlichen Richtung.

Oben links das riesige Château aus Schiefer, wir umfahren es ein Mal und dann quer durch Centre ville wieder raus der Stadt. En passant leisten wir uns noch eine neue 2-GB-Platte für die Kamera.

Look back in Angers

Am östlichen Stadtrand biegen wir in ein weitläufiges, ehemaliges Schieferabbaugebiet ein und fahren mit offenem Mund und ebensolchen Augen auf schmalem Weg entlang Halden von Schieferbruch. Am Ende der Strecke stoßen wir auf eine Straße und wissen nicht recht, wie es nun wieder weiter gehen soll.

Ich spreche die nächstbeste Frau mit Fahrrad und Karte an, wie sich erweist, ist sie Deutsche, was das Gespräch deutlich erleichtert. Wir reden über Wind und Wetter, Weg und Hotels und ziehen alle mit erweitertem Wissen weiter. Unser Weg führt weiter durch das ehemalige Schieferabbaugebiet und wartet am Ende mit einer neuen Attraktion auf: Wir stehen am Ufer des Authion, vor uns eine an Ketten verspannte Fähre, die wir per Hand zu uns ziehen, dann besteigen und mit Körperkraft ans andere Ufer bewegen dürfen – die spannen, die Franzosen!

Ablegen, ...

... anpacken, ...

... gut ankommen

In den Orten, die wir danach durchqueren, sind Mauern, Häuser und Dächer komplett aus oder zumindest zum großen Teil mit Schiefer gebaut. Bei La Bohalle setzt leichtes Nieseln ein, wir finden eine schöne Halle, um uns und das Mittagessen davor zu schützen.

Anschließend durchqueren wir bis Saint-Mathurin-sur-Loire weitläufige Ackerflächen, fahren über die Brücke nach Saint-Rémy-la-Varenne (hier hört das Bauen mit Schiefer auf) und von dort direkt am Ufer entlang zur Kaffeepause in Le Thoureil, une petite cité de caractère (was man dem Ort auch ohne gleichlautendes Schild sofort angesehen hätte).

Schiefer mauern

In Gennes tanken wir bei Super U auf, dann fahren wir – entgegen der vom Guide vorgegebenen Richtung (!?) – am Fluss entlang ostwärts.

Die Häuser sind immer noch mit Schiefer gedeckt, sehen nun aber aus, als wären sie aus großen, glatt verputzen, pastellfarbenen Quadern gebaut – zartes Gelb, Blau, Grau und Grün stehen matt schimmernd nebeneinander, und in Chênehutte gibt es viel mehr als nur eine. Die Optik der Steine ist übrigens ein Trick: Hinter abgeblättertem Putz sieht man an einigen Stellen das echte Mauerwerk aus relativ kleinen Steinen. Der darüber gelegte Verputz wird einfach im Sinne der repräsentativen Wirkung „gestaltet“.

Chêne Kirche in Chênehutte

Die letzten sechs Kilometer nach Saumur fahren wir mit hohem Tempo am Fluss, nach über 90 Tageskilometern ziehen wir das Tagesziel vor und suchen die drei ausgewählten Hotels auf der Karte. Das nächstliegende ist nur 1200 m entfernt, ab sechshundert geht es steil bergauf.

Wir packen das, checken ein, bekommen einen netten, kleinen Reihen-Bungalow zugewiesen und spulen unser Programm ab. Abendessen um 20 Uhr.

Wo Barthel den Most holt

Speis' & Trank werden im Wintergarten mit Blick auf den Garten und die Stadt gereicht. Wir apéritiven einen Saumur Brut, studieren die Karte und erfreuen uns an den ausschweifenden Erläuterungen, mit denen ein Keller am Nachbartisch versucht, den dort gastierenden Briten die Speisen zu erläutern.


Nach ca. 20 Minuten ist die Freude etwas reduziert, da bislang weder Wasser noch Wein, noch Speise den Weg zu uns gefunden haben. Der Service rennt herum wie die Bressehühner auf der Weide, ich reklamiere mehrfach. Um neun gehen wir – stinksauer und laut.


Das Abendessen bestreiten wir aus unseren Vorräten, die eigentlich fürs Frühstück gedacht waren: Comté, Pains au lait, Joghurt. Wenigstens sind wir früh im Bett.


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