Seiten

Freitag, 13. Juli 2012

20. Mai 2012, der elfte Tag: Palavas-les-Flots–Nissan-lez-Enserune

Vier Zylinder westwärts

Um sieben Uhr schauen wir auf die Straße, draußen geht die Welt unter, und die Prognose sagt, dass sich daran erstmal nichts ändern wird. Wir fragen an der Rezeption, ob wir eine Nacht verlängern können, und stellen den Wecker auf halb neun.

Während des späten Frühstücks überlegen wir, ob es wirklich sinnvoll ist, einen ganzen Tag in einem Hotelzimmer in Palavas-les-Flots zu verbringen. Der Ort ist hässlich, es gibt absolut nichts zu tun oder zu sehen, und wenn wir Pech haben, sieht es morgen früh auch nicht besser aus. Und das bei relativ hohen Kosten, wenn wir Zimmerpreis und Abendessen von gestern addieren.

Irgend jemand fragt: „Wo wollten wir heute eigentlich hin, und was kostet ein Taxi dorthin?“

Im Logis-Verzeichnis finden wir ein Hotel westlich von Béziers, das erstens erreichbar und zweitens einladend wirkt. Man hat Platz für uns, wir reservieren. Unten an der Rezeption streicht der Patron persönlich unsere Verlängerung vom Morgen und kümmert sich um ein Taxi. Dessen Angebot ist günstiger als das Bleiben es wäre, also nehmen wir an (schon klar, damit verdoppeln sich heute die Kosten, dafür sind wir aber auch eine Etappe weiter).

Wo wir wohnen, ...

Das Taxi kommt etwas früher, Mo ist noch einkaufen, ich helfe dem Fahrer beim Verstauen der Räder und interviewe eine Gruppe amerikanischer StudentInnen, die sehr sommerlich bekleidet das Hotel überschwemmen. Sie sind vor zwei Tagen in Paris gelandet, haben gerade Avignon besichtigt („Oh, it's so nice!“), bleiben zwei Tage am Meer und fahren dann für drei Tage nach Toulouse. Von dort geht's zurück nach Paris und wieder in die USA. Na, dafür lohnt sich doch jeder Interkontinentalflug.

Unser Chauffeur schimpft unterwegs auf alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Die schlechte Infrastruktur der Region (weil alles Geld in die Touristenorte am Meer gepumpt wird), die wachsende Bürokratie im Land, die hohen Steuern, den Niedergang seines ehemaligen Berufes (er war Schlachter, aber: „Le métier est mort“) usw. usf.

Nach einer Stunde erreichen wir Nissan-lez-Enserune, irgendwo unterwegs hat der Regen aufgehört, wir schöpfen Hoffnung. Im Hotel gibt man uns ein nettes Swarovski-Zimmer im Annexe, wir essen das Mitgebrachte, schlafen bis sechs und spazieren anschließend durch den Ort.

... wo die Liebe wohnt, ...

... wo der Bürgermeister wohnt

Das Abendessen beginnt mit einem Apéritif im Altbau, der kleine Salon ist zauberhaft möbliert, am Nachbartisch sitzt ein Mann, der mich an unseren Elektriker erinnert, und aus dem Fernseher an der Wand schallt eine französische Talkrunde.

Zum Essen müssen wir ins Nachbarhaus, der Juniorchef bedient gemeinsam mit einer Mittzwanzigerin, sie wirkt anfangs etwas unbeholfen, erweist sich aber sehr schnell als hoch professionell. Hervorragendes Essen gibt's auch: Tartare de Saumon frais à l’ananas et poivre de séchuan und Souris d'agneau cuite 48h au romarin, poêlée de légumes glacés de saison für Madame, Marbré de Foie gras et Confit de Canard, toast aux céréales und Côte de Cochon cuite à basse température, cocotte d'écrasée au lard fumé et son jus réduit für Monsieur. Letzteres übrigens ein echter Hammer – super-saftig und nahezu fettfrei.

Dazu müssen wir leckeren Wein trinken, und am Ende zwingen sie uns auch noch, Soufflé coulant au chocolat, Glace confiture de lait bzw. Baba au rhum cubique chantilly maison zu essen. Es ist zum Verrücktwerden!

Abends leider geschlossen, wir schauen morgen mal rein

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen