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Mittwoch, 7. Juni 2023

La France avecque ... la vue de la mer

Überraschende Perspektiven in der Hafen-City


6. Juni 2023


Das Frühstück bei ibis Styles war auch schon besser. Heute gibt's als kostenfreie Zusatzleistung ein Fernsehprogramm, das Menschen bei der Produktion von Radioprogrammen zeigt. Wahrscheinlich nennen sie es „Irgendwas mit Multimedia“.


Garmin leitet uns exzellent durch die Straßen und über die Plätze der Stadt, binnen kurzer Zeit sind wir am Hafen und auf dem Weg in Richtung Mündung.


Bis Le Pellerin erkennen wir nichts wieder und wundern uns über steile Anstiege, lange Abfahrten und überwiegend weniger reizvolle Wege. Aber das ist kein Wunder, 2012 sind wir den Weg in umgekehrter Richtung und vor allem auf der nördlichen Seite des Flusses gefahren.


Das Hotel, in dem wir damals unterkamen, hat sich schwer gemausert. Der Chef war seinerzeit schon sichtlich geschäftstüchtig, jetzt sieht es so aus, als habe er sein Haus peu à peu auf einen zeitgemäßen Stand gebracht und Erfolg damit.


Unser ständiger Begleiter, der EuroVélo 6, wird uns in Kürze verlassen


An den nun folgenden Abschnitt der Strecke erinnern wir uns tatsächlich noch gut. Damals ging es schnurgerade in eine hoffnungslose Zukunft ohne Bleibe für die Nacht. Heute fahren wir schnurgerade in Richtung Atlantik mit der Gewissheit einer guten Adresse für den Abend.


Zwischendurch raubt uns noch ein unverschämter Anstieg die Nerven. Lang, steil und auch mit technischer Unterstützung nicht zu bewältigen. Wir schieben schimpfend hoch und treffen oben auf zwei britische Pärchen unserer Altersgruppe. Sie haben den Schatten eines Hauses genutzt, um wieder zu Atem zu kommen, sind einem Schwätzchen nicht abgeneigt, und so stehen wir eine Zeit zusammen und klären, was wir alten Ausländer hier überhaupt machen: Living our lives in a different country.


Die Zeit der Châteaus ist vorbei, jetzt kommen die Herrenhäuser


Gegen 13 Uhr erreichen wir Paimboeuf, kaufen im Intermarché am Weg ein paar Tomaten und Taschentücher und setzen uns am Loireufer auf eine Bank im Schatten. Die Bank gegenüber hat eine Frau mit ihrem ca. sechsjährigen Sohn belegt, sie grüßt freundlich und verabschiedet sich wenig später auf gleiche Weise. Uns fällt auf, dass Radreisende in Frankreich entweder generell nett behandelt werden oder uns viele freundliche Leute über den Radweg laufen.


Kurze Zeit später erobert ein Pärchen wie wir die Bank: Er lang und dürr, sie nicht. Immer mehr Radreisende kommen vorbei, sie alle finden hier keinen Platz mehr.


Eigentlich schade, ein ganzer Fluss ist am Ende nur noch braune Brühe


Wir entscheiden uns beim Essen dafür, den weiteren Weg abzukürzen, und wechseln deshalb auf die D96 in Richtung Saint-Michel-Chef-Chef. Da kommen die guten Kekse her, da wollen wir sowieso hin! Über die Landstraße kommen wir sehr gut voran, kein Holterdipolter, keine Staubwolke, keine nennenswerten Anstiege.


So geht Radreise heute!


„Partageons la route“ – Autos gehört die Straße, Radfahrer werden an den Rand gedrängt


Die folgenden Orte existieren eigentlich nur, weil es Tourismus gibt. Das sieht man derzeit besonders gut, weil es noch nicht viel Tourismus gibt. Das heißt: Die Geschäfte, Restaurants und Bars sind fast alle geschlossen, die Läden der Häuser sind zu, die Rollos unten.


Auf den Campingplätzen und am Strand herrscht dafür reger Vorbereitungsbetrieb. Es wird neu gebaut (ob das noch rechtzeitig fertig wird?), repariert und natürlich an der Illusion vom Badeurlaub gearbeitet. So fahren z.B. über die Grande plage de Tharon mehrere Lastwagen, die in Nähe der Promenade von einem Bagger befüllt werden und den ans Meer verlorenen Strand mit dem neuem Sand auffüllen.


Neue Wegweiser zwischen Keksen und Abendessen


Für uns geht es noch ein paar Meter weiter nach Préfailles, wo wir in einem sehr guten Touristenhotel unterkommen. Das Haus ist nicht in allerbester Verfassung, was auch an der hohen Beanspruchung durch Wind und Wetter liegen dürfte, dafür schlägt uns wieder die eingangs beschriebene Freundlichkeit entgegen. Die Chefin lässt uns die Räder sowohl vor der Tür mit dem Gartenschlauch vom Staub reinigen als auch in der Lounge aufladen.


Abendessen gibt's hier auch: Austern von direkt gegenüber – die Gattin will abseits der Küste nie wieder welche essen –, hausgemachte Foie gras und Barschfilet bzw. mariniertes Filet vom Rind. Der Wein ist besser als die meisten bisher, die Desserts sing gut, nur der Käseteller macht deutlich, dass wir die Käseregion an der Loire leider verlassen haben.


Hinterher schauen wir der Sonne noch kurz beim Untergehen zu, dann gehen wir aufwärts. Beim Abendessen haben wir festgestellt, dass sich in den letzten zwei, drei Tagen dieses Gefühl völliger Losgelöstheit bei uns eingestellt hat. Wahrscheinlich dauert es einfach enorm lange, bis einem das Päckchen, das man so mit sich rumträgt, von den Schultern rutscht.


Raus aus der Stadt, rein ins Vergnügen

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