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Mittwoch, 27. Juli 2011

25.07. 7ème ètape: Cuisery–Montceau-les-Mines (97,19 km, 5:21:04) (Attention croisement)

„Soyez prudent!“ – „Schon zu spät.“

Wir frühstücken um acht, Jean-Francis empfiehlt nachdrücklich seinen Kuchen – ohne Fett, nur mit Mehl, Eiern und Zucker produziert, und damit ideal für unsere Zwecke. Na gut, dann esse ich halt noch drei Stücke.

Nach dem Frühstück wird gepackt (wir reduzieren das Gewicht und lassen einige Stücke in der Obhut des Hauses), bezahlt (unangenehmster Aspekt des Aufenthalts) und herzlich verabschiedet. Madame schüttelt weiterhin den Kopf über unser Vorhaben und rät zumindest zur Vorsicht. Mo schaut auf ihren gut verheilten Ellbogen und murmelt: „Schon zu spät.“

Die Landstraße nach Chalon-sur-Saône fährt sich mit leichtem Rückenwind und nahezu frei von Lastern super (der kleine Nick schickt heute keine Flieger, sondern zwei seiner Laster als Convoi exeptionnel). Nach ca. acht Kilometern kommt uns mit großem Hallo eine 30- bis 40-köpfige Rennrad-Gruppe samt großen Gepäcktransporter entgegen, nach etwa zehn Kilometern sieht es auf den Feldern zu beiden Seiten aus, als hätten Riesenkinder mit Strohballen gespielt und vergessen aufzuräumen.

Und nach rund 18 Kilometern kommt der Regen. Um Strecke zu sparen, biegen wir schon vor Chalon-sur-Saône nach Westen ab und stellen dann fest, dass wir einen ziemlich gut frequentierten Autobahnzubringer erwischt haben. Die Straße ist absolut nicht breit genug für alle, deshalb weichen wir ins Schotterbett nach rechts aus, während die Zehndonner im Abstand von zehn Zentimetern an uns vorbei donnern. Von Schotter kann auch nur bedingt die Rede sein, da der Regen nicht schnell genug versickert und sich große, tiefe Pfützen bilden.

Irgendwann ist der Spuk vorüber, wir haben viel Strecke abgekürzt, leider hat mein Vorderrad den Schotter (oder was sich sonst noch am Wegesrand in den Pfützen versteckte) nicht vertragen; kurz bevor wir den bekannten Intermarché erreichen, ist der zweite Schlauch hin. Bei dieser Gelegenheit der Hinweis, dass Franzosen vor und nach Verlassen des Stadtgebiets gerne mal Ballast abwerfen; wir sehen nicht nur immer wieder Scherben, sondern zum Teil auch intakt gebliebene Glasflaschen sowie den auch aus Deutschland hinlänglich bekannten Müll.

Wer macht hier die Drecksarbeit?

Während Mo einkauft, wechsle ich den Schlauch. Das Modell, das wir brauchen, hat der Laden leider nicht, beim vorhandenen Schlauch ist das Ventil ziemlich kurz für die Hohlkammerfelge, und ich kann nicht richtig aufpumpen. An der Tankstelle gibt's keine Luft, also fahre ich nach dem Mittagessen im Fahrradunterstand mit zu wenig Luft weiter.

Was schlägt die Option „Wort vervollständigen“ beim Schreiben von Intermarché vor? Unterbäuche!!

Die bereits bekannte Voie verte führt uns über Givry, Buxy und Saint-Boil bis nach Saint-Gengoux-le-National; die Bahnhöfe entlang der ehemaligen Eisenbahntrasse sind durchweg liebevoll renoviert, alle paar hundert Meter warnen uns Schilder vor Übergängen, die zusätzlich mit einer Schikane und einem dreifarbigen Schachbrettmuster in den Farben des Radwegs gekennzeichnet sind: blau, grün und weiß. Unter einer Brücke wartet ein deutscher Endzwanziger auf besseres Wetter, mittels seiner Pumpe kann ich meinem Vorderrad etwas mehr Druck machen.

Keine Bahn, aber viel Verkehr.
Wehe, wenn er losgelassen.

Die heutige Streckenführung ist ja überwiegend dem Umstand geschuldet, dass wir die starken Steigungen von Cuisery hinauf nach Cluny vermeiden wollten (über Pont-de-Veaux. Fleurville usw.). Nun kommt aber doch ein bisschen Berg von Saint-Gengoux-le-National hinüber nach Montceau-les-Mines. Der Aufstieg ist moderat zu nennen, ich fahre vorne auf dem kleinen Blatt, hinten auf dem fünften Ritzel und bewege mich mit einem Tempo zwischen 12 und 13,5 km/h. Die Abfahrt ist sensationell – über mehrere Kilometer geht es bei guter Voraus- und Rundumsicht leicht bergab, so dass wir entspannt mit etwa 40 km/h zu Tal brausen.

Im ersten Teil der Fahrt denke ich manchmal an unser Cabrio in Freiburg, spätestens bei der Abfahrt kann der Mercedes emotional nicht mehr mithalten.

Wer hier ankommt, ist noch lange nicht angekommen.

Anders als gedacht, erreichen wir im Tal nicht Montceau-les-Mines, sondern Joncy. Und es gibt keine Hinweise auf unser angestrebtes Ziel. Die Dame am örtlichen Supermarkt lässt uns die Wahl: etwas kürzer, aber steiler oder etwas flacher, aber stark befahren. Nach den Erfahrungen vom Vormittag entscheiden wir uns für die Lkw-freie Variante, die sechs Kilometer fahre ich vorne auf dem kleinen Blatt, hinten fast durchweg auf dem ersten Ritzel, dabei bin ich froh, wenn ich ein Tempo zwischen acht und neun km/h schaffe.

Jede Pause ist recht für einen weiteren Blick zurück ins Tal.

Die wenigen Menschen am Straßenrand sind entweder besonders gut drauf oder sie haben noch die gestern zu Ende gegangene Tour de France im Blut: Sie feuern uns an (Allez! Allez!), spenden Trost oder klatschen tatsächlich! Über Mary arbeiten wir uns zum Gipfel des Mont-Saint-Vincent, von dort geht es mit fest angezogenen Bremsen und nahezu kopfüber auf die wenig befahrene D980, die uns rasant ans Ziel dieses Tages bringt.

Höhepunkt des Tages.

Montceau-les-Mines ist die wohl charmefreiste Stadt Frankreichs. Wir irren entlang des Kanals, durch die triste Fußgängerzone und wieder zurück. Das Office du Tourisme ist nicht zu finden, erst die dritte Passantin, die wir fragen, weiß, wo das gesuchte Hotel ist. Nach den bereits überwundenen Anstiegen geht es noch einmal ordentlich bergauf, als wir oben am Hotel ankommen, stellen wir fest, dass es montags Ruhetag hat.

Im Eurovelo-6-Radführer finden wir eine Alternative, natürlich am Kanal, also genau dort, wo wir herkamen. Das Nota Bene liegt direkt an einer der vielen Ponts levants der Stadt, die Fassade wird gerade frisch gedämmt, es sieht aus wie kurz vor dem Abriss. Drinnen ist alles hübsch gemacht, auch die junge Frau am Counter. Sie macht den Eindruck, als sei die Rezeption für sie nur eine Zwischenstation auf dem Weg zum Ruhm.

Da es bereits spät ist und wir nichts Besseres wissen, essen wir im Haus. Das wird zumindest très interessant. Es gibt Salate, Tavolas und Burger, wir entscheiden uns für zwei Salate vorneweg, zwei Tavolas und ein Fläschchen „Pinot Noir 2008 & 2005“. Was die Jahrgangsbezeichnung bedeuten könnte, weiß die Bestellungsaufnehmerin nicht, nach großer Wartezeit erneut auf den Wein angesprochen, erklärt sie, dass es ihn nicht mehr gibt. Wir ändern in einen Côte Chalonnaise von 2009.

Mit dem Wein können die Damen aus dem Tellergewerbe insgesamt wenig anfangen. Eine von ihnen quält sich drei Mal sichtlich mit dem Öffnen der Flaschen, in allen Fällen dreht sie danach den Korken vom Zieher, stellt den Leuten die Flasche auf den Tisch und dreht wortlos ab. Wir haben Glück, unsere Flaschenbringerin ist schon im dritten Lehrjahr und weiß, dass sie den Gast probieren lassen sollte.

Die Salate sind akzeptabel, das dazu gereichte Baguette ist ein unmögliches schlabber-weiches Teig-Ding. Aber wir haben Hunger. Für die Tavolas reicht der Hunger allerdings nicht. Keine/r schafft mehr als die Hälfte, die Teile sind und schmecken derart vorproduziert und im Backofen heiß gemacht – wir sind verwöhnt und immer noch (!) im Burgund.

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