Seiten

Freitag, 7. Juni 2013

6. Juni 2013 – Satteldorf–Aalen, 78,98 km

Ein Alb-Traum

Nach durchwachsener Nacht – Bett zu kurz, Luft zu stickig, Straßen zu laut – sitzen wir um acht beim Frühstück. Oben ist alles gepackt, unten erwartet uns das „exzelente Frühstück vom Büffett“. Es gibt das übliche Sortiment in reduzierter Qualität und einer Umgebung, die darauf hindeutet, dass man bei der Planung von zu hohen Gästezahlen ausgegangen ist.

Wir sind heute die einzigen Abnehmer, im Hintergrund begrüßt uns Lionel Richie. Alle sind sehr freundlich, der Hotelier erzählt uns ein bisschen über Frau Gröger, nach dem Essen kümmern wir uns noch ein Dreiviertelstündchen um Büro und Blog.

Wie unser Metzger die Kirche sieht.

Nach Crailsheim geht es ordentlich bergab. Wir halten unterwegs bei Penny und erneuern die Wasserbestände. Beim Metzger nebenan riecht es wie im „Golden Nugget“, wir fahren sicherheitshalber weiter. In Crailsheim schicken uns die Eingeborenenfrauen zum Metzger; während Mo mehrere Brötchen reichlich und liebevoll belegen lässt, fülle ich unsere Geldreserven beim nahen Bankhaus nach.

Vom Metzger ist es nicht weit zum Radweg, Wir fahren lange an bzw. in der Nähe der B290, erst bei Randenweiler entfernen wir uns ein deutliches Stück, aber schon bei Jagstzell hat sie uns wieder.

Dieses Bild hat rund um Ellwangen eine lange Tradition.

Kurz vor Ellwangen halten wir uns eine Viertelstunde mit zickigen Stuten und Fohlen-Idylle auf, kurz drauf räumt Mo den REWE im Gewerbegebiet aus, und in der Stadt selbst verfahren wir uns zum wiederholten Mal wegen der zum Teil wirklich blödsinnigen Beschilderung.

Abzweige werden nur von der Gegenseite ausgeschildert, andere Radwege konkurrieren mit unserem, manchmal fehlen die Schilder ganz und manchmal weisen sie nach rechts in eine Straße hinein, obwohl erst die nächste Straße gemeint ist. Ein bisschen erinnert das an Kindertage mit Schnitzeljagd.

Vormittags in Ellwangen.

Irgendwann finden wir doch hinaus, fahren bei Schwabsberg rechts ab und kommen in eine wunderbar stille Umgebung – der ideale Rahmen, um die zuvor getätigten Einkäufe in uns aufzunehmen. Eine passende Bank finden wir auch, im Kreise von Libellen, Wespen und Disteln ist jetzt Mittagspause angesagt.

Anschließend träumen wir noch ein bisschen vor uns hin, dann der Blick auf unsere Position. Wir sind wieder einem falschen Weg gefolgt und etwa drei bis vier Kilometer abseits der Strecke gelandet. Also den gleichen Weg zurück und suchen. Den Weg finden wir, nachdem wir in mehrere Straßen geschaut und in einer das passende Schild für die aus der Gegenrichtung kommenden Kollegen gesehen haben.


Mittagspause am Bächweiher, wo die Romantik erfunden wurde.

Entlang des Stausees Rainau-Buch geht es sehr schön weiter. Wie es mit uns weitergehen soll, wird allerdings deutlich unklarer. Denn unser elektronischer Wegweiser sieht Aalen in etwa 35 Kilometern Entfernung, Radweg-Schilder am Wegesrand weisen aber nur 20 Kilometer aus. Tendenz: mit jedem weiteren Kilometer sinkend.


In der Mitte grüßt Westhausen, in der Ferne Schloss Kapfenburg.

Wenn man die Daten vorsichtig auswertet, kommt man zu dem Ergebnis, dass es wohl einen kurzen Weg nach Aalen gibt, der Radweg uns also noch ein bisschen durchs Gelände schicken wird. Und vor allem irgendeinen Berg hinauf. Wir haben da auch schon einen Verdacht ...

In Lauchheim wird der Verdacht zur Gewissheit: Wir müssen hoch zum Schloss Kapfenburg. Da stärken wir uns lieber vorher nochmal mit allem, was noch übrig ist. Und dann geht's wieder in die Schilderfalle. Vor der Eisenbahnbrücke weist unser Weg nach rechts, wir landen im Niemandsland Lauchheims, finden zurück und starten erneut am Ort unserer letzten Verpflegungsaufnahme.

Also nochmal zur Eisenbahnbrücke, diesmal drunter durch und siehe da: Hinter der Brücke steht erneut ein Schild, das den Berg hinauf weist. Der folgende Anstieg erinnert uns ans Massif Central, wir fühlen uns also fast schon heimisch.


Erst kommen wir der Sache näher, ...
... dann sind wir tatsächlich oben.

Oben haben wir kein Auge fürs Schloss, stattdessen fahren wir in Richtung Hülen und kurz davor auf den alten Postweg in Richtung Bernlohe. Der Weg ist übrigens clever gebaut: Zwei asphaltierte, hier: gepflasterte Streifen links und rechts einer breiten Grasnabe. Das hindert die Radfahrer daran, nebeneinander zu fahren, lässt Reitern Platz in der Mitte und reduziert die Versiegelung der Fläche auf 50 bis 60 Prozent.

Bevor es nun nach Aalen geht, geht es aber erstmal noch ein paar Kilometer hin und her: Waldhausen, Simmisweiler, Unterkochen. Das wäre ein erneuter Umweg von rund sieben Kilometern, wir kürzen ab und fahren direkt nach Simmisweiler.

Irgendwann geht es dann rechts in den Wald hinein. Die Straße ist schmal, ohne Markierung und führt windungsreiche 3,5 Kilometer hinunter nach Unterkochen. Vor Steinschlag wird gewarnt. Ich überlege bei Tempo 50, was ich machen kann, wenn die Steine schon gefallen sind und vor mir auf der Straße liegen.

Aalen bei Tag, ...

In Aalen kommen wir am Bahnhof an, auf dem Vorplatz frage ich eine ältere Aalenerin nach Hotel und Restaurant, sie weiß eigentlich nichts, hält uns dafür aber lange auf. Irgendwann finden wir die Touristen-Information, von dort suchen wir das Ratshotel, das wir erst gar nicht und später auch nur schwer finden.

Es entpuppt sich als genau die richtige Adresse. Freundlicher Empfang, guter Preis, freies WLAN und zentrale Lage. Nach der üblichen Ankunfts-Prozedur stürzen wir uns in die Aalener Nacht, die heute mit der „Kulinarischen Meile“ im Stadtzentrum aufwartet: Lokale Gastronomen servieren aus Hexenhäuschen kulinarische Kleinigkeiten, die direkt unter einem den Platz überspannenden Baldachin verzehrt werden können.

... Aalen bei Nacht.

An Festzeltgarnituren sitzend, kommt man in engen Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung („Ha-noi.“ „Hu-e.“. „Sai-gon.“), wir haben das besondere Glück, zwischen eine dreiköpfige Damengruppe und ein ca. 30-jähriges Elternpaar aus Unterkochen zu geraten, mit denen man gut schwätze koa.

Um zehn brechen wir auf. Morgen müssen wir vor Abfahrt unbedingt Spionle kaufen.

Bitte beachten Sie die Mittagspause südlich Ellwangen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen