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Sonntag, 29. April 2018

Hochzeitsreise 2018 - Überraschung in der Grünen Hölle


22. April 2018 - sieben Uhr morgens wird langsam zur Gewohnheit. Das Frühstück ist großzügig dimensioniert, die Kellnerinnen sind sehr professionell. Wir versorgen den Körper mit dem Nötigsten und sind fast fertig als ER den Saal betritt: Anfang 50, groß gewachsen, adrett gekleidet. Sein „Salve!“ weckt die letzten Unausgeschlafenen, sein gewinnendes Lächeln setzt dem peinlich-berührten Gegrüßten vom Nebentisch zu, sein rechter Arm greift weit aus, um mit dessen rechter Hand den aufrichtig-freundschaftlichen Handschlag zu zelebrieren.

Die Kellnerin fragt, was er trinken möchte, als Mann von Welt bestellt er „einen Maccucino“. Damit sind wir gut gerüstet für alles, was kommen kann; wir gehen.

Sonntagmorgen in Landshut: die Ruhe vor dem Sturm

Viertel nach neun im Sattel, links raus aus der Hotel-Einfahrt, irgendwo wird die Isar schon sein. Beharrliches Geradeausfahren bringt uns direkt zur Isarbrücke, die wir nicht überqueren müssen - der Weg läuft am südlichen Ufer.


Zunächst geht es auf bestem Asphalt südwestwärts. Kurz hinter Landshut kommen wir am Standort einer den Hund fütternden Repräsentantin des mobilen Geschlechtsverkehr-Gewerbes vorbei. Bei Eching zelebriert eine determinierte Gemeinde den sonntäglichen Gottesdienst. Kurz darauf überholt uns der Rennradler, mit dem wir heute früh über die Anforderungen schmaler Reifen an die Strecke sprachen. Und in den Isarauen hinter Moosburg fahren wir in einen wohl frisch geschlüpften, riesigen Fliegenschwarm, der mich buchstäblich fast vom Rad gerissen hätte.

Die typischen Kiesbänke der Isar - alle anderen sind heute besetzt

Die Temperatur steigt kontinuierlich, die Zahl der Teilnehmer auch. Um halb zwölf machen wir eine kurze Pause mit Schinken und Lidl-Gourmetstangen von gestern, danach avisiere ich dem hörbar verschlafenen Nachwuchs unsere Ankunft zwischen 14 und 15 Uhr. Bisher hat noch niemand etwas von den Eigenheiten unserer Anreise gemerkt.

Heimatliche Gefühle in Freising

Ab Freising wird's noch voller. Und wer wollte es den Leuten verdenken: die ganze Woche durchs Büro- oder Ladenfenster dem schönen Wetter zugeschaut, da muss man heute einfach raus. Für uns aber heißt das: erschwerte Bedingungen.

Gilt natürlich auch für den Weg, ab hier ganz besonders

Mit jedem Kilometer, dem wir München näher kommen, steigt die Menschenmenge im Allgemeinen und die Radfahrerdichte im Besonderen. Die einen kommen von querenden Wegen heraus oder Brücken herab geschossen, ohne den sonstigen Verkehr eines Gedankens, geschweige denn Blickes zu würdigen. Die anderen erfreuen sich am zu schnellen oder zu langsamen Nebeneinanderfahren. Und wieder andere überschätzen ihre Fähigkeiten bei der Beherrschung des agil motorisierten Pedelecs.

All das erschwert uns die Konzentration auf die Lokalisierung eines wichtigen Wegpunktes dieser Reise: der Ort meines Unfalls vom August 2015, den ich inzwischen auch als Auslöser meiner Vorhofflimmerei verdächtige.

Hier war's!

Kurz nach Unterquerung der B471 erkennen wir die Stelle wieder, sie hat sich gar nicht verändert. Den Stock, der mir damals zwischen die Speichen gekommen war, finde ich zwar nicht mehr, aber sonst ist alles wie ich es in dunkler Erinnerung habe.

Mit dieser Erkenntnis geht's in die Grüne Hölle: die Isarauen nördlich des Englischen Gartens. Ganz München trifft sich heute dort, alle Kiesbänke sind belegt. Von überall zieht frischer Grillgeruch über den Weg. Und alle aus dem Umland wollen dabei sein. Wahrscheinlich sind wir die einzigen, die tatsächlich einen halbwegs vernünftigen Grund für ihre Anwesenheit haben, aber das zählt gerade nicht. Wir fahren, soweit es geht. Wir schieben an Stellen, an denen Speisen, Getränke & sonstige Attraktionen angeboten (und massiv nachgefragt!) werden.

Wir versuchen ohne Erfolg, nach Westen auszuweichen. Zwischen Unter- und Oberföhring queren wir die Isar, auf der anderen Seite wird es noch voller. Wir schaffen es durch einen Teil des Englischen Gartens, dann endlich ein Ausweg: über die Königin- in die Thiemestraße und hinein in den gemütlichen Münchener Straßenverkehr.

Erst morgen beim Weg zum Standesamt werden wir überrascht feststellen, dass dieser Ausgang genau in der Mitte zwischen dem Ort der Trauung und dem im Anschluss reservierten Esszimmer liegt. Jetzt sind es nur noch ein paar Minuten bis zum Eintreffen am Ziel der Reise. Wir hatten vorher überlegt, was das Brautpaar wohl sagen würde, die Gattin hat auf ganzer Linie gewonnen: „Ihr seid krass drauf!“

Wir bringen die Räder in den Keller und die Taschen auf den Speicher. Unser als Hochzeitsgeschenk fehlgedeuteter Koffer liegt unter dem Bett. Nach einem Kaffee und viel Kopfschütteln machen wir uns auf den Weg ins Hotel. Abends sitzen wir zu viert im Augustiner-Keller und holen uns das Rüstzeug für die traditionelle Hochzeit am Montag.

Fazit: Niemand hat sich für diese Hochzeit so abgestrampelt wie wir.

80 km durch Oberbayern, und alle Oberbayern waren dabayern

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