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Sonntag, 24. Juli 2011

22.07. 6ème ètape: Rully–Cuisery (58,94 km, 2:56:22) (Arrêt minute)

„Sind Sie deutsch?“

Alles trocken, bitte weiterfahren!

Das Aufstehen fällt schwer (wie immer), das Frühstück ist gut, der Supermarché schräg gegenüber hat alles, was wir brauchen.

Wir wollen über Givry nach Chalon-sur-Saône fahren, unterwegs fragen wir zwei Herren, die sich mit dem Bau einer niedrigen Grundstückseinfassung beschäftigen, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Die Frage führt zu kontroversen Einschätzungen, am Ende setzt sich der Dickere durch. Er hat gesehen, dass wir mit drei Kettenblättern vorne fahren, die Fahrt also sowieso „pas de problem“ sein wird. Und schön ist die Strecke nach seiner Meinung auch.

Sie führt vor allem wieder steil bergauf. Vorbei am Château de Rully und mindestens fünf Lagen des Hauses Faiveley, das in der Gegend nicht sonderlich beliebt zu sein scheint. Jede der in Messing gravierten Lagenbezeichnungen ist bereits Zielscheibe eindeutiger Missfallensbekundungen geworden, die Weine weisen neben den Volumenprozenten wahrscheinlich auch einen hohen Bleigehalt auf.
 
Château de Rully, 2011.
Weit verbreitet, weithin ungeliebt.
Woher wir kommen.

Wir kämpfen uns durch bis Mercurey, von dort entlang der Landstraße nach Mellecey, und dann wollen sie uns schon wieder bergauf schicken, aber langsam reicht's. Wir biegen vor Givry nach links ab, landen im zauberhaften Dracy-le-Fort und entdecken dort eine Voie verte, die uns Richtung Chalon-sur-Saône führt.

Nahe Chalon-sur-Saône, nahe Givry ist Frankreich nicht weit.
Auf der alten Bahntrasse nach Chalon-sur-Saône kommen wir zügig voran.

Bei der Einfahrt nach Saint-Rémy beginnt es zu tröpfeln, wir legen einen Zahn zu, um eine nicht weit entfernte Tankstelle als Schutz zu erreichen, doch daraus wird nichts. Die Tropfen werden zu ausgekippten Eimern, und wir erreichen mit Ach und Krach eine kleine Unterführung, in der wir die nächsten zwanzig Minuten darüber nachdenken, wie es wohl sein wird, wenn das Wasser von beiden Seiten kommt und der Pegel steigt.




Als der Regen endlich nachlässt, fahren wir rechts hoch und sehen, dass die Tankstelle zu einem großen Intermarché gehört – hätten wir ihn noch vor dem Guss erreicht, hätten wir die Wartezeit zum Mittagessen nutzen können. So kaufen wir erstmal nur ein, fahren dann weiter und sprechen im südlichen Saint-Rémy ein älteres Ehepaar an, um unseren weiteren Weg abzusichern. Sie überlegen kurz, sprechen sich ab, dann erklärt er in sehr angenehmem Französich, wie wir fahren sollen.

Am Ende fragt er, ob wir alles verstanden hätten, als wir bejahen, fragt er nahezu akzentfrei: „Sind Sie deutsch?“ Wir bejahen schon wieder, fragen, warum er so gut Deutsch spricht, und er fängt an zu sprudeln. Deutsch hätte er an der Uni gelernt, inzwischen aber fast schon wieder verlernt, weil ja die Praxis fehle usw. usf. – es ist beeindruckend, wie gut der Mann immer noch Deutsch spricht und wie sehr er sich freut, es mal wieder sprechen zu können. Seine Frau ist sichtlich stolz auf ihren Mann, am Ende wünscht sie „bonne route“ und er „gute Fahrt“. Endlich mal wieder fahren ohne Courage.

Zum Mittagessen bleiben wir am Ufer der Saône, nach Abzug der Wolken könnte die Stadt heute auch Chaleur-sur-Saône heißen. Hinter uns fährt ein deutlich überladenes Rad vorbei, und Mo meint, ich solle aufpassen, damit  ich nicht wie dessen Fahrer ende, der bei seiner letzten Radtour wohl den Absprung verpasst habe. Was sie damit meint, sehe ich erst nach dem Essen, als unser Weg am Besitzer des Fahrrades vorbei führt: Er sieht aus wie eine ausgezeichnet gelungene Kreuzung aus diesem und jenem.

Auf der anderen Seite des Flusses liegt ein gut besuchter Campingplatz, wir fahren durch Saint-Marcel und Épervans, um bei Ouroux-sur-Saône endlich auf die D933 nach Cuisery zu kommen. Die Verkehrsdichte nach dem Mittagessen sowie Menge und Fahrweise der Lkw machen uns nochmal klar, warum wir eigentlich  beschlossen hatten, nie mehr in dieser Richtung auf dieser Straße zu fahren.

Im Hotel werden wir freundlich empfangen und bekommen „comme d'habitude“ die Garage 1. Darin stehen die Räder zwar ziemlich verlassen beieinander, aber es ist eine freundliche Geste. Wir installieren uns in Zimmer 5, Dusche und kurze Pause, gegen sechs gehen wir in die Halle, um der (Büro)Arbeit zu frönen, um sieben folgt der Apéritif, danach das Essen.

Wir gönnen uns Hechtterrine, Kalbsbries und Poulet de Bresse, dazu gibt's den feinen Weißen von Hubert Laferrere aus Lugny.

4 Kommentare:

  1. hallo ihr zwei,
    aus freezing deutschland heimgekehrt nach flooding frankreich habe ich in rekordzeit euren blog gelesen! respekt... ich habe großen spaß gehabt! hoffe, euch geht es gut und wir sehen uns pünktlich!
    noch ist euer paket nicht angekommen.
    liebe grüße und... bon courage :-)

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  2. Bonjour, Eva,
    wir sind seit gestern in der Auvergne und haben bez. Paket umdisponiert – es ist heute hier angekommen.
    Schön, dass du mit Vergnügen mitliest, wir bereden heute die Fortsetzung der Reise (ja, es gibt alternative Ansätze!) und schicken dir dann gleich die aktuelle Zeitplanung.

    À tout à l'heure
    momi

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  3. holleri,
    endlich habe ich das mit den kommentaren kapiert :-)
    wie immer euer plan ist, wir sind da. und da ich eure route täglich verfolge, weiß ich ja ungefähr, wann ich mit euch rechnen kann.
    wir sind bis anfang oktober "frei" und freuen uns auf euch!
    weiterhin schöne fahrt und mir schöne berichte :-)

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  4. Ja, wir halten da ein bisschen die Hand drauf, Eva,
    damit hier nicht jeder, der Fahrradklamotten oder Franzbranntwein verkaufen will, seinen Mist ablädt. Kommentare von Freunden und Bekannten werden natürlich ungefiltert veröffentlicht, aber das haben außer dir viele noch nicht verstanden, die weiter E-Mails schicken.

    Gleich fahren wir weiter, mal sehen, wie wir über die Berge kommen.

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